Die Bedeutung der Klaviersonaten Joseph Haydns wird häufig unterschätzt. Nicht nur, dass Beethovens Sonaten ohne Haydns Einfluss kaum denkbar wären – nein, sie werden auch immer noch zu selten im Konzertsaal gespielt. Wenn doch, dann dienen sie meistens als eher harmlose, einen Konzertabend einleitende Werke. Der große Sviatoslav Richter hingegen scheute sich nicht, die Bedeutung der Sonaten entsprechend aufzuwerten, indem er sie nicht etwa zu Beginn, sondern am Ende eines Konzerts spielte. Überhaupt war Richter einer der wenigen großen Pianisten, der Haydn den gebührenden Respekt zollte – beileibe keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, in der das Bild des betulichen und liebenswürdigen „Papa Haydn“ noch fest in den Köpfen der Zuhörer und Wissenschaftler verankert war.
Einer der wenigen Pianisten, die das gesamte Sonatenschaffen Haydns einspielten, ist der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder. Der Ruhm seiner Karriere gründet in besonderem Maße auf den Werken der drei großen Meister der Wiener Klassik – insofern ist es kaum verwunderlich, dass die Erarbeitung sämtlicher Sonaten Haydns für ihn keine rein enzyklopädische, sondern eine absolut gewinnbringende Beschäftigung darstellte. Buchbinders Spiel empfinde ich des öfteren als ein wenig akademisch und langweilig (weshalb er nicht zu meinen bevorzugten Pianisten zählt), doch bei Haydn sehe ich ihn angesichts der Klarheit und dem Humor in seinem Spiel ganz weit vorne.
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