Johann Sebastian Bach (1685 – 1750): Goldberg-Variationen BWV 988 (Standardrepertoire)

Bachs Goldberg-Variationen gehören nicht nur zu den bekanntesten Werken des 18. Jahrhunderts, sondern zu den wichtigsten Kompositionen für Tasteninstrumente aller Zeiten. Wegen seiner enormen technischen Hürden und der für eine Aufführung notwendigen extremen Konzentration des Interpreten ist das Werk eher selten live zu hören.

An erster Stelle unter den Einspielungen sei hier ausnahmsweise nicht meine Lieblings-Aufnahme erwähnt, sondern diejenige, die Geschichte schrieb und das Werk der kollektiven Vergessenheit entriss. Gemeint ist die Einspielung des kanadischen Pianisten Glenn Gould, der 1955 das Werk als sein Debüt-Album für Columbia aufnahm und damit eine regelrechte Hysterie in der Klassikwelt auslöste. Die Einspielung gehört trotz oder gerade wegen der kontroversen Einfälle Goulds immer noch zu den zehn meistverkauften Klassik-Alben aller Zeiten. Die englische Ausgabe eines bekannten Online-Lexikons widmet dieser Aufnahme unter dem Stichwort „A State of Wonder“ gar einen eigenen Artikel. Man mag zu dieser Aufnahme stehen, wie man will, aber vollständig ist eine ernsthafte Basissammlung ohne sie jedenfalls nicht.

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Eine der ausgewogensten und elegantesten Einspielungen ist diejenige von Murray Perahia, die ungemein harmonisch und durchdacht daherkommt. Perahia wird nicht selten als „Aristokrat des Klaviers“ bezeichnet – und diese Aufnahme verdeutlicht besonders, weshalb.

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Nach langer Suche habe ich noch eine weitere, fast in Vergessenheit geratene Aufnahme entdeckt, die äußerst rein und intellektuell wirkt. Charles Rosen, ein im Jahre 2012 verstorbener amerikanischer Pianist, ist ein seltenes Beispiel für einen Pianisten, der in umfangreichem Maße auch publizistisch tätig war und viele wunderbare Essays zu diversen Werken und Komponisten hinterließ. Seine lebenslange Beschäftigung mit Bach zahlt sich besonders aus. Jedenfalls ist diese CD unter Kennern so etwas wie ein Evergreen in der eher schlanken Diskographie dieses Pianisten geworden. Mein Favorit bei diesem Werk ist sie ebenfalls.

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Extremere Interpretationen dieses Werkes gab es immer wieder – und offensichtlich auch eine gewisse Schar begeisterter Anhänger, die hochgradig indivduellen Ansätzen stets den Vorzug gegenüber dem „Mainstream“ geben.

Da wäre zum einen die Aufnahme von Andrei Gavrilov, der zum Teil haarsträubende Tempi wählt, aber die berühmte 25. Variation so langsam spielt, dass sie vollkommen zerfasert. Außerdem geht bei den rasenden Tempi die Struktur vollkommen unter, so dass bisweilen nur noch ein oberflächliches Virtuosentum unterm Strich bleibt. Sicherlich, Gavrilovs Technik ist beeindruckend, aber leider auch wenig zweckdienlich eingesetzt – auf jeden Fall eine der umstrittensten Aufnahmen.

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Zum guten Schluss komme ich noch auf Alexis Weissenbergs Aufnahme zu sprechen. Dieser hochintelligente und sehr belesene Interpret lieferte des öfteren Einspielungen ab, die zwischen Genie und Wahnsinn schwanken. Bei den Goldberg-Variationen ist sein extrem harter Anschlag äußerst gewöhnungsbedürftig. Befürworter werden die klar herausgemeißelten Strukturen loben, Kritiker werden von „Bach meets Bartók“ sprechen.

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