April 2018
Auf der Nordseeinsel Föhr gibt es ein Lokal, das bereits seit einiger Zeit einen Michelin-Stern und 15 Gault&Millau-Punkte sein Eigen nennt. Es handelt sich dabei um das malerisch in der Fußgängerzone von Wyk gelegene Alt Wyk, das sich von außen komplett unscheinbar gibt und vom Fähranleger gut zu Fuß erreichbar ist. Auch die Inneneinrichtung ist friesisch gehalten: lichte Farben, maritime Bilder und die typischen blau-weißen Kacheln prägen das Interieur des Lokals, das an diesem Karfreitag auch am Nachmittag gut gefüllt ist. Es sei allerdings darauf verwiesen, dass das Restaurant durchaus auf zahlreiche Touristen angewiesen zu sein scheint und über die Wintermonate fast komplett geschlossen hat.
Die Maxime des Hauses sei es vorrangig, beste Produkte unverfälscht und so naturbelassen wie möglich in einem gehobenen Gourmetrahmen zu präsentieren. Zum Einstieg gibt es zu einem Prisecco Nr. 23 von Jörg Geiger ein nettes, aber harmloses Pilzrahmsüppchen und eine kleine Chicoréesalat-Garnitur dazu. Die Wahl fällt dann auf das fünfgängige Karfreitagsmenü (€ 89), was allerdings nicht bedeutet, dass die Gerichte der Menüfolge an anderen Tagen nicht erhältlich wären. Das hausgemachte Brot ist ordentlich, aber kaum bemerkenswert, und der spätere Verzicht auf die Käseauswahl sei hier nur am Rande erwähnt.
Es geht los mit Thunfisch auf grünem Spargel, wobei der Thunfisch als Tatar in einem Knusperröllchen und in kleinen marinierten Tranchen von dem grünen Spargel umspielt wird – ein ordentlicher Einstieg.
Hausgemachte Ricotta-Kräuter-Tortellini mit frischen Morcheln wird in einer Brühe dargeboten und schmeckt durchaus – den Esprit vermisst man bei diesem Gericht jedoch schon ein wenig.
In diesem Nordseeumfeld wirkt Heilbuttfilet im Sud von orientalischen Gewürzen mit Falafel ein wenig deplatziert. Auch hier wirkt alles handwerklich solide zubereitet und präsentiert, aber ein weit überdurchschnittliches Können wird hier nicht an den Tag gelegt.
Am besten gefällt uns an diesem Tag Loup de mer mit Bärlauchrisotto und Spargel. Der kross gebratene Wolfsbarsch ist schön saftig, und auch die Begleitung ist absolut stimmig. Das kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch dieses Gericht überraschungsfrei daherkommt und ähnlich brav wie die Vorgänger wirkt.
Selbiges gilt auch für das biedere Pré-Dessert, das aus einem schlichten Mangosorbet besteht. Das eigentliche Dessert, Sauerrahm-Tarte mit Rhabarber und Lindenblüteneis, stimmt wieder etwas versöhnlicher und ist nicht ganz so ideenlos in Szene gesetzt. Kleinen Trost spendeten auch die ordentlichen Petits fours, aber am Gesamteindruck änderten sie nichts mehr.
Servceleiterin Daniela Dittrich ist eine herzliche Gastgeberin, während die andere Servicedame einen leicht unterkühlten – oder sollte ich „friesischen“ sagen? – Eindruck macht. In den meisten Fällen wurde der jeweilige Teller mit einem vielsagenden Kommentar wie „der Thunfisch für Sie“ vor dem Gast abgestellt. Um aber bei der Wahrheit zu bleiben: hätte die Dame das Gericht ausführlicher erklärt, dann hätte sie dabei nur Dinge erläutert, die auch ein ungeübter Gast ohne große Mühe hätte erkennen können.
Und genau da lag auch das fundamentale Problem: die Gerichte waren allesamt solide, aber mehr auch nicht. Ob der geforderte Preis im Einklang mit der gezeigten Leistung steht, ist fragwürdig. Beispielsweise gab es keinerlei Überraschungen oder Texturen, die ein halbwegs erfahrener Gourmet nicht sofort durchschaut hätte. Mit anderen Worten: ich kann nicht nachvollziehen, weshalb dieses Lokal einen Michelin-Stern hat, da mir spontan kein anderes Lokal einfällt, bei dem solch niedrige Maßstäbe dafür angelegt worden wären – aber dafür jede Menge andere, die dann schon längst einen Stern haben müssten. Keine Frage: selbstverständlich seien den Betreibern die Auszeichnungen gegönnt, aber ein weiterer Beleg für mein Urteil ist auch darin zu sehen, dass der GUSTO (der übrigens wesentlich mehr Lokale verzeichnet als der Gault&Millau) dieses Lokal noch nicht einmal erwähnt. Chefkoch René Dittrich erschien auch noch an unserem Tisch, wobei wir ihm zu erkennen gaben, dass es uns durchaus geschmeckt hat – was wir verschwiegen, war, dass unsere Erwartungshaltung indes eine andere war. Hätte dieses Lokal keinen Michelin-Stern, dann wäre es wahrscheinlich eines der besten ohne diese Auszeichnung gewesen, in dem ich bislang gegessen habe – für einen Michelin-Stern war mir dies allerdings deutlich zu wenig. Woher der G&M die 15 Punkte für diese biedere Darbietung hernimmt, bleibt mir ebenfalls schleierhaft.
Fazit: dieser Bericht über die Speisen ist zugegebenermaßen vergleichsweise dünn geraten, aber es gab auch nicht wirklich mehr darüber zu sagen. Eine Reise nach Föhr nur wegen dieses Lokals wird es von mir jedenfalls nicht mehr geben.