Die Chromatische Fantasie und Fuge gehört zu Bachs schwierigsten und vertracktesten Werken. In knapp einer Viertelstunde verlangt der Komponist dem Interpreten alles ab, was zur damaligen Zeit aus den Instrumenten herausgeholt werden konnte. Mit diesem gewichtigen Beitrag zur Tastenmusik stellte das Genie des Barock seiner großen Passacaglia in c-moll für Orgel ein würdiges Pendant für Cembalo (bzw. Klavier) gegenüber. Gerade das ungeheure Klangvolumen kommt bei diesem speziellen Werk auf modernen Instrumenten besonders gut zum Tragen, auch wenn die etwas größere Trägheit moderner Klaviertasten einen nicht ganz so raschen Vortrag wie auf dem Cembalo ermöglichen.
Die hier empfohlene Einspielung ist schon deshalb ungewöhnlich, weil sie von einem Pianisten eingespielt wurde, dessen Name sicherlich nicht als erstes mit Bach in Verbindung gebracht wird: Alfred Brendel. Mitte der 70er-Jahre wagte Brendel einen Ausflug ins Barock und verließ die klassischen sowie romantischen Pfade, die ja eigentlich den Kern seines Repertoires darstellen. Wer jedoch mit einem mittelmäßigen Ergebnis gerechnet hätte, sah sich getäuscht: Brendels minutiöser und vergleichsweise schmuckloser Ansatz hievt das Werk in eine Dimension, in der die unbeschreiblichen Qualitäten des Werkes in bestem Licht dargeboten werden. Brendel zählt nicht unbedingt zu meinen Lieblingspianisten, aber er erreichte hier Bestform und legte eine LP vor, die damals so manchen verwundert die Frage stellen ließ, weshalb Brendel eigentlich nicht mehr Bach spielte.
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