„Kochen ist eine Reise in die Welt der Geschmackserlebnisse.“ (Alice Waters)
Juni 2023
Das Dolder Grand Zürich ist ein Ende des 19. Jahrhunderts im Schweizer Holzbaustil geschaffenes Luxushotel, das hoch über der Stadt thront und schon in der Vergangenheit illustre Gäste aller Couleur angelockt hat – seien es nun Winston Churchill, Thomas Mann oder die Rolling Stones. Hier geben sich Reiche und Prominente – oder solche, die sich eben dafür halten – die Klinke in die Hand. Am Tage unseres Mittagessens im hauseigenen Zweisterner mit dem denkbar neutralen Namen The Restaurant wuseln nicht weniger als gleich zwei indische Hochzeitsgesellschaften durch die Gänge und den Foyer des Hotels. Der Bereich vorm Hotel ist mit unzähligen Limousinen zugeparkt, doch scheint dies eher ein Dauerzustand zu sein, an den sich das Personal hier längst gewöhnt hat. Wir sind jedenfalls ganz froh, dass das Lokal etwas abseits vom Trubel in einem Seitentrakt gelegen ist, da unser Hauptaugenmerk nun mal nicht den Frischvermählten, sondern der exzeptionellen Küche von Chef Heiko Nieder gilt. Eigentlich ein Nordlicht, verschlug es den Spitzenkoch nach Ausbildungsjahren bei Josef Viehhauser im Hamburger Le Canard und Dieter L. Kaufmann in der Traube zu Grevenbroich rasch in die weite Welt. Seit 2008 Küchenchef im noblen kulinarischen Flaggschiff des Hotels, hat er sich dort mittlerweile in die erste Liga seiner Zunft hochgearbeitet. Er wird oft in einem Atemzug mit Kollegen wie Heinz Beck (La Pergola, Rom) oder Peter Knogl (Cheval Blanc, Basel) genannt, wenn es um die besten im Ausland tätigen deutschen Chefs geht, was unsere Neugier natürlich in nicht geringem Maße befeuert.
Eine Brutstätte der Avantgarde ist die Schweiz im Allgemeinen eher nicht, und so pflegt der hochdekorierte Chef eine auf solide klassischem Fundament aufbauende Küche, die dank zeitgemäßer Interpretation scharenweise Gäste hierher lockt. Dass Zürich zu den teuersten Städten der Welt zählt, dürfte hinlänglich bekannt sein – weshalb wir umso erfreuter zur Kenntnis nehmen, dass man hier mittags ein Menü in Amuse-bouche-Portionen zu CHF 140 offeriert, welches wir bereits bei der Vorbestellung (samt Anzahlung) im Internet auswählten. Ein „gewöhnliches“ viergängiges Business Lunch zu schlappen CHF 220 stellt eine weitere Option dar, zumal es mittags erheblich einfacher ist, einen Tisch zu bekommen; abends steht das achtgängige Menü zu CHF 320 an, welches die ganze Bandbreite des kulinarischen Schaffens abbildet.
Bei unserer Ankunft geleitet man uns durch den riesigen, feudalen Speisesaal mit der mehrere Meter hohen vergoldeten Decke auf die sonnige Terrasse, wo wir unser Mittagsmahl einnehmen wollen. Wir können uns – ehrlich gesagt – noch nicht viel unter dem gewählten Menü vorstellen und glauben selbst dann noch, als uns die Speisekarte vorgelegt wird, dass wir pro Gang jeweils einen von drei Gängen aussuchen sollen. Falsch gelegen: jeder Gang besteht aus drei kleinen Portionen, so dass wir am Ende des Mahls auf eine stattliche Anzahl von Schälchen kommen, die den geforderten Preis auf jeden Fall mehr als rechtfertigen. Angesichts des sonnigen und warmen Wetters an diesem Nachmittag lassen wir uns einen halbtrocknen, alkoholfreien Traubensecco Flower Bloom ins Glas schenken, der später mit CHF 22 (!) zu Buche schlagen wird – wir sind eben in Zürich …
Die Mehrzahl der Gäste muss hier absolut nicht aufs Geld schauen, weshalb diese Episode ahnungslosen Gästen nur einen kleinen Einblick über die Preise geben soll, die einen hier so erwarten. Jedenfalls trägt man zum Secco eine Parade an Einstimmungen auf, die zu den elaboriertesten und durchdachtesten in der jüngeren Vergangenheit gezählt werden muss: sieben komplett vegetarische und sehr abwechslungsreiche Apéros vermitteln schon mal einen ersten Eindruck vom Können des Chefs. Von hinten nach vorne und links nach rechts sind dies: Cornetto von Eiersalat mit Senf und Alge, dann Dampfbrot mit Rande (rote Bete), grüner Mango und Jalapeño gefolgt von Kräutersaft mit Gurke und Raps in einer knusprigen Sepiahülle. Weiter geht es mit „Baked potato“ (eher eine kleine Dampfnudel), Sanddornsaft mit Tom Yum und Dill, „Quesadilla“ mit gebeiztem Eigelb und schließlich Feta-Frischkäse mit Sesam, Shiso und Chili. Exemplarisch hervorgehoben sei insbesondere das Cornetto mit seiner sorgsamen Würze und dem überraschenden Spiel mit Texturen auf engstem Raum – allen Apéros gemeinsam ist jedoch ein ausgesprochen feines Gespür für spannungsgeladene Konstellationen, die jeder Routine entbehren und gerade durch den Verzicht auf Fisch und Fleisch besonders beeindrucken. Auch das Sonnenblumenkernbrot mit Bärlauch- und Rapsbutter hält das Niveau unverändert hoch. Ein hinreißender Einstieg, der absolut Appetit auf mehr macht!
Das erste Trio des Tages steht an: zur linken ersinnt die Küche einen Macaron aus Grüntee von superber Konsistenz und authentischem Aroma. Zwischen die Hälften zaubert Heiko Nieder mit seinem Team eine hauchdünne Lage von Anchovisgelée, das eine wunderbar kontrastreiche Spannung mit qualitativ exzellenter Mousse von Gänsemastleber eingeht. Das recht herbe Häppchen wird mit etwas Gerstengras stimmig abgerundet. Großartig!
Die exotischste Kombination gibt es in der Mitte zu bewundern: der kalte Hummer mit exzellentem Biss geht eine spannende Liaison mit Erdbeere einerseits und Rande andererseits ein. Das reizende Changieren zwischen Süße und Bitterkeit wird durch die punktgenaue Würze von Estragon und Senf noch auf die Spitze getrieben. Mit diesem kühnen und individuellen Einfall beweist die Küche großen Mut, denn dank klassischer Techniken bei der Zubereitung geht das Kalkül trotz der Überraschungen perfekt auf – ein großer Wurf, keine Frage!
Kaviar des Feldes ist auch ein Liebling von Christian Grünwald aus dem Augsburger August, weshalb mir dieses rare Produkt durchaus geläufig war. Die Samen der Pflanze Kochia Scoparia sind besonders in Japan beliebt und ähneln nach dem Entfernen der Samenschale und dem Kochen in Form und Aussehen „echtem“ Kaviar durchaus. Der Geschmack geht allerdings eher Richtung Artischocke und wird hier mit Erbse, Ampfer und Wasabi kombiniert. Die aromatische Vielfalt des praktisch nur grünen Gangs hätte auch dem Nürnberger Essigbrätlein zur Ehre gereicht, denn die filigrane Umsetzung vieler kleinteiliger Elemente ist trefflich gelungen. Ich kann nicht ausschließen, dass selbst Salicorn-Algen noch etwas Salinität beisteuern, aber wie dem auch sei: ein gar nicht klassisches Schälchen von meisterhafter Umsetzung, mit dem die Küche beweist, dass sie weit mehr als nur die Tradition beherrscht und mit der Zeit geht. Sehr stark!
Als nächstes erwartet uns eine Trilogie in Tassen – irgendwo zwischen Suppen, Essenzen und Schäumen. Es beginnt mit einem Ausflug in die ayurvedische Küche: die „Golden Milk“ wird mit Kurkuma zubereitet und in diesem Falle noch ganz besonders veredelt mit einer Einlage von Thunfisch und Mandel sowie etwas Chili obenauf. Puristen mögen hier die Nase rümpfen, aber es fällt schwer, sich der Faszination dieser ausgesprochen dichten Kreation mit der außergewöhnlichen Kombination gänzlich unerwarteter Produkte zu entziehen, zumal die Balance zwischen den Komponenten, bei denen alle zu ihrem Recht kommen, einfach verblüffend ist.
Frühlingshaft wirkt dagegen der Kräuterschaum, doch auch in diesem Beitrag spart die Küche nicht mit gelungenen Einfällen: so ist nicht nur unmittelbar unter dem Espuma eine cremige und sehr kräuterlastige Schicht, sondern auch Julienne von Salami (kennt man so eher von Gemüse) versteckt. Die weitere Veredelung mit Sommertrüffel ist sicherlich gut gemeint, doch kommt er für unseren Geschmack gegen diese mächtigen Mitstreiter nicht an und verblasst.
Die luxuriöse Einlage der fruchtig-herben und sehr heißen Rooibos-Krustentier-Essenz in Form von Oktopus und Mango sagt uns dagegen sehr zu, da auf diese Weise liebgewonnene Erwartungen ganz leicht ad absurdum geführt werden – was das Essvergnügen weiter spürbar aufwertet. Wo andere Küchen mit drei recht ähnlichen Beiträgen eher langweilen würden, spannt diese Trias einen sehr weiten geschmacklichen Bogen, welcher es der Küche auf überzeugende Weise gestattet, so ziemlich alle Facetten ihres Könnens zu präsentieren.
Drei Amuses rund um das Thema Fisch erwarten uns im dritten Gang: die herzhafteste und zupackendste Variante gibt es links zu bestaunen: unter der massigen Scheibe von gekochter Rande (scheint angesichts des häufigen Einsatzes ein Lieblingsprodukt des Chefs zu sein …) versteckt sich saftiger Seehecht in einem indisch anmutenden Umfeld aus Dörraprikose und Curry – forsch und kraftvoll in der Aromatik. Den schärfsten Kontrast dazu geht der als Sashimi aufgeschnittene Hamachi auf dem kleinen Teller rechts ein: eher mild abgeschmeckt, kommt er in einem Umfeld von hauchdünn gehobeltem Ingwer und Zitrusaromen bestens zur Geltung. Ich für meinen Teil hätte auf die Blättchen Basilikum auch verzichten können, weil er für meine Begriffe nichts Wesentliches beisteuerte – aber sei’s drum.
Den Mittelpunkt bildete Lachs, der etwas unerwartet unter einem Kokosschaum versteckt war. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Paarung dieses Produkts mit weißem Spargel viel besser als erwartet funktionierte: dank etwas Ceta-Kaviar und Dill spielte das mustergültige Fischlein seine Qualitäten voll aus und profitierte zudem von größtmöglicher Transparenz zwischen den verwendeten Produkten. Überhaupt fiel bislang bei allen Gängen auf, dass die aromatische Intensität zwischen den drei Beiträgen untereinander stets sehr variabel und alles andere als vorhersehbar war. Spätestens jetzt war meine grundsätzliche Skepsis bezüglich dieser Ästhetik zu Beginn des Mahls einer Euphorie gewichen, die mich diesen Besuch schon jetzt als sehr lohnenswert einschätzen ließ – außerdem stand uns ja noch einiges bevor …
Auch der Fleischgang wird konsequent in drei Teilen interpretiert: eher ungewöhnlich werden hier sogar Spare Ribs in ein asiatisches Gewand gekleidet, aber warum nicht?! Auf dem Tapiokachip finden sich neben einer Salatgarnitur gebeiztes Eigelb und Wasabi, welche diesem Gang sein Gepräge verleihen. Ähnlich herzhaft, aber etwas konservativer geht es bei Ochsenbäckchen mit grünem Spargel, Bärlauch und BBQ-Sauce zu, wobei das schön mürbe, aber minimal zu trockene Fleisch ganz klar die Hauptrolle spielt. Den Abschluss der Trias bildet Kalb mit Morcheln und Emmentaler – zwar etwas weniger mutig als mancher Vorgänger umgesetzt, aber sehr erdig und mit einem süffigen Schaum von Meerrettich, der daraus ein Wohlfühlgericht im Sinne eines herausragenden Tafelspitz im Miniaturformat zaubert.
Mit ganz besonderer Spannung erwarte ich den Ausklang, denn der Einfluss eines ganz speziellen Pâtissiers hinterlässt hier noch immer seine Spuren: Christian Hümbs zählte einst zu den ganz heiß gehandelten Namen in seinem Metier. Ich hatte das Glück, bereits sowohl im Hamburger Haerlin als auch im Münchner Atelier (damals noch unter Jan Hartwig) zwei seiner Kreationen verkosten zu dürfen und habe diese Darbietungen bis heute nicht vergessen – nicht einmal notwendigerweise, weil man annehmen könnte, sie seien überragend gewesen. Ob es sich tatsächlich so verhielt, war schwer einzuordnen: Hümbs‘ Kreationen waren stets unglaublich komplex und aufwendig in Szene gesetzt, teils mit Produkten, von denen ich bis dato zumindest im Zusammenhang mit Desserts noch nie etwas gehört hatte (z.B. reduzierte Vanille oder Sandelholz). Weitere Markenzeichen seiner Kunst waren der weitgehende Verzicht auf Zucker und die Einbeziehung von Gemüse – ein Gedanke, mit dem er seiner Zeit weit voraus war. Unter den Gästen polarisierte er dennoch: die einen lobten die Kühnheit, die Kreativität und die unvergleichliche Virtuosität, während andere so etwas wie einen roten Faden vermissten und den forschen Kreationen trotz ihrer Ausgelassenheit eine gewisse Beliebigkeit oder Überfrachtung unterstellten. Nach seinem Abgang aus München schloss sich Christian Hümbs jedenfalls dem hier rezensierten Lokal an, doch hat er es zwischenzeitlich auch schon wieder verlassen, um im Züricher Quartier Seefeld ein Pop-up namens The Studio zu eröffnen.
Seinen Einfluss macht er immer noch geltend, um der einen oder anderen hier präsentierten Nascherei seinen Stempel aufzudrücken, indem er seine Ideen vom Personal umsetzen lässt. Drei größere und vier etwas kleinere Beiträge bilden den üppigen Ausklang, wobei der fraglos ungewöhnlichste Beitrag aus dem Rhabarber mit Buchweizen-Reis, Ingwer und Rose (rechts) besteht. Aus unserer Sicht gelingt er am schwächsten, denn neben dem nahezu neutralen, mit Rose aromatisierten Schaum ist es vor allem die wenig schlüssige Kombination, welche kein sinnstiftendes Element schafft und uns ein wenig ratlos zurücklässt. Deutlich besser gefällt uns Nespola (Mispelfrucht) mit Kakaofruchtsaft, Yuzu-Pfeffer, Getreide und Shiso (vorne), weil allein schon die reizenden Texturen den Genuss enorm aufwerten. Schwer zu sagen, warum das Zusammenspiel diese disparitätischen Komponenten so viel besser gelingt als beim Rhabarber, aber hauptsächlich mache ich als Grund aus, dass jede Komponente besonders deutlich herauszuschmecken ist und die Mispel selbst alles andere als alltäglich in der Pâtisserie ist. Der Höhepunkt ist jedoch fraglos Cheesecake mit Heidelbeeren und Karamell-Eis (hinten). Kompakt und schnörkellos umgesetzt, wird das Eis mit Karamellperlen umspielt, während denjenigen, der das Menü nicht studiert hatte, angenehmste geschmackliche Überraschungen der erfrischendsten Art unter dem Eis erwarten.
Die kaum weniger überzeugenden Petitessen zum Schluss bestehen aus Randen-Cookie mit Himbeer, Mandelwaffel mit Cassis (beide auf dem Rechteck), rotem Bohneneis mit Kinako und schließlich Passionsfrucht-Jelly mit Lakritz. Wir dachten, dass die Lakritznote die letzte Überraschung des Tages darstellen würde, doch ganz zum Ende dürfen wir auch noch von einem Tablett mit ganz klassischen Pralinés eine Auswahl treffen: diese habe ich nicht mehr notiert, aber mein Favorit Tonkabohne war auf jeden Fall dabei.
Man muss unumwunden feststellen, dass sich dieser Besuch selbst nach mehr als zehn Jahren Erfahrung mit der Spitzengastronomie kaum in irgendeine Schublade einordnen ließ. Das lag gleich an mehreren Gründen: zum einen ist die Präsentationsform eines ganzen Menüs in Form von Amuses bouches höchst ungewöhnlich und sicherlich kontrovers diskutiert. Wir begrüßten diesen Ausbruch aus der Routine (noch dazu quasi zum Vorzugspreis) einhellig und freuten uns ob der Tatsache, so viele Facetten dieser herausragenden Küche binnen eines einzigen Nachmittags kennenlernen zu dürfen. Andere mögen sich daran stören, dass ein entspannter Genuss angesichts des notwendigerweise erhöhten Maßes an Aufmerksamkeit beim Verzehr kaum möglich scheint – all diesen Gästen steht es jedoch frei, das gewöhnliche Mittagsmenü zu bestellen. Tatsächlich finde ich den Vergleich mit der Darbietung eines Zauberers angemessen: die eine Hälfte des Publikums will sich einfach nur unterhalten lassen, während die andere Hälfte versucht, das Geheimnis hinter den Tricks zu enträtseln und sich mit voller Aufmerksamkeit den Darbietungen widmet. Hier steht es somit jedem frei, nach seiner Façon zu speisen: entspannt oder gespannt.
Die stilistische Vielfalt, die diese Küche beherrscht, ist bemerkenswert: obwohl wir asiatische, französische, vegetarische und weitere Einflüsse erkennen konnten, vermied es die Küche dennoch geschickt, deren Merkmale auf einem einzigen Teller im Fusionstil miteinander zu vermengen. Der Reiz dieser Menüfolge aus Amuses bestand zu einem großen Teil eben darin, dass ein Themenbereich wie Fisch oder Suppen in verschiedenen Facetten beleuchtet wurde, jedes Schälchen isoliert betrachtet aber immer nur einer einzigen Stilistik huldigte. Dennoch mangelte es Heiko Nieder keineswegs an überraschenden Akzenten, welche einzelne Beiträge mit Pfiff aufwerteten, so zum Beispiel mit der Salami unter dem Kräuterschaum. Es entsprach nicht unserer Erwartungshaltung, hier mit Modernismen konfrontiert zu werden, aber von der im schlimmsten Fall befürchteten klassischen, aus der Zeit gefallenen Biederkeit war die Küche meilenweit entfernt: man denke nur an die rein vegetarischen Apéros oder die teils am Rande der Avantgarde wandelnden süßen Ausklänge. Bei alledem kann sich der Gast fast immer auf ein an der Grenze zur Perfektion wandelndes Handwerk verlassen: ganz vereinzelt blieb die eine oder andere Komponente etwas blass, aber bei gut zwanzig Schälchen im Laufe des Nachmittags relativiert sich diese Kritik doch auf ein sehr kleines Maß. Trotz der Wanderung durch verschiedene Stile zeichnete alle Teller ein großes Maß an Natürlichkeit an Harmonie aus, die allenfalls bei den gewagten Einfällen der Pâtisserie aufs Spiel gesetzt wurde.
Der Service besteht aus einer fast schon nonchalant agierenden Servicechefin mit zwei Gehilfinnen, die trotz eines anzunehmenden Migrationshintergrunds exzellent Deutsch sprechen und detailliert Auskünfte zu den Speisen erteilen können. Von der häufig kolportierten Steifheit in altehrwürdigen Grandhotels war hier jedenfalls keine Spur! Ganz ohne Klischee geht es dann doch nicht, denn die Nebenkosten sind ganz dezidiert Zürich und bestätigen einmal mehr, dass hier teils stolze Preise selbst für einfachste Getränke aufgerufen werden. Entsprechende Gewinnmargen gibt es auch bei den Spirituosen, weshalb wir uns mit einem der gewöhnlichsten Obstbrände aus der Region zufrieden geben. Heiko Nieder lässt sich zum Ende hin übrigens auch noch blicken und posiert bereitwillig für ein gemeinsames Foto, so dass dieser sonnige Nachmittag einen rundum gelungenen Abschluss findet.
Gerade wegen der speziellen Präsentationsform in ansprechenden kleinen Portionen würde ich aufgeschlossenen Gästen eine Stippvisite zur Mittagszeit nahelegen wollen. Wir haben den Besuch hier keine Sekunde bereut und würden bei einer weiteren Einkehr höchstwahrscheinlich wieder mittags buchen – es lohnt sich!
Mein Gesamturteil: 19 von 20 Punkten
The Restaurant (at Dolder Grand Zürich)
Kurhausstr. 65
8032 Zürich (Schweiz)
Tel.: 0041-44456-6000
www.thedoldergrand.com
Guide Michelin 2023 (Schweiz): **
Gault&Millau 2022 (Schweiz): 19 Punkte
FEINSCHMECKER 2023 (Schweiz): 5 F
5-gängiges Amuse-bouche-Menü: CHF 140