„Große, klassische Leistungen erscheinen nicht plötzlich wie Meteore an beliebiger Stelle, sie verlangen einen Boden der Kultur, sie wollen durch lange gemeinsame Arbeit vorbereitet sein.“ (Rudolf Eucken)
UPDATE (Oktober 2022)
Zu den besten und – zumindest gemäß meiner Wahrnehmung – doch am wenigsten beachteten Adressen für Gourmets zählt das Le Pavillon von Martin Herrmann, das ein Teil der luxuriösen Ferienanlage Haus Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach ist. Mag schon sein, dass die Baiersbronner Platzhirsche Schwarzwaldstube und Bareiss fast alle Konkurrenten im Schwarzwald überstrahlen, doch entgehen lassen sollte man sich diese feine Adresse deswegen noch lange nicht. Vielmehr scheinen sich die Errungenschaften der beiden Dreisterner animierend auf die Leistungen der „Thronfolger“ im Schwarzwald auszuwirken, die erfolgreich den Abstand in beständigen Schritten verkleinern. Das sehen offenbar auch viele Franzosen so, die nicht nur die geringe Entfernung zu ihrer Heimat, sondern auch die mehr als faire Preisgestaltung schätzen und sich dabei gleichzeitig sicher sein können, ein Festmahl alter Schule im zeitgemäßen Gewand vorgesetzt zu bekommen.
Chefkoch Martin Herrmann war schon immer ein Leisetreter seiner Zunft und überträgt sein Naturell mit leichter Hand quasi auf seine Teller, denen niemals etwas Knalliges oder Überdrehtes anhaftet. Vielmehr ist es die Beschränkung auf wenige Komponenten pro Gang, die in seltener Klarheit, Reinheit und bisweilen auch Einfachheit dargeboten werden. Feuerwerke optischer Art darf man hier keine erwarten, aber geschmacklich unverfälschte Erlebnisse dafür umso mehr! Einen Tisch zu bekommen stellt angesichts der Größe des Lokals und der geringen Attraktivität für stets nach Neuerungen lechzende Gäste kein echtes Problem dar. So bekomme ich an diesem Montagabend trotz knappen Vorlaufs einen großzügigen Tisch, der ganz klassisch mitsamt Präsentierteller eingedeckt ist; das Silberbesteck und die edlen Gläser zeugen ebenfalls von einer konservativen Tischkultur, die inzwischen selten geworden ist, aber sicherlich nach wie vor ihre Daseinsberechtigung hat. Dazu passt auch, dass die Deutschland-Ausgabe des Falstaff dem Haus in Anerkennung seiner exzeptionellen Qualität und großen Beständigkeit heuer gleich eine doppelte Auszeichnung verleiht: Sabine und François Ritter, die hier inzwischen auf 30 (!) Jahre Servicetätigkeit zurückblicken, erhielten die Urkunde für den „besten Service des Jahres“, während Sommelier Christophe Meyer gar zum zweiten Mal in Folge zum „Sommelier des Jahres“ gekürt wurde. Der Gast ist hier somit stets in besten Händen und rundum versorgt, was in Zeiten von grenzwertig angemessen gekleideten und nur mäßig kompetenten Kellnern beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr darstellt.
All dies wäre ohne die klassisch französische Küche des Hauses dennoch nur die Hälfte wert, weshalb hier – wenn auch oft eher heimlich, still und leise – beständig an der gewünschten Qualitätssteigerung gearbeitet wird: immer wieder hob der eine oder andere Profiguide die ohnehin schon recht hohen Noten mal wieder an, so dass dieses Restaurant inzwischen mit dem Konstanzer Ophelia und dem Le Cerf in Zweiflingen um den dritten Platz in Baden-Württemberg konkurrieren kann. Martin Herrmanns kulinarische Visitenkarte ist dabei das siebengängige Menu Découverte (ohne Käse) zu € 190, in welchem so ziemlich jedes klassische Luxusprodukt gelistet ist.
Schon der Einstieg könnte kaum klassischer geraten, denn eine gebackene Kalbskopfpraline auf Sauce Gribiche, ein Cornetto mit Rindertatar und Crème fraîche sowie Rote-Bete-Wan-Tan mit einer Farce vom Aal sind allesamt geschmacksintensive Petitessen von edler Schlichtheit und vorzüglicher Balance. Die typisch elegante Note dieser Küche entsteht durch die Fokussierung auf das Produkt, welches unverfälscht und gut erkennbar, aber natürlich wunderbar veredelt als solches dargeboten wird.
Die reichhaltige Brotauswahl besteht aus Sauerteig-, Haselnuss- und Walnussbrot sowie Olivenöl, zweierlei Salz und einer Butterselektion von Jean-Yves Bordier aus Saint-Malo in der Bretagne (dem übrigens auch das Ikarus in Salzburg vertraut), welche aus gesalzener und naturbelassener Butter sowie einer Variante aus Piment d’Espelette besteht.
Als Amuse gueule serviert die Küche Wildlachs in einem Sud von grünem Apfel, der recht markig mit etwas Dill gewürzt wurde. Dünne Apfelscheiben, zu denen sich noch eine verfeinerte filetierte Ananas in ungewohnter Textur gesellt, ruhen auch auf dem Fischlein. Die straffe Säure verleiht diesem Gang sein Profil, welches jedoch ohne Schauwerte und Experimente auskommt; vielmehr gewinnt der Gang an Größe durch seine Reinheit und Ausgewogenheit. Fraglos ein gelungener Start ins Menü!
Mit einer heiteren, fast ausgelassenen Farbgebung wird das Menü nun eingeläutet: die optische Aufmerksamkeit beansprucht zu großen Teilen der gebratene Langostino von absolut exemplarischer Zubereitung: die leichte knackige, bissfeste Konsistenz des Fleischs ist vorzüglich, während das Carpaccio rechts davon (unter dem Kaviar) leicht indisch gewürzt wurde. Die Limonenvinaigrette mit ihrer federleichten Säure stellt ein wunderbar komplementäres Element zum betont salzigen Impérial-Kaviar dar und gestattet es dem Hauptdarsteller doch jederzeit, seine Qualitäten voll auszuspielen und so diesen exzellenten Auftakt zu dominieren. Gleich zu Beginn einen solchen Volltreffer (der beste Gang des Menüs, wie sich herausstellen sollte) zu kreieren gelingt nicht vielen Chefs, aber einem Martin Herrmann eben schon!
Die Kreationen um Gänsestopfleber sind in diesem Haus fast immer fruchtbetont, aber zugleich leicht und bekömmlich in Szene gesetzt. Nach der letztjährigen Variante mit rotem Apfel ist es heuer Aprikose, die den Ton angibt. Sie tritt in Form von Gel auf, aber auch als hauchdünne Schicht auf der Terrine der Leber, welche außerdem als Eis und als mit Kokos ummantelte Praline auf den Teller gelangt. Dazu noch ein klassisches Brioche – und fertig ist ein sehr harmonisches Gericht, das beschwingt wirkt und mit leichter Süße überzeugt. Wie so oft braucht exemplarisches Handwerk keine Schauwerte – und bei Martin Herrmann schon gar nicht.
Mit Loup de mer (Wolfsbarsch) macht die Küche nahtlos dort weiter, wo sie soeben aufgehört hatte: außen mit wunderbar krosser Haut und innen wunderbar saftig, badet der Hauptdarsteller in einer Yuzu-Beurre-blanc, die eine recht komplementäre, aber passende Säurenote ins Spiel bringt. Außer zweierlei Aubergine (als gebratene Nocke und als Crème) braucht dieser aufgeräumte Teller nichts weiter, um mit einer klaren geschmacklichen Aussage zu punkten. Einmal mehr besteht die Kunst vor allem darin, es nicht wie Kunst aussehen zu lassen.
Etwas verwundert staune ich über die Inszenierung im nächsten Gang, denn im Jahr zuvor genoss ich an selber Stelle ein Gericht mit unverkennbarer optischer Ähnlichkeit. Meine Erinnerung trog mich nicht, denn wo letztes Jahr der Wolfsbarsch zum Einsatz kam, sind es diesmal zwei knapp gebratene, fast noch glasige Jakobsmuscheln im Paellasud. Im Verbund mit geschmorten Schalotten entsteht daraus eine recht gewagte aromatische Intensität, gegen welche die Muscheln ihre ganze Qualität aufbringen müssen, um zu bestehen. Das gelingt gerade so, aber trotzdem kann ich nicht verhehlen, dass mir die Variante des Vorjahres noch besser zusagte. Andererseits scheint es schon bemerkenswert, dass Martin Herrmann zwei recht unterschiedliche Luxusprodukte mit derselben Begleitung stimmig interpretieren kann, weshalb der Gang natürlich trotz allem weit weg von einer Enttäuschung ist.
Während Kritiker hier ganz gerne mal fehlenden Wagemut bemängeln, so kann ich mich diesem Urteil nur bedingt anschließen. Die feinen, individuellen Ideen des Chefs zeigen sich natürlich nicht in Form von knalligen, grellen Effekten, sondern sind subtil in die freilich als klassische Lehrstunde zu bezeichnende Menüfolge eingebettet. Echte Experimente bleiben somit aus, was übrigens auch auf die Musik aus den Lautsprechern zutrifft, die so ziemlich das ABC der klassischen Musik abarbeitet.
Die Bresse-Taubenbrust, fraglos ein Liebling des Grand Chefs, wird noch unter der silbernen Cloche am Platz präsentiert. Das kräftig gebratene Exemplar entfaltet die typisch herben Aromen dieses spezifischen Geflügels und wirkt tatsächlich etwas weniger gefällig als manch anderer Gang an diesem Abend. Massiven Anteil daran haben geflämmter Sellerie (ebenfalls in einer cremigen Variante), geschmolzene Boudin Noir (Blutwurst), die süßlich-herbe Zwetschge und vor allem die kantige Shirazjus, welche den extrem trockenen Charakter des Rotweins trefflich unterstreicht. Die erdigen und somit markigen Aromen verwandeln diesen herbstlichen Gang in einen Beitrag für Fortgeschrittene, der weniger erfahrene Esser vielleicht wegen seiner Intensität sogar abschrecken könnte – was freilich Geschmackssache bleibt und nichts an dem fehlerfreien Handwerk und der zielstrebigen Umsetzung ändert. Ein echtes Statement!
Deutlich reduzierter in der aromatischen Intensität tritt Opalys (weiße Schokolade) auf: sie versteckt sich als Crème in einer geeisten Hülle auf einem Sponge, dessen Aromatik ich leider nicht zweifelsfrei dechiffrieren konnte. Mit Hilfe diverser Texturen von Mirabelle wird das launige Pré-Dessert fruchtig aufgewertet, doch auch die aufgegossene Mirabellen-Verveine-Jus mit ausgeprägter Teenote bringt durch Zitrusaromen eine reizende Säure ins Spiel. Dieser eher simpel gestrickte Einschub ist schwerlich ein Highlight, verfehlt aber seine Wirkung nicht.
Einen optischen Höhenflug riskierte die Pâtisserie nochmals beim echten Dessert: eine aus Nussbutter geformte und mit Elstar-Apfelgel sowie Honig gefüllte Wabe beansprucht einen Großteil der Aufmerksamkeit, doch dabei sollte die Fülle an ausgelassenen Texturen nicht übergangen werden: ausgestochene Apfelkugeln, Crumble und Honigeis seien hier nur beispielhaft aufgelistet, weil die gleichzeitige Ökonomie der Mittel (bei nur drei eingesetzten Produkten) und die ausgelassene Kreativität, was man aus ihnen machen kann, überrascht. Dieser fruchtbetonte Ausklang von nur mäßiger Süße traf mich im bisherigen Kontext unerwartet, überzeugte aber auf ganzer Linie. Stark!
Vier bescheiden anmutende Petits fours, bestehend aus einer Krokant-Praline, einem etwas weichen Pistazien-Macaron, Pâte de fruit von Passionsfrucht und schließlich einer Waldbeeren-Praline (dem Höhepunkt der Darbietung von links nach rechts), runden das Programm bescheiden, aber angemessen ab.
In der Ruhe liegt die Kraft – es ließe sich kaum eine Küche vorstellen, auf welche dieses bekannte Sprichwort besser zutreffen würde. Mit großer Zuverlässigkeit und stets auf solidem französischem Fundament ruhend kreiert Martin Herrmann hier seit vielen Jahren modellhafte Menüfolgen, deren inhärente Qualität das für manche zu geringe Maß an wirklich aufregenden Tellern locker kompensiert. Nicht unerwähnt bleiben soll zudem die kluge Dramaturige, die geschickt mit der aromatischen Intensität spielte und einen weiten Bogen über diverse Aromen hinweg spannte, ohne dabei überdreht zu wirken. Zwei oder drei Ähnlichkeiten mit der Menüfolge des Vorjahres führten zwar letztlich dazu, dass die diesjährige Darbietung mich nicht ganz so zu begeistern vermochte wie im Jahr zuvor, doch wäre es vermessen zu behaupten, dass deswegen schon eine schleichende Routine Einzug gehalten habe. Wem an einem Abend mit gediegener Hochküche, luxuriösen Produkten und schmuckem Rahmen gelegen ist, kommt hier jedenfalls nach wie vor voll auf seine Kosten.
Einen nicht geringen Anteil zum Gelingen des Abends steuern die schon eingangs erwähnten und jüngst ausgezeichneten Servicekräfte Christophe Meyer und Sabine Ritter bei, die mit großer Gelassenheit und all ihrer Berufserfahrung ihre Expertise immer genau dann einbringen, wenn es nötig ist, sich sonst aber niemals in den Vordergrund drängen. Hinzu kommen noch die wie immer überaus fair kalkulierten Nebenkosten (z.B. eine Flasche Natureo Rosé von Miguel Torres für schlappe € 26). Die gut dreistündige Darbietung verging gefühlt wie im Flug, aber es trat dabei nicht die geringste Spur von Hektik auf.
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle natürlich auch das Engagement des rastlosen Patrons Meinrad Schmiederer, welches Darbietungen wie diese überhaupt erst ermöglicht. Dafür sollten wir ihm stets auf Neue dankbar sein und anerkennen, dass der Schwarzwald auch außerhalb von Baiersbronn eine der attraktivsten (wenn auch konservativsten) deutschen Regionen für Gourmets bleibt. Da es diese weit überdurchschnittliche Sterneküche für sehr faire Preise gibt, sollte ein Besuch in regelmäßigen Abständen auch für junge Köche ein Pflichttermin sein, um die klassischen Tugenden zu erlernen. Lehrstunden in Sachen Demut vor dem Produkt und handwerkliche Akkuratesse wie diese sind rar geworden, doch sollten sie die Basis für ambitionierte Jungköche darstellen – hier bekommen Gäste und Köche gleichermaßen souverän demonstriert, wie man es macht.
Mein Gesamturteil: 18 von 20 Punkten
Le Pavillon
Dollenberg 3
77740 Bad Peterstal-Griesbach
Tel.: 07806/780
www.dollenberg.de
Guide Michelin 2022: **
Gault&Millau 2022: 3+ Toques
GUSTO 2023: 9 Pfannen
FEINSCHMECKER 2023: 4 F
7-gängiges Menü: € 190
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„Ein klassisches Werk ist klassisch, nicht weil es sich gewissen Regeln des Aufbaus fügt oder zu gewissen Definitionen stimmt (von denen sein Autor höchstwahrscheinlich nie gehört hat). Es ist klassisch kraft einer gewissen ewigen und nicht kleinzukriegenden Frische.“ (Ezra Pound)
UPDATE (Oktober 2021)
Auch wenn mein bisher einziger Besuch in dem noblen Ressort im Herzen des Schwarzwalds schon drei Jahre ist, so habe ich den damaligen Premierenbesuch stets in bester Erinnerung behalten. Natürlich ist da auch der malerische Blick über das Renchtal und das überaus edle Ambiente des durch und durch klassisch gehaltenen Restaurants in dem kreisrunden Pavillon, doch in erster Linie war es selbstredend die Küche von Martin Herrmann, die mich nachhaltig beeindruckte und diesen Besuch fest in meinem kulinarischen Gedächtnis verankerte. Seit damals hat sich scheinbar nichts verändert: dass die Uhren in dieser Region ohnehin anders ticken, dürfte niemanden überraschen. Nach wie vor begrüßt einen schon von weitem der Anblick des üppigen Hotelbaus, wenn man erst einmal die kurvenreiche Anfahrt dorthin geschafft hat. Der Lohn dieser Mühen könnte allerdings kaum größer sein, denn die klassisch französisch geprägte Küche hat angeblich nochmals spürbar zulegen können und wartet dennoch mit äußerst moderaten Preisen auf. Eine Anhebung der Punktzahl im G&M binnen zwei Jahren von 16 auf 18 Punkte kommt äußerst selten vor, doch wurde diesem Etablissement genau jener seltene Ritterschlag zuteil. Zwei Michelin-Sterne nennt das Haus zudem schon seit mehr als zehn Jahren sein Eigen, doch auch den anderen Guides ist die starke Entwicklung hier nicht verborgen geblieben. Das lässt sich schon mal vielversprechend an.
Pünktlich um 18:30 Uhr geleitet man mich zu meinem Tisch an der Fensterfront; zwar ist der Blick nach draußen an diesem regnerischen Abend nicht so verlockend, doch Abhilfe in Form der ersten kulinarischen Einstimmungen naht ja schon: zur linken ein kühles Rindertatar mit Trüffelcrème, zur rechten Wildlachs mit Emulsion von grünem Apfel und Crème fraîche – Wohlgeschmack in klassischer Reinheit und ohne Schnörkel. Gerne weiter so! Passend dazu gönne ich mir einen Apfelsecco (Cox Orange) vom Apfelgut Duttenhofer in Sulz am Neckar.
Auch die Brotauswahl ist mehr als vorzeigbar: zu dreierlei Butter aus Saint-Malo (Natur, mit Piment d’Espelette oder mit Algen) stehen Baguette, Mandelbrot und Walnussbrot zur Auswahl, während das Olivenöl die würdige Abrundung dieser Selektion ist.
Zur Auswahl steht ein einziges Menü mit bis zu acht Gängen zu € 189, das sich indes so verlockend liest, dass eine Reduzierung auf weniger Gänge nicht in Frage kommt. Vor dem offiziellen Beginn gibt es selbstverständlich noch in guter Tradition ein Amuse, das die Messlatte schon sehr hoch hängt. Ultrafrischer, marinierter Hamachi wird hier hauchzart akzentuiert mit der Säure von Mandarinencrème und mit Wasabi höchst subtil abgeschmeckt – ein Musterbeispiel an Eleganz und Ausgewogenheit.
Hummer dekliniert die Küche zum Beginn des Menüs in mehreren Varianten virtuos durch: lauwarm mariniert, als sanft gegartes Fleisch aus der Schere und schließlich als Farce für die aufgerollte Thaimango. Die variable Behandlung des Hauptdarstellers lässt seine Qualitäten in bestem Licht erstrahlen, zumal die leichte, typisch asiatische Schärfe perfekt korrespondiert. Die Bitternoten des Kräutersalats schließlich verhindern ein zu eindimensionales Aroma und runden einen Gang ab, der ganz in sich ruht und mich absolut beeindruckt.
Selbiges ließe sich auch von der Interpretation der Gänseleber behaupten, die mit wunderbar animierender Säure von rotem Apfel entwaffnend leicht begleitet ist. Die hauchzarte Schicht von Apfelgel auf der Terrine bereichert den Gang dabei genauso trefflich wie das kleine Kompott und die Schale des Apfels, die wie ein Schmetterling aus Schokolade aussieht. Eine dünne Lage Joghurt unter dem Apfelgel macht aus diesem Gang vollends einen einfallsreichen, aber nicht zu süßen Gang, der durch seine Produktqualität und das souveräne Handwerk begeistert. Das klassische Brioche, das in diesem Fall minimal zu trocken geriet, darf natürlich auch nicht fehlen, ist aber im Bild nicht zu finden. Das ist Klassik am Puls der Zeit – einfach wunderbar!
Noch besser gerät saftiger und aromensatter Loup de mer (Wolfsbarsch) mit krosser Haut. Ein derartiges Produkt verträgt natürlich eine kräftige Begleitung in Form von Schalottenmarmelade und Paella-Sud. Mehr als der intensive Schaum und die herzhaften Zwiebeln (man lechzt geradezu nach der genauen Rezeptur) ist da im Grunde genommen nicht, und doch schlägt dieser Teller voll ein! Die vielen eigenen originellen Ideen, die Martin Herrmann einbringt, sind nie überdreht und konstant auf hohem Zwei-Sterne-Niveau umgesetzt. Tatsächlich muss ich schon den Vergleich mit solchen Großmeistern wie Peter Knogl (Cheval Blanc, Basel) oder Martin Fauster (ehemals Königshof, München) bemühen, wenn ich das in noch besserer Form umgesetzt haben möchte. Mit anderen Worten: auch dieser Teller muss fast keinen Vergleich scheuen!
Die Bresse-Taube im nächsten Gang wird gar unter einer silbernen Cloche präsentiert. In kräftig gebratener Form mit einer herb-erdigen Jus und vermutlich geröstetem Panko obenauf wird der Hauptdarsteller diesmal mit breiten Bohnen und Pfifferlingen begleitet. In der Umsetzung wirkt das etwas schlichter als mancher Vorgänger, doch das aromensatte Geflügel erfüllt alle meine Erwartungen – lediglich auf die Sehne mitten durch das Fleisch hätte ich natürlich gut verzichten können. Na gut, Pech gehabt – so etwas kommt vor! Außerdem hat es den Genuss nicht merklich getrübt.
US-Beef zum Hauptgang kleidet die Küche in ein eher afrikanisches Gewand: diverse Texturen von Karotten und Kumquats verleihen dieser Kreation einen süßlich-herben und fruchtigen Anstrich, der allerdings durch vegetabile Aromen weiter aufgewertet wird. In der herzhaften Falafel befindet sich eine Polenta mit Basilikum, während die Shirazjus mit ihrer leicht alkoholischen und trockenen Note eine Veredelung erster Güte darstellt. Die vermeintlich simpel umgesetzten Gerichte sind immer wieder so voller überraschender Nuancen, dass der Verzehr dieser an sich sattsam bekannten Produkte wirklich keine Sekunde langweilig wird. Großartig!
Die stattliche Auswahl vom Christofle-Käsewagen lasse ich mir auch nicht entgehen (ohne Foto), doch Platz für die Desserts habe ich selbstverständlich noch gelassen: es wäre auch schade gewesen, wenn ich wegen vorzeitiger Sättigung auf das Duett von Banane und Passionsfrucht hätte verzichten müssen. Das Bananeneis thront auf einem Hafercrumble, das für ansprechenden Biss sorgt. Außerdem befinden sich in dem Törtchen, das mit Schokoladenpulver ummantelt ist, weitere Texturen des Obsts, so dass ein bekömmliches und kreatives Dessert unterm Strich steht. Kein Highlight, aber ansprechend allemal!
Der heimliche Star des zweiten Desserts ist Haselnuss, die sowohl in Form von Eis (hinten rechts) als auch in Form einer Füllung für die falsche Zwetschge (vorne rechts) auftritt. Die Mascarpone links toppt eine hauchdünne Glasur von Zwetschge, während etwas Rosmarin für die geschmackliche Abrundung sorgt. Alles in allem ein Dessert von schnörkelloser Klarheit und nahezu idealer Balance von Fruchtigkeit und Nussigkeit – ein würdiger Abschluss, ganz eindeutig!
Auch die Petits fours vermögen das gezeigte Level ein letztes Mal zu bestätigen: Zitronen-Macaron, Yuzu-Limette-Praline, Tonkabohnen-Praline sowie Praline mit Waldfrucht und rotem Pfeffer vermögen zu überzeugen und runden einen tief beglückenden Abend angemessen ab.
Ich komme kaum umhin, dies als die homogenste Menüfolge auf einem derart hohen Niveau seit Ewigkeiten zu bezeichnen. Höchst selten habe ich bislang ein derart durchdachtes, beständiges und scheinbar bescheiden auftretendes Menü verkosten dürfen. Die Tragweite dieser Aussage wird durch den Umstand, dass diese Parade sogar ohne das ganz große, denkwürdige Gericht auskam, eher noch weiter aufgewertet. Die enorme Substanz dieser Küche führt letztlich dazu, dass Vorspeisen, Hauptgericht, Käse und Dessert praktisch allesamt auf gleichbleibendem und bemerkenswert hohem Level angeboten und umgesetzt werden können. Dabei wirkt Martin Herrmanns Küche stets so, dass nichts Überflüssiges auf den Teller gelangt, aber gleichzeitig trotz einer auffallenden Reduktion auf das Wesentliche auch nichts weggelassen werden kann. Mit anderen Worten: eine idealtypische Balance wie sie kaum mustergültiger sein könnte.
Der Nachhall am Gaumen schien geradezu ewig zu währen – solche Glücksgefühle und tiefe Befriedigung löste dieses Menü in mir aus. Kein Wunder, denn über ein derart souveränes Handwerk, gepaart mit einem untrüglichen Gespür für harmonische und doch mehr als nur gefällige Kombinationen, verfügen nur eine Handvoll Köche. Selbst den Vergleich mit den Größten seiner Zunft muss Martin Herrmann nicht scheuen, denn für eine Bewertung der nationalen Spitzenklasse (19 Punkte) fehlt wahrlich nicht viel. Allenfalls der letzte Grad an Perfektion oder noch ein wenig mehr Wagemut wären da anzuregen, aber ansonsten ruht diese Küche ganz in sich und offeriert eine Qualität, die ich so nicht wirklich für möglich gehalten hätte. Weitgehend unbeachtet von Foodbloggern, die stets nach Neuerungen lechzen, und ohne großartige Außendarstellung zieht man hier seine Linie durch – was anderswo indes wie ein Tadel klingen würde, ist hier als überragendes Lob zu verstehen. Die Gäste trudeln auch reichlich aus Frankreich ein und staunen nicht selten über die hier gebotene Menüfolge, zumal zu solchen Preisen: so ist eine Flasche „Natureo Rosé alkoholfrei“ von Miguel Torres hier beispielsweise schon für € 26 zu haben.
Dass allerdings ein unterdurchschnittlicher Service selbst die beste Küchenleistung ruinieren kann, hat jüngst kein Geringerer als Eckart Witzigmann nochmals betont. Doch auch darum muss man sich hier nicht die geringsten Sorgen machen, denn der klassische und formvollendete Service unter der Leitung des erfahrenen Maîtres Christophe Meyer geleitet aufmerksam, sehr persönlich und kompetent durch den Abend – viel mustergültiger geht es nicht. Diesen Eindruck rundet auch die Stippvisite des Patrons Meinrad Schmiederer sowie seiner Ehefrau (unabhängig voneinander) ab, die die Gäste noch persönlich begrüßen und einen wunderschönen Abend wünschen (kann ich in der Tat bestätigen …). Bedenkt man dann noch die mehr als anständige Bepreisung der Getränke und den Umfang der wirklich vorzeigbaren Weinkarte, dann steht einem gelungenen Abend hier wirklich nichts im Wege.
Ach ja: auch Chefkoch Martin Herrmann versteckt sich keineswegs, sondern erscheint an jedem Tisch und nimmt sich Zeit für seine Gäste. Ich plaudere bestimmt ganz zwanglos mehr als eine Viertelstunde mit ihm, als er merkt, dass er es mit einem Kenner der Szene zu tun hat. Dabei erweist sich der Chef als völlig unprätentiöser, auch aufmerksam zuhörender und hochgradig empathischer Mensch, mit dem ich ohne Weiteres eine ganze Stunde hätte reden können, wenn die lange Heimfahrt an diesem Abend nicht noch angestanden hätte. Einen derart nahbaren und geerdeten Koch erlebt man in dieser Branche nach wie vor sehr selten. Somit wurde ein ohnehin schon überragender Eindruck mit diesem Sahnehäubchen noch kongenial abgerundet.
Dieser Besuch wird mir vermutlich noch länger als die Premiere vor drei Jahren in bester Erinnerung bleiben. Keinesfalls darf meine nächste Stippvisite hier erst wieder nach so langer Zeit erfolgen: viel zu stark war der Gesamteindruck als dass sich die Beobachtung der weiteren Entwicklung nicht lohnen würde. Weitere Besuche sind daher fest eingeplant, und dem geneigten Leser meiner Rubrik seien Sie auch nahegelegt! Höchst empfehlenswert!
Mein Gesamturteil: 18 von 20 Punkten
Le Pavillon
Dollenberg 3
77740 Bad Peterstal-Griesbach
Tel.: 07806/780
www.dollenberg.de
Guide Michelin 2021: **
Gault&Millau 2021: 18 Punkte
GUSTO 2021: 9 Pfannen
FEINSCHMECKER 2021: 4 F
8-gängiges Menü: € 189
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Oktober 2018
Auf atemberaubenden Landstraßen führt der Weg von Freudenstadt südwestlich mitten durch den Nationalpark Schwarzwald in Richtung Bad Peterstal-Griesbach. Unmittelbar vor der Ortseinfahrt zweigt schließlich ein unscheinbarer Weg ab, der noch weitaus abenteuerlicher gerät. Am Ende dieser engen und langen Zufahrt befindet sich schließlich nicht das Ende der Welt, sondern die riesige Anlage des Feriendomizils Haus Dollenberg. Die Luxusherberge bietet mehr als 100 Zimmer und hat dementsprechende Ausmaße. Drinnen entspricht das Haus – wenn auch in sehr eleganter Form – so ziemlich allem, was man von einem Hotel im Schwarzwald erwartet. Am Ende der Treppen, die zum Restaurantbereich führen, ticken beispielsweise ein Dutzend Kuckucksuhren.
Kulinarisches Prunkstück der Anlage ist das mit zwei Michelin-Sternen dekorierte Restaurant Le Pavillon, das auch angesichts der Rundumverglasung und dem weitläufigen Blick auf die Schwarzwaldgipfel diesen Namen durchaus verdient. Hier kocht seit Jahren mit Martin Herrmann ein klassisch denkender Koch, der unverkennbar von den französischen Idealen geprägt ist, zumal das Nachbarland ja auch nicht weit weg ist und die Beherrschung der französischen Sprache vom Personal fast schon von den Gästen erwartet wird. Angenehm fällt auch auf, dass gleich zu Beginn der Patron des Hauses höchstpersönlich, Meinrad Schmiederer, an unserem Tisch vorbeischaut und uns einen angenehmen Abend wünscht – ein im Grunde genommen einfaches Ritual, das leider trotz allem überaus rar geworden ist. Maître François Ritter ist an diesem Abend abwesend, so dass die Hauptlast des Service bei Sommelier Christophe Meyer und einer weiteren erfahrenen Kellnerin liegt. Ersterer vermittelt den Gästen sein Wissen kenntnisreich, aber ohne jede Belehrung – meiner Begleitung gefielen die Weine jedenfalls außerordentlich gut.
Das Ambiente ist überaus feudal und stellt eine Konterkarierung des Casual-Fine-Dining-Prinzips dar, das derzeit so grassiert. Hier gibt es noch gestärkte Stoffservietten, feinstes Silberbesteck, großflächige Spiegel und jede Menge Tischschmuck – eben „old school at its best“. In diesem Ambiente würde man sich in einer zu legeren Garderobe vermutlich ohnehin unwohl fühlen, so dass sich hier im Falle eines geplanten Besuchs durchaus etwas feinerer Zwirn empfiehlt.
Noch bevor wir unsere Menüwahl treffen und den Apfelsecco genießen können, gelangen auf den Tisch drei ganz unterschiedlich geartete Einstimmungen: Räucheraal nach Hausfrauenart, ein Grissini mit etwas Munster-Käse und Feige darauf sowie ein gewürfeltes Kalbsbäckchen mit frittiertem Sauerkraut und Sauerkraut-Mousse obenauf. Unser Favorit ist nicht zuletzt wegen der Originalität das letztgenannte Häppchen, doch überzeugen können alle drei Petitessen.
Nachdem unsere Wahl auf das siebengängige Ménu Découverte (Entdeckungsmenü) für € 153 fällt, erreicht uns noch ein Gruß aus der Küche, der es in sich hat: gebratene Jakobsmuschel mit Kürbis und Curry-Sud. Die schiere Größe des Hauptdarstellers ist für einen Gruß per se schon atemberaubend, doch die im Grunde genommen schlichte Kreation ist von wunderbarer Harmonie. Die fein-würzige Note des Suds schmiegt sich leicht, aber charmant an die Coquille an, während die Kürbisschnitze für etwas angenehmen Biss sorgen. So einfach und doch so gelungen! So darf es gerne weitergehen! Die Brotauswahl offeriert immerhin zwei verschiedene Salze (weiß und schwarz – letzteres aus Hawaii) sowie vier verschiedene Buttersorten: natur, gesalzen, mit Algen und mit Piment d’Espelette.
Als Einstieg schickt Herrmann Hummer, Mango und Kräutersalat ins Rennen: die fruchtige Säure ist kurz davor, das fest-fleischige Aroma des Hauptdarstellers in den Hintergrund zu drängen, hält sich aber trotz aller originellen Texturen gerade noch mit dem gebotenen Maß an Demut zurück. Einen mutigen Ausgleich schafft auch der tendenziell leicht bittere Kräutersalat, der dem intensiven Mango-Aroma einen spürbaren Kontrapunkt entgegenstellt. Ausgezeichnet!
Steinbuttfilet, Spinat, Blutwurst und Verjus-Sauce ist ein echtes Meisterwerk: der sensationelle Fisch konnte kaum saftiger geraten und wird würdig flankiert von einem höchst eleganten Arrangement von Spinat, in das zwei kleine Röllchen von gekochter Blutwurst höchst effizient eingebettet sind. Der Clou des Gerichts ist aber – wie so häufig bei Martin Herrmann – die sehr präsente und vor Körper nur so strotzende Sauce aus unreifen Trauben (Verjus). Überhaupt sind die Saucen – typisch Frankreich! – häufig ein sinnstiftendes Bindeglied auf Herrmanns Tellern. Spontan drängen sich mir Vergleiche mit Heinz Winkler, vielleicht dem deutschen Guru der Saucen schlechthin, auf. Ein wirklich hervorragendes Gericht!
Taubenbrust, Nussbuttercreme und weißer Trüffel gerät zu einem herbstlichen Gericht à la bonheur: die erdig-nussigen Noten dieses Tellers gehen mit dem überaus generös darüber geriebenen Trüffel eine perfekte Liaison ein. Der wunderbare Schmelz und die Süffigkeit dieses Gerichts suchen ihresgleichen; es muss lange her sein, dass ein Trüffelgericht so einen hinreißenden Charme entfalten konnte!
Wie schon im Schlossberg ist auch hier der vierte Gang bereits das Hauptgericht: Rinderfilet, Artischocke, Olivenöljus und Fregola sarda ist in der Präsentation ungleich schlichter als so mancher Vorgänger, wird aber trotzdem vollmundig unter einer silbernen Cloche an den Tisch gebracht. Der erste optische Eindruck mag dies wie eine Übertreibung erscheinen lassen, aber der Geschmack rechtfertigt diese Maßnahme umgehend. Die saftstrotzende Tranche wird nur von etwas Paprikacrème und Artischocke in zweierlei Form (mariniert und gekocht) als kleine Türmchen begleitet. Das Bett aus Fregola, auf dem das Fleisch thront, hat genau den richtigen Biss und fügt sich nahtlos in diese puristische, aber alles andere als spartanische Kreation ein. Wie schon öfters an diesem Abend ist die ungewöhnliche Jus ein gewinnbringendes Mosaiksteinchen, das dem Gericht etwas Elegantes verleiht und es noch saftiger macht. Phantastisch!
Nach all dieser Opulenz beginnt meine Wenigkeit – ich erkenne mich selbst kaum wieder – Gefahr zu laufen, den Rest des Menüs wegen vorzeitiger Sättigung nicht bewältigen zu können. Nur aufgrund meiner Routine weiß ich, was Abhilfe schafft: etwas Frischluft zwischendurch, ein Bitter Lemon und die (leider selten gewordenen) Weintrauben, die glücklicherweise mit dem Käsewagen bereitgestellt werden, schaffen Abhilfe. Nach dem opulenten Christoffle-Käsewagen, der mit allerlei hochwertigen Produkten vom Affineur Waltmann aus Erlangen zusammengestellt wurde, kann ich mich wieder sorgenfrei den Desserts widmen. Außerdem werden allmählich die Nachbartische mit ins Gespräch einbezogen – eine selten lockere Atmosphäre herrscht hier trotz aller aristokratisch anmutenden Fülle.
Limettentarte, Orangenluftschokolade und Salzbutterkaramell-Eis ist noch hier und da mit ein paar Früchten garniert, lässt aber trotz aller Kreativität ein wenig die ganz große geschmackliche Aussage vermissen – ein eher durchschnittlicher Beitrag.
Haselnussparfait, Birne, Preiselbeeren und Bitterschokolade wirkt da vergleichsweise stringent und stellt das Parfait zusammen mit der Schokolade in den Mittelpunkt, während nur winzige Tupfen von Birne und Preiselbeeren fruchtige Akzente setzen. Auch dies ist schwerlich ein Dessert für die Ewigkeit, doch ein solider Ausklang ist es allemal. Nach dem minimalen Abfall des Spannungsbogens gegen Ende des Menüs schwingt sich die Patisserie mit nicht weniger als fünf Ausklängen nochmals empor. Darunter befinden sich so feine Kleinigkeiten wie ein Karamell-Macaron oder eine mit Bitterschokolade gefüllte Kokospraline.
Summa summarum war dies ein Abend, der trotz zweier Michelin-Sterne unsere Erwartungen noch um einiges übertraf. Was Martin Herrmann hier auftischt, ist außerordentlich stilvolle, elegante und zeitgemäße Klassik, die häufig bis ins letzte Detail durchdacht ist. Dies ist meiner Auffassung gemäß weitaus mehr als die mageren und fast schon peinlichen 16 Pünktchen wert, die der Gault&Millau derzeit vergibt. Meiner bescheidenen Meinung zufolge wären 17 (wenn nicht gar 18) Punkte allemal angemessen, zumal auch die Rahmenbedingungen wie Service und Nebenpreise nicht den geringsten Anlass zu Beanstandungen boten. Wer hier einkehrt, bekommt große und zeitgemäße Klassik zu einem außerordentlich attraktiven Preis in feudalem Rahmen vorgesetzt, während man Kopfgeburten, die den geneigten Gast überfordern, hier sicherlich vergebens suchen wird. Wer bereits den Abgesang auf die klassische Küche angestimmt hat, sollte dies noch einmal überdenken und unbedingt hier vorbeischauen. PR-Rummel und nach Neuerungen lechzende Foodies wird man hier sicherlich nicht antreffen, doch wenn dies ein aussagekräftiges Qualitätsmerkmal wäre, dann hätten so altehrwürdige Pilgerstätten der Hochküche wie das Sonnora oder die Residenz Heinz Winkler schon längst ihre Pforten schließen müssen. Auch an diesem Abend war das Le Pavillon übrigens restlos ausgebucht, und so mancher Gast musste gar unvermittelt danach die Heimreise antreten, weil kein Zimmer mehr verfügbar war! Wenn das nicht für die Leistung des Hauses spricht, was dann?