Alexander Scriabin (1872 – 1915): Étude op. 2,1 und Prélude op. 8,12 (Standardrepertoire)

Diese beiden Stücke aus dem frühen Schaffen des Komponisten weisen noch gewisse stilistische Ähnlichkeiten mit Chopins Klangwelten auf, während die eruptiven Ausbrüche im Prélude dis-moll op. 8,12 in ihrer Wucht hingegen an Rachmaninoff erinnern. Die hohen spieltechnischen Anforderungen verdeutlichen schon, welch hervorragender Pianist Scriabin selbst war und welch sicheres Gespür für dramaturgische und spieltechnische Mittel er bereits in frühen Jahren an den Tag legte.

Dennoch brauchen wir uns nichts vorzumachen: ohne den Einsatz eines der größten Pianisten aller Zeiten für diese Petitessen wären sie niemals so bekannt und beliebt geworden wie sie es heute sind. Die Rede ist von Vladimir Horowitz, der diese Stücke über seine gesamte Karriere hinweg im Repertoire behielt und ständig vorspielte. Ihre vielleicht emotionalste Einspielung erfuhren die Werke im Rahmen eines legendären Konzerts, das Horowitz am 20. April 1986 im Konservatorium zu Moskau gab.

Horowitz hatte 1926 die Sowjetunion gen USA verlassen und seine Aufenthaltserlebnis von sechs Monaten kurzerhand um sechzig Jahre überzogen. Während er stets seine Abneigung bezüglich einer Rückkehr betonte, verspürte er im hohen Alter von 82 Jahren dann doch den Drang, seine Heimat noch einmal zu sehen, bevor er sterben würde. So bereiste Horowitz also im Greisenalter nochmals einige europäische Metropolen – drei Jahre vor seinem Tod im Dezember 1989.

Das Moskauer Konzert geriet zu einem Medienereignis ersten Ranges – was auch von der Tatsache belegt wird, dass von den 2200 Karten nur 400 überhaupt in den freien Verkauf gelangten und umgehend vergriffen waren (der Rest war für ranghohe Offizielle aus Politik und Wirtschaft reserviert). Horowitz spielte natürlich nicht fehlerfrei, aber die emotionale Ausnahmesituation ließ ihm die Herzen des Publikums nur so zufliegen. Gerade als er Rachmaninoff und Scriabin spielte, konnten viele Gäste die Tränen nicht zurückhalten. So würden sich nur Puristen an dem etwas metallischen Klang des Instruments, den Nebengeräuschen oder dem nicht perfekten Spiel des Jahrhundertpianisten stören. 

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Eine beachtliche Alternative bietet die DVD des Konzerts, da die CD leicht gekürzt wurde. Außerdem fängt die Bildregie immer wieder die außergewöhnliche Atmosphäre im Publikum ein, die wahrlich niemanden kaltlassen kann.

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