Edvard Griegs Lyrische Stücke enthalten im Grunde genommen die Quintessenz eines kompletten Lebens als Komponist. Der zeitliche Abstand zwischen dem ersten und dem letzten der 66 Stücke beträgt sage und schreibe 43 Jahre. Grieg veröffentlichte jeweils sechs bis acht Stücke in einem Band, da sich die Sammlungen auch für die Verleger als Kassenschlager erwiesen. Zwischen jedem Band lag entsprechend immer ein gewisser Abstand von ein paar Jahren – daher auch die lange Zeitspanne, die eingangs erwähnt wurde.
Die Stücke sind intime Seelenbekenntnisse voll zarter, typischer nordischer Poesie und Tonsprache. Zyklisch wird das Werk praktisch nie aufgeführt – vielmehr sind einige Stücke wie Hochzeitstag auf Troldhaugen, Zug der Zwerge, An den Frühling und Arietta zu echten Dauerbrennern geworden, während andere bedeutend seltener gespielt werden.
Unter den wenigen Gesamtaufnahmen ist die Aufnahme des deutschen Pianisten Gerhard Oppitz die empfehlenswerte. Sieht man einmal von bisweilen eigenwillligen Tempovorstellungen ab, ist dies eine Einspielung, die mit Natürlichkeit, Charme und Schlichtheit punktet. Die von mir empfohlene, preisgünstige Box enthält übrigens das gesamte Klaiverwerk Griegs – außer den lyrischen Stücken haben es sonst nur die Sonate e-Moll op. 7 und die Ballade op. 24 halbwegs zu Bekanntheit gebracht.
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Kaum idiomatischer könnte das Spiel des norwegischen Pianisten Leif Ove Andsnes sein. Das Besondere an dieser Aufnahme ist, dass der Interpret die kleine Auswahl an Stücken auf Griegs eigenem Flügel, der in der entzückenden kleinen Villa in Troldhaugen steht, einspielen durfte. Kleiner Tipp: ein Norwegen-Urlaub ohne einen Besuch des Freilichtmuseums in Troldhaugen wäre unvollständig!
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Eine klassische Aufnahme, die häufig empfohlen wird, aber mir nur bedingt zusagt, ist die Aufnahme mit Emil Gilels. Dass ein solcher Tastenlöwe sich überhaupt einer Auswahl dieser Stücke annahm, war in den 70er-Jahren schon eine große Überraschung. Die allseits hochgelobte Aufnahme ist aber meines Erachtens überschätzt. Ich erwähne sie daher eher aus Pflichtbewusstsein als aus Überzeugung. Keine Frage, sie hat schon ihre starken Momente, aber andere haben die Messlatte inzwischen meines Erachtens höher gehängt.
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Der viel zu früh im Jahre 2016 verstorbene ungarische Pianist Zoltan Kocsis spielte ebenfalls zwei Bände der Sammlung ein – und zwar auf einem Niveau, das seinesgleichen sucht. Der Interpret bedient sich einer immens vielfältigen Farbpalette und scheint immer die idealen Tempi für die Stücke zu erwischen. Phänomenal!
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