Ende einer Legende (1)

Ein Jahreswechsel ist immer wieder mal zugleich auch das Ende für einige der renommiertesten Restaurants der Republik. Auch dieses Jahr traten zwei langjährige Küchenchefs den wohlverdienten Gang in den Ruhestand an.

Teil 1 dieser Rubrik ist dem Landgasthof Adler in Rosenberg gewidmet, während sich Teil 2 der Résidence in Essen widmen wird.

Die nicht gerade überreich mit kulinarischen Highlights ausgestattete Ostalb konnte glücklicherweise seit 42 (!) Jahren auf ein Lokal verweisen, das für nicht wenige den besten Landgasthof Deutschlands darstellte: der Landgasthof Adler in Rosenberg.

Gelegen am Rande der Ostalb, irgendwo zwischen Ellwangen und Schwäbisch Hall, steht an der Ortsstraße des 2500-Seelen-Orts Rosenberg der Landgasthof Adler: wuchtig, groß und auch aufgrund der grünen Farbe praktisch nicht zu übersehen. Im Innern des Gebäudes, das aus dem 17. Jahrhundert stammt, baute sich die Familie Bauer im Laufe der Jahre ein Genussrefugium auf, das trotz seiner entlegenen Lage weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus bekannt war. Nicht selten reisten Gäste auch aus Norddeutschland, der Schweiz oder Österreich eigens an, um die Kochkünste Josef Bauers genießen zu dürfen.

Das Interieur, das seinerzeit für viel Unverständnis sorgte, gehörte dabei zum unverwechselbaren Erscheinungsbild des „Adlers“ wie die Hochküche selbst. Die in knalligem Grün gehaltene Wirtsstube mit den blanken weißen Tischen sowie den blauen Bänken und Stühlen wurde komplettiert von dem großen Kruzifix in der Ecke. Nachdem sich die erste Hysterie gelegt hatte, blieb quasi nur noch die Begeisterung über die sensationelle Küche übrig. Dies auch vollkommen zurecht: die erstaunliche Einfachheit, die Josef Bauer im Laufe der Jahrzehnte hier zelebrierte, wirkte niemals angestaubt oder verkrampft, sondern stets auf der Höhe der Zeit und originell. Trotz seines Alters wirkte Josef Bauer in kreativer Hinsicht bis zum Schluss immer noch jünger als so mancher junge Himmelsstürmer, der seine Teller mit sinnlosen Klecksen drapiert und bei dem Versuch, nur ja individuell zu sein, den Geschmack dabei der Optik opfert.

Natürlich bedeutete dies trotzdem, immer wieder liebgewonnene Klassiker auf der Speisekarte finden zu können, doch selbst in den letzten Wochen tauchten noch neue Kreationen auf. Mit welch vermeintlich einfachen Zutaten so simpel wirkende und doch äußerst schmackhafte Kreationen gezaubert wurden, ist dabei der größte Glücksfall und das größte Rätsel gleichzeitig. Der medienscheue Koch machte nie großes Aufsehen um seine Person und tat scheinbar einfach das, was er am liebsten tat: kochen. Wann immer ich die Gelegenheit hatte, mit anderen Chefs über Josef Bauer sprechen zu können, hörte ich stets großen Respekt und Demut heraus. Der Service unter der Leitung seiner Frau Marie-Luise und der unverwüstlichen Hildegard Brenner trug ebenso dazu bei, das exzeptionelle Image des Lokals zu pflegen.

Das Ende kam für manche dann doch überraschend, nachdem nicht einmal zwei Jahre zuvor Sommelier Gérald Desmousseaux und Souschef Christian Baur (nicht verwandt mit dem Chef) zu dem Lokal gestoßen waren. Beide waren aber leider Gottes schneller wieder weg als sie da waren, und so verkündete der Patron mit kurzem Vorlauf recht überraschend, dass Ende Oktober mit der Küche Schluss sein werde. Ein für die Gourmets höchst bedauerlicher, aber nur allzu nachvollziehbarer Schritt des inzwischen 73-jährigen Kochs. Ab Januar 2017 soll zumindest der Gasthof als Hotel garni weitergeführt werden – allein diese Maßnahme dürfte schon reichen, um einige der ehemaligen Stammgäste wieder anzulocken. Es wird sogar gemunkelt, dass sich der Chef höchstpersönlich um das Frühstück kümmern möchte. Na, das ist doch mal eine Ankündigung!

Sollte ich eines Tages noch Enkel haben, dann werde ich ihnen möglicherweise mit einem lachenden und einem weinenden Auge vor dieser Enklave des guten Geschmacks erzählen, die mir so viele unvergleichliche Momente beschert hat! Vielen Dank für alles!