Four-Hands-Dinner: Sascha Kemmerer trifft Franz Keller

Samstag, 9. Dezember 2023

Da dauerte es gut zwölf Jahre, bis ich zum ersten Mal an einem Four-Hands-Dinner (bei Joachim Kaiser in Nördlingen) teilnahm – und dann sollten keine zwei Wochen vergehen, als schon das nächste Event dieser Art anstand. Einer Einladung folgend, das Four-Hands-Cooking rund um Sascha Kemmerer und Franz Keller journalistisch zu begleiten, kreuze ich also zum zweiten Mal in diesem Jahr im Kleinwalsertal auf, wo Chefkoch Sascha Kemmerer bekanntlich seine Wirkungsstätte hat.

Gastkoch Franz Keller ist der ältere Bruder von Fritz Keller, welcher nicht nur als Patron des Schwarzen Adler in Vogtsburg im Kaiserstuhl auftritt, sondern auch das hauseigene Weingut als Winzer betreibt und nebenbei das Amt des DFB-Präsidenten für knapp vier Jahre bekleidete. Sein älterer Bruder Franz ist in der Szene ebenfalls kein Unbekannter: zur Blütezeit der Nouvelle Cuisine in den 1970er-Jahren von solchen Legenden wie Paul Bocuse und Michel Guérard ausgebildet, übernahm er 1973 den Posten des Chefkochs im elterlichen Betrieb und führte den Schwarzen Adler rasch zu zwei Sternen. Nach Unstimmigkeiten innerhalb der Familie verließ er das Lokal einige Jahre später und agierte an den verschiedensten, auch ausländischen Wirkungsstätten sehr erfolgreich, ehe er 1990 im Rheingau sein wohl berühmtestes Lokal, das illustre Krönenschlösschen in Eltville, übernahm und zu neuem Glanz führte. Drei Jahre später gab er allerdings bekannt, den Druck in der Spitzengastronomie leid zu sein, weshalb er auf weitere Auszeichnungen fortan verzichtete und einen Steinwurf vom Schlösschen entfernt seine eigene Adler Wirtschaft eröffnete. Dieser stand er zwanzig Jahre vor, ehe sein Sohn den Betrieb weiterführte, doch die Bindung zu diesem Lokal ist nie abgebrochen: seit gut zehn Jahren versorgt Franz Keller das Lokal zu einem guten Teil mit Produkten, die er höchstselbst erzeugt. Der ehemalige Spitzenkoch bewirtschaftet heute den Falkenhof, einen Öko-Bauernhof im Wispertal im hessischen Taunus, welchen er nach seinen Vorstellungen ausrichtet und führt.

Franz Keller kennt man in der Szene als einen ausgesprochen prinzipientreuen Menschen, der unbestechlich für seine Überzeugungen eintritt. Dem schleichenden Qualitätsverlust deutscher Lebensmittel, welchen er als großes Problem für die Zukunft ansieht, setzt er sorgsam und mit viel Respekt vor der Natur erzeugte Produkte entgegen. So erlebt der geneigte Gast in der Adler Wirtschaft eine Küche, die zwar nicht unbedingt die Anforderungen für Sterneniveau erfüllt, sich aber dafür eine Art missionarische Aufgabe auf die Fahnen geschrieben hat: die Gäste sollen erleben, was echter Geschmack bedeutet. Um dies zu erreichen, setzt Franz Keller seit langer Zeit auf den Ansatz, einfache und bodenständige Produkte auf den Teller zu bringen, die jedermann kennt, aber möglicherweise noch nie in solcher Qualität verkosten durfte. Seine Überzeugung hielt er auch in einem Buch namens „Vom Einfachen das Beste“ fest, welches reißenden Absatz fand. Sein stets kritischer, teils als stur empfundener Ansatz brachte ihm bisweilen den Ruf eines unbequemen Querkopfs in der Szene ein, aber gegen Widerstände anzukämpfen war der Gast dieses Abends bereits von Kindheit an gewohnt – der heutige Erfolg gibt ihm jedenfalls recht.

Dass nun der Chefkoch der von mir sehr geschätzten (und von anderen maßlos unterschätzten) Kilian Stuba im Kleinwalsertal einen solchen Coup landen und Franz Keller zu einem Gastauftritt am Herd bewegen konnte, ließ mich umgehend aufhorchen. Mit der Erfahrung eines Chefs, der das vierte Jahrzehnt seines Lebens vollendet hat, weiß Sascha Kemmerer um die Stärken seines Stils und kann daher genau einschätzen, welcher Gast besonders harmonieren könnte. Dass die Wahl auf Franz Keller fiel, war dabei nicht so selbstverständlich, denn schließlich waren sich beide Chefs bis dahin noch nie begegnet! Dennoch gibt es einen klaren gemeinsamen Nenner: mit dem solide französischen Fundament, auf welchem der Stil des Gastgebers ruht, ist Franz Keller natürlich bestens vertraut. Außerdem konnte ich mich schon öfters davon überzeugen, dass Sascha Kemmerer seinen Stil durchaus variabel gestaltet und die Intensität seiner Gerichte je nach Bedarf anpassen kann. Dennoch besteht eine Tugend seiner Küche stets darin, die Qualität eines Produkts mit einer angemessenen Begleitung so zu betonen, dass sie nicht verwässert, sondern ins beste Licht gerückt wird. Daher schien es erwartbar, dass der Gastgeber seine eigenen Gerichte an diesem Abend noch etwas puristischer als sonst umsetzen dürfte, um eine gewisse Kohärenz mit dem Stil des Gastkochs zu erzeugen.

Das alpin gestaltete Ifen Hotel bietet einen überaus würdigen Rahmen für diese Veranstaltung: ausgestattet mit einem großen Spabereich und sonstigen Annehmlichkeiten eines zeitgemäßen Resorts, lockt das Event nicht nur dank des klangvollen Namens des Gastkochs mühelos betuchte Gäste aus Deutschland und der Schweiz an, welche die Teilnahme an diesem Four-Hands-Dinner praktischerweise mit einem Kurzurlaub im tief verschneiten Kleinwalsertal verbinden können. Gehobenes Dinieren auf einer Meereshöhe von 1.111 Metern hat zudem fraglos Stil, so dass die Bühne für ein Spitzenevent bereitet ist! Außerdem ist die Teilnahme an der Veranstaltung mit € 269 inklusive aller Gerichte und Getränke fair bepreist, so dass einem großen, voll auf Natürlichkeit und Einfachheit ausgerichteten Abend nichts im Wege stehen sollte. Die alkoholische Getränkebegleitung wurde von den Veranstaltern übrigens genau ausgetüftelt: sie besteht zu etwa gleichen Teilen aus verschiedenen Weinen vom Weingut Fritz Keller und aus einer Auswahl an Produkten von Laurent-Perrier, einem der weltweit bekanntesten Erzeuger von Champagner, welcher seinen Sitz in Tours-sur-Marne und damit im Herzland der Champagne hat. Das Unternehmen entsendet gar einen eigenen Repräsentanten, der den Gästen die begleitenden Getränke kompetent und launig erläutert. Es scheint als hätten die Organisatoren an alles gedacht!

Da ich ob meines verfrühten Eintreffens noch vor verschlossener Türe zum gastronomischen Bereich stehe, bietet man mir an der Bar als Cocktail einen mit Tonic Water aufgegossenen weißen Portwein an, der einen ausgesprochen edlen, leicht herben Einstieg darstellt. Als es dann soweit ist und sich um 18.30 Uhr die Türen öffnen, werden die nach und nach eintrudelnden Gäste zunächst in der Küche versammelt, wo sie aus dem Munde der beiden Chefs mit dem Ablauf des Abends und den wichtigsten Prinzipien, die dieser Soirée zugrunde liegen, vertraut gemacht werden. Außerdem reicht man bereits in der Küche die Apéros, die eine breite Spanne von bodenständig bis elitär abdecken. So gibt es einerseits als denkbar schlichtes Häppchen (von erlesener Qualität) Leberwurst auf Brot mit Essiggurke, dann Terrine von Gänseleber auf Rettichcrème mit Pumpernickel sowie Pfeffer und schließlich Gillardeau-Auster mit einer klassischen Schnittlauchvinaigrette. Ungeachtet der Tatsache, dass der kulinarische Anspruch zwischen diesen drei Petitessen verschieden ausfällt, ist jedes dieser Häppchen auf seine Art hochqualitativ. Das kann sich schon mal sehen lassen! Wie bedauerlich, dass ein paar Austern übrig bleiben und ich durch meinen „Logenplatz“ einen freien Zugang in den Pausen zwischen den Gängen habe! Wegwerfen wäre ja viel zu schade …

Der Tisch für die offiziellen Vertreter der schreibenden Zunft oder andere Ehrengäste ist bewusst in der Küche eingedeckt, um ihnen zu ermöglichen, möglichst nahe am Geschehen zu sein und gegebenenfalls notwendige Informationen aus erster Hand zu erhalten. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass an diesem Abend nicht nur das Event, sondern auch die Verköstigung der Hausgäste im eigens für sie vorgesehenen Restaurant sowie der Betrieb im Zweitrestaurant gestemmt werden muss – angesichts einer Zahl von etwa 250 Gedecken sollte auch dem letzten Gast klar geworden sein, welche Herkulesaufgabe sich die Küche für diesen Abend vorgenommen hatte!

Nachdem die übrigen Gäste in der Kilian Stuba Platz genommen haben, geht es mit dem ersten Gang des Abends los: der erste Beitrag von Franz Keller stellt Blutwurst aus hauseigener Produktion in den Mittelpunkt. Indem Franz Keller in einer vereinfachten Version des rheinischen Klassikers „Himmel un Äd“ (in welchem die typischen Kartoffeln fehlen) dem Hauptprodukt lediglich mustergültig tournierte Golden-Delicious-Äpfel in dreierlei Varianten als Gel, Mus und kurz gebackene, mürbe Interpretation zur Seite stellt, wird der Fokus voll auf die „Flöns“ – wie der Rheinländer zur Blutwurst sagen würde – gerichtet. Und was für ein Produkt dies ist: durch die puristische Inszenierung kommt der herzhafte und kraftvolle Geschmack der sorgsam hergestellten und rustikalen Wurst bestens zur Geltung. Damit wir uns richtig verstehen: kein Sternerestaurant der Republik müsste sich schämen, dieses Produkt anzubieten. Mit diesem Gang erlebt der Gast jedenfalls hautnah, wie Franz Kellers Credo aussieht, wenn es in die Praxis umgesetzt wird. Die Präsentation selbst wäre wohl nach heutigen Maßstäben schwerlich auf Sterneniveau anzusiedeln, doch wie bereits mehrfach betont setzt der Gastkoch seine Prioritäten mittlerweile ganz anders. Hier kann man jedenfalls lernen, wie eine hervorragende Blutwurst zu schmecken hat!

Danach ist der Gastgeber an der Reihe: für diesen Abend hat sich Sascha Kemmerer bewusst für einige optisch reduzierte Gänge entschieden, was allerdings nicht im Geringsten mit irgendeiner Art von Qualitätsverlust einhergeht. Seine fast schon als hedonistisch zu bezeichnende Lust an der Sauce ist legendär und wird beim ersten Beitrag des Abends aus seiner kreativen Küche einmal mehr bestens zur Geltung kommen: die Safran-Beurre-blanc ist mit einer generösen Portion Kaviar fast schon dekadent bereichert und begleitet die nur kurz geflämmte und innen noch glasige Jakobsmuschel mit wohldosierter Würze und verführerischer Intensität. Mehr als etwas karamellisierte Schwarzwurzel als Fundament für das zarte Muschelfleisch braucht dieser puristische Gang nicht, um in schnörkelloser Reinheit ein zupackendes aromatisches Statement zu setzen, das auch dank klarer und trennscharfer Aromen ausgezeichnet gelingt. Dieser wirklich vorzügliche Gang, der sich meiner Wahrnehmung nach bei der Mehrzahl der Gäste als Favorit des Abends entpuppte, könnte kaum typischer für Sascha Kemmerer sein und hätte wohl nur noch dadurch gewonnen, dass die Muschel noch ein paar Grad wärmer hätte sein dürfen – doch das ist wirklich Jammern auf allerhöchstem Niveau.

Danach ist wieder Franz Keller an der Reihe: diesmal setzt er Saucisson de Lyon in Szene. Angesichts der Tatsache, dass sich Paul Bocuse‘ Lokal Auberge du Pont de Collonges nahe der französischen Metropole befand (und auch nach dem Tod des Meisters noch heute befindet), handelt es sich dabei schwerlich um einen Zufall. Die Vertrautheit Franz Kellers mit typischen Spezialitäten jener Region darf daher vorausgesetzt werden und kann durchaus als Referenz an den geschätzten Lehrmeister verstanden werden. Die in der Region beliebte und eigens zum Kochen hergestellte Wurst aus Schweinefleisch mit Segmenten von Pistazie bettet die Küche auf Puy-Linsen, die mit einer Brunoise von Karotten und Kohlrabi veredelt werden und mit einem präsenten Schuss Essig so abgeschmeckt werden, dass sie durchaus auch schwäbisch wirken könnten. Wie dem auch sei – hier geht es einem passionierten Koch um Geschmack, Geschmack und nochmals Geschmack: nichts soll das Erlebnis verfälschen oder davon ablenken. Der Gast soll animiert werden, das Schmecken ganz neu zu erleben oder auch erstmals zu lernen. Mit diesem Teller inszeniert Franz Keller ein Lehrbeispiel, wie dies gelingen kann.

Mit seinem zweiten Beitrag vertraut auch Sascha Kemmerer bewährten Kombinationen, selbst wenn diese nicht ganz so reduziert ausfallen. Das klassische Arrangement von weißem Trüffel aus Istrien mit Spinat und Eigelb erweitert der Gastgeber jedoch mit zwei überraschenden Elementen: zum einen wird die konventionelle Kartoffel mit Nussbutter diesmal durch Risoni von genau richtigem Biss ersetzt, zum anderen platziert die Küche hier zwar nicht ganz stilecht, aber vollauf gelungen eine üppige Tranche von exzeptionellem Steinbutt unter dem luxuriösen Défilée. Zusammen mit dem Heilbutt, den ich im Spätsommer bei Jörg Müller verkosten durfte, reiht sich dieses Prachtexemplar von einem Fisch in die Reihe der allerbesten Beiträge des Jahres ein: saftstrotzend, wunderbar mürb und von einer hinreißenden Textur. In einem günstigen Moment fange ich Sascha Kemmerer ab und frage unschuldig, ob die Begleitung von Eckart Witzigmann inspiriert sei und erhalte die vielsagende, schlagfertige Antwort: „Pst! Nicht weitersagen …!“ Ist doch klar, dass österreichische Chefs zusammenhalten …

Der Hauptgang ist wenig überraschend dem Aushängeschild unter Franz Kellers Produkten gewidmet: die Färse vom Falkenhof überzeugt sowohl durch die tiefrote Farbe als auch ihre mineralische Frische. Gebettet auf der klassischen Suace Marchand auf Rotweinbasis fällt die Entourage diesmal erstaunlich üppig aus, selbst wenn die Mehrzahl der Begleiter ganz gemäß der Stilistik Franz Kellers eher profanen Charakter hat: zu dünn gehobelten und dann roh gebackenen Kartoffeln, Karotte und Zuckerschote gesellt sich noch exotischer Safran-Blumenkohl und rundet so ein Gericht, das ohne Weiteres in einem Wirtshaus serviert werden könnte, stimmig ab. Würden alle Gasthöfe in Deutschland auch nur eine annähernd vorzeigbare Produktqualität vorweisen können, dann hätten wir hierzulande wohl keine Diskussionen über die Notwendigkeit einer besseren Ernährung. Einmal mehr ist es die verblüffende Qualität des Fleischs, die diesem Gang das Prädikat der Extraklasse verleiht.

Zum Dessert verlässt Sascha Kemmerer die klassische Linie nicht und setzt – ob dies Zufall oder geplant war, entzieht sich meiner Kenntnis – auf ein Apfeldessert und rundet so das Menü dramaturgisch stimmig ab, welches ein paar Stunden zuvor ja ebenfalls mit Äpfeln eingeläutet worden war. Es kommt jedoch keine Tarte Tatin an den Tisch, sondern klassisch vom Service am Tisch mit Apfelgeist aus dem Hause Reisetbauer flambierte Crêpe Normandie mit derzeit hoch im Kurs stehender, natürlich handgeschlagener und nur leicht gesüßter Crème Chantilly. A part reicht die Pâtisserie noch ein moderner in Szene gesetztes Calvadoseis auf Apfelkompott, welches diesen fast schon musealen Beitrag kongenial abrundet. Wann hat man zuletzt erleben dürfen, dass in einem Gourmetrestaurant etwas am Platz flambiert wird?! Ich muss jedenfalls ganz tief in meinem Gedächtnis kramen, erfreue mich aber an den selten gewordenen und bisweilen vermissten Retro-Elementen. Fehlte nur noch die Entenpresse …

Zum guten Schluss reicht man als Ausklang noch die ausgezeichneten Petits fours, die einmal mehr das in der Vergangenheit stets zur Schau gestellte Niveau bestätigen.

Da praktisch alle Gäste im Hotel nächtigen, klingt der Abend keineswegs hektisch, sondern eher gemächlich aus – nach und nach erst nimmt die Zahl der sichtlich zufriedenen und sehr angetanen Gäste ab. Immer wieder amüsant erscheint es mir, wie unterschiedlich diverse Chefs ihren Feierabend interpretieren: eine kleine Gruppe an Asketen zieht sich beispielsweise nach getaner Arbeit umgehend zurück, doch dieser Kategorie sind beide Chefs des Abends definitiv nicht zuzuordnen! Franz Keller sinniert zunächst versonnen über den Abend, welcher ihm sichtlich Spaß bereitete, und lässt sich dann eine Zigarre schmecken. Dabei zeigt er sich durchaus leutselig und plaudert in seiner leicht kauzigen Art vor allem fleißig mit den Mitarbeitern. Sascha Kemmerer wirkt trotz der fordernden Arbeit fast wie aus dem Ei gepellt, gönnt sich seinerseits ein Feierabendbier, stellt die Musik an und hat offenbar noch genügend Energie, um bis zu dem Zeitpunkt durchzuhalten, ehe der letzte Gast sich zurückzieht. Mir verschaffen diese Umstände jedenfalls nicht nur die Gelegenheit zu dem unvermeidlichen Beweisfoto, sondern auch zu einem letzten erhellenden Gespräch mit Sascha Kemmerer über die letzten noch offenen Punkte und auch meine eigene Leidenschaft. Die von Maître Roland Gunst und Servicechefin Lisa Thiel aufmerksam dirigierte Servicebrigade, die an diesem Abend ein gewaltiges Pensum abspulte, zeigt sich ebenfalls ganz fit und sorgt bis zuletzt für das leibliche Wohl der Gäste – vor allem in Form diverser Flaschen, die noch geöffnet werden oder noch eigens herbeigeschafft werden.

Eine Bewertung dieser Veranstaltung in Form von Punkten bleibt ausdrücklich aus, weil es dieses Event in dieser Form kein zweites Mal geben wird und man an diesem Abend zwei etwas divergierende Stilistiken darbot. Jedenfalls wurden die teilnehmenden Gäste Zeuge einer Lehrstunde, worauf es heutzutage bei Produktqualität ankommt und wie diese selbst in der Hochküche in fast schon asketischer Schlichtheit dargeboten werden kann. Sollte sich unter den Gästen ein gänzlich unerfahrener Gourmet befunden haben, dann hätte dieses Menü selbst diesen nicht überfordert und trotzdem eine klare Botschaft vermittelt. Ich wurde Zeuge, dass Franz Keller die Notwendigkeit besseren Essens nicht aus einer störrischen Laune heraus einfordert, sondern nicht müde wird, aus tiefer Überzeugung für diese Forderung einzustehen und Wege aufzuzeigen, wie man unerfahrene Esser dafür sensibilisieren kann.

Sascha Kemmerer gebührt die Anerkennung, diesen außergewöhnlichen Gast zu dieser Veranstaltung überredet zu haben, und das Wagnis eingegangen zu sein, einen Gastkoch an seinem heimischen Herd einen Küchenstil präsentieren zu lassen, der heutigen Ansprüchen an die Hochküche vielleicht nicht mehr genügen würde. Und doch hatte am Ende des Abends jeder verstanden, dass Franz Keller authentischer Geschmack über alles geht – wenn es sein muss, dann eben ohne jedes Ornament. Wie gut sich Sascha Kemmerers wandelbarer und vielseitiger Stil zwecks Annäherung an die Ästhetik des Gastkochs adaptieren ließ, stellte für mich persönlich die größte Überraschung des Abends dar.

Im Hinblick auf den erfolgreich verlaufenen Abend würde man sich durchaus wünschen, dass Sascha Kemmerer mehr als nur ein Event dieser Art pro Jahr zu organisieren gedenkt, doch gerade dank der sorgsamen Vorbereitung darf man sich auch in Zukunft vom nächsten Event dieser Art noch eine ganze Menge davon versprechen. Wer bis dahin nicht warten will, dem sei ein „normaler“ Besuch in der Kilian Stuba ohnehin dringend nahegelegt!

Ich komme wieder, versprochen!