Sonntag, 3. November 2024
Keine sechs Jahre ist es her, dass Donaueschingen noch einen weißen Fleck auf der kulinarischen Landkarte der Republik darstellte. Seither hat sich in dem mondänen Golfresort Öschberghof vor den Toren des Städtchens, das vor allem für die Donauquelle bekannt ist, jedoch einiges getan: in den Fokus der Öffentlichkeit geriet die Anlage erst vor kurzer Zeit, als hier nämlich die spanische Fußball-Nationalmannschaft während der Europameisterschaft logierte und das gesamte Anwesen für sich gebucht hatte. Imagepflege betreibt man hier jedoch nicht nur mit sportlichen Aspekten, sondern auch mit lukullischen Freuden: zumindest in gut informierten Gourmetkreisen wurde die Tatsache ausgiebig goutiert, dass das kulinarische Flaggschiff des Hauses, das ÖSCH NOIR, seit dem Amtsantritt des motivierten neuen Chefkochs Manuel Ulrich im Jahre 2019 rasch zulegen konnte und sich heute bereits zweier Michelin-Sterne erfreut. Außerdem kam keine drei Kilometer weiter vom Resort im letzten Jahr mit dem Lokal die burg im Ortsteil Aasen noch ein weiteres besterntes Restaurant hinzu, so dass sich die Stadt an der Nahtstelle von Schwarzwald und Schwäbischer Alb klammheimlich zu einem Hotspot für Gourmets entwickeln konnte.
Was im Spätsommer plötzlich seitens der Geschäftsleitung des Öschberghof angekündigt wurde, sprengte jedoch meine Vorstellungskraft regelrecht: auf der Homepage wurde eine kulinarische Gala annonciert, an der nicht weniger als zehn (!) Gastköche von Rang und Namen teilnehmen und jeweils ein Gericht präsentieren würden. Selbstverständlich wusste ich noch von meinem Premierenbesuch im ÖSCH NOIR her, dass es sich bei dem Resort nicht nur um eine moderne und mondäne, sondern auch ausgesprochen weitläufige und geräumige Anlage handelte. Aus rein logistischer Sicht schien die Location somit schon ausreichende Kapazitäten für eine solche Gala zu bieten, aber dennoch pendelten meine Gefühle im Vorfeld zwischen freudiger Erwartung einerseits und leichter Skepsis andererseits, ob sich die Geschäftsleitung mit einem solch beispiellosen Event und ohne vergleichbare Erfahrungen nicht zu viel aufgebürdet hatte. Bei der Buchung meines Tickets zum Preis von € 289 war natürlich mit einem Großevent zu rechnen, aber in der Realität angekommen merkte ich schnell, wie riesig die Veranstaltung tatsächlich dimensioniert war.
Kaum angekommen, begegnete ich noch vor der Registrierung einer illustren Person, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte …
Mir war überhaupt nicht bekannt gewesen, dass David Breuer (der einigen Gästen sicherlich noch als langjähriger Maître in der Schwarzwaldstube in allerbester Erinnerung ist) inzwischen im Öschberghof als Director of Food and Beverages verantwortlich zeichnet. Bei seinem Abschied vom Tonbachtal hatte der gebürtige Rheinländer sich mir gegenüber noch dahingehend geäußert, dass er einen näher an der Heimat befindlichen Posten anstreben würde – soviel dazu! Gleichwohl ist klar, dass sich die Geschäftsleitung des Hauses mit dieser Personalie die geballte Kompetenz in Sachen Gastronomie ins Haus geholt hat und sich wohl zusammen mit Michael Artner, dem General Manager des Öschberghof, keinen besseren Organisator für dieses Event hätte wünschen können. Schnell wird mir klar, dass die Veranstalter mehr als 300 (!) Gäste an diesem Abend zu bewirten haben und das Event von nicht weniger als 25 Sponsoren getragen wird, die je nach Marke teils ihre eigenen Produkte an kleinen Ständen präsentieren oder auch beispielsweise Kataloge zu Kreuzfahrten mit einem Schwerpunkt auf Kulinarik bereitstellen. Wie später bei der Begrüßung der Gäste durch David Breuer ersichtlich wird, hatte die umfangreiche Organisation der Veranstaltung bereits ein knappes Jahr zuvor begonnen – er hätte zweifellos ergänzen können, dass sie sich als durch und durch professionell erweisen wird. Möglicherweise wollte sich der Gastgeber aber nicht selbst loben oder das aussprechen, was ohnehin jedem Gast rasch auffallen musste. Dennoch sei das Fazit des Abends schon einmal vorweggenommen: das war fraglos das Event des Jahres! Es ist mir jedenfalls ein Bedürfnis, auch auf diesem Wege den Gastgebern und Organisatoren nochmals meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.
Nach der Registrierung beim Empfang warten sogleich die ersten Kleinigkeiten darauf, von den Gästen verzehrt zu werden. Bei Champagner aus dem Hause Bollinger und Austern von der Deutsche See Fischmanufaktur, die zusätzlich mit Pumpernickel und Zwiebelmarinade offeriert werden, lässt sich die Zeit bis zur offiziellen Eröffnung der Gala im geräumigen Tanzsaal ganz gut überbrücken. Dort haben die Gastköche ihre Stände aufgebaut, doch im Grunde genommen sind praktisch die gesamten Räumlichkeiten im Erdgeschoss (also auch Aufenthaltsräume, die ansonsten vermutlich eher als Tagungsräume dienen) für das Event reserviert. Wer die Teilnahme an dem Event außerdem im Bild festgehalten haben möchte, der kann sich wie ein Filmstar professionell vor einer eigens aufgebauten Werbetafel der Sponsoren ablichten lassen – ein Hauch von Cannes und etwas Glamour dürfen an diesem nebligen und kalten Abend schließlich auch sein!
Dann ist es soweit: die Gäste werden zum Tanzsaal und damit der Herzkammer dieser Gala gebeten, wobei der Weg dorthin am Stand von Pâtissier Stefan Leitner vorbeiführt, der schon mal eine unverschämt attraktiv anmutende Pyramide aus Macarons aufgebaut hat!
Bei der Eröffnung durch Gastgeber David Breuer werden zunächst die Gastköche kurz einzeln vorgestellt, doch auch andere Produzenten kommen zu ihrem Recht – ganz gleich, ob es sich dabei um Brot, Butter, Wurstwaren, Alkoholisches oder Alkoholfreies handelt. Außerhalb des Tanzsaals (der erst deutlich später seiner wahren Bestimmung zugeführt wird) findet man noch weitere Stände aufgebaut – darunter die Errungenschaften jener Köche, die beispielsweise in Nachwuchswettbewerben reüssiert haben. Auch die süßen Freuden der Pâtisserie – vertreten durch keinen Geringeren als den absoluten Ausnahmekönner des Bareiss, Stefan Leitner – stehen unübersehbar in der Nähe des Getränkeausschanks.
Man erfährt außerdem, dass die heutige Veranstaltung das Ergebnis eines weinseligen Abends war, während dessen Verlauf seitens des Chefkochs Manuel Ulrich und David Breuer der kühne Vorschlag gemacht wurde, ein solches Event zu erwägen und letztlich zu riskieren. Nach positiver Rückmeldung der zuständigen Gremien bezüglich der Machbarkeit wurden schon bald konkrete Pläne geschmiedet, wie das Projekt ablaufen könnte und welche Chefs die Veranstaltung mit ihrem Glanz bereichern würden. Herausgekommen ist dabei ein gigantisches Unterfangen, bei dem selbst die erfahrenen Gastronomen im Laufe der Organisation das eine oder andere Mal geschluckt haben dürfen, welch stattliche Ziele sie sich selbst gesetzt hatten.
Unmittelbar nach der Eröffnung ist der Andrang recht groß und unübersichtlich, weshalb es nicht immer ganz leicht fällt, einen Sitzplatz zu ergattern – außerdem ist dieser spätestens nach der Rückkehr vom Gang zum nächsten Stand mit Sicherheit wieder besetzt. Der bemitleidenswerte Service ist dagegen gefühlt pausenlos damit beschäftigt, benutztes Geschirr einzusammeln und umgehend wieder zu spülen. Flexibilität und Ausdauer sind auch seitens der Gäste durchaus gefragt, aber nach dem Abebben des ersten Schwungs lichtet sich das Geschehen an den Ständen der meisten Chefs wieder etwas, so dass auch Zeit für den einen oder anderen erhellenden Plausch bleibt. Die Mehrzahl der Gäste scheint sich ohnehin nicht so sehr für die Chefs im Detail zu interessieren, sondern delektiert sich einfach an den dargebotenen Speisen sowie Getränken und genießt den Galacharakter des Abends an sich.
Aufgrund der schwierigen Lichtverhältnisse oder des Fehlens von einem geeigneten Standort bleibt es zudem nicht immer aus, dass die Fotos in Einzelfällen nicht ganz gut so gelingen wollen oder unscharf geraten, wenngleich ich im Großen und Ganzen damit fraglos zufrieden sein kann.
Zunächst sei also der Hausherr der Küche im Ösch Noir vorgestellt: Manuel Ulrich nennt mit seinen 38 Jahren bereits längere Zeit zwei Michelin-Sterne sein Eigen und schickt sich offenbar mit voller Energie an, nach noch höheren Weihen zu streben. Für diesen Abend überließ er die knalligeren Gerichte offenbar bereitwillig den Gastköchen und steuert seinerseits eine zeitlos klassische Kombination in wirklich hocheleganter Ausführung bei: das in Sauternes und Cognac marinierte Parfait von Gänseleber bestreicht er mit einem hauchzarten, fruchtigen Apfelgel und drapiert darauf essbare Blüten sowie Räucheraal. Spätestens seitdem MartIn Berasateguí im Jahre 1993 in seinem hundertfach kopierten Millefeuille die Gänseleber mit Räucheraal paarte, erscheint diese Kombination so natürlich als gäbe es gar keine andere Möglichkeit, die Leber zu begleiten. Mit seinem Beitrag setzt der Hausherr ein Ausrufezeichen der eher leisen Art – große Kunst auf kleinem Raum ist das dennoch fraglos.
Auch bei den begleitenden Beigaben erweist sich das Beste als gerade gut genug: Butter und Brotsorten stammen beide aus dem Bayerischen Wald. Die renommierte Bäckerei Phillips aus Regen und die ButterBoyz aus Waldmünchen gehören fraglos zu den größten Meistern ihres jeweiligen Fachs. Die ButterBoyz, bestehend aus dem Deutschen Moritz Oswald und dem Brasilianer Fabio Cestari de Mesquita, sind zwei Freunde, die einander in Lyon kennenlernten und von keinem Geringeren als dem Hohepriester der französischen Küche in deren Geheimnisse eingeweiht wurden: Paul Bocuse. Seither gilt deren ganze Leidenschaft eben jenem uralten Produkt namens Butter, das sie ganz neu belebt und interpretiert haben. Die edlen und exquisiten Wurstwaren schließlich stammen von der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, die logischerweise beste Kontakte zu dem ebenfalls anwesenden Chef Boris Rommel unterhält. Die Getränkebegleitung (nicht im Bild) ist weitgehend alkoholisch ausgerichtet, doch konnte man mit Julians Saftladen einen weiteren renommierten, in Donaueschingen sitzenden Produzenten für alkoholfreie Alternativen gewinnen – dessen jüngste Erzeugnisse ich ausgiebig verkoste.
Einer meiner absoluten Lieblingsköche ist auch mit von der Partie: Christoph Rainer aus dem zweifach besternten IKIGAI in Elmau bewegt sich mit seiner Kunst bereits ausgesprochen nahe am dritten Macaron, der meiner Meinung nach wirklich fällig wäre. Seine Kunst ist darauf fokussiert, japanische Produkte mit französischen Techniken zu mischen und so ungeheurer dichte Meisterwerke voller Umami zu kreieren. Sein Hiramasa Kingfish ist ein besonders ikonisches Beispiel aus seinem Schaffen: trotz einer unglaublichen Fülle an Einzelkomponenten wie etwa Kujyo-Vinaigrette, Hamachi-Tatar, gepickelten Gurkenperlen, Austernkrauteis und Reischip bleibt das fragile Gleichgewicht jederzeit gewahrt. Außerdem kann man an solch einem Fest mit dem N25-Kaviar ruhig mal etwas weniger sparsam umgehen! Wer von der Kunst dieses Chefs oder seinem Lokal bis dato noch nicht gehört hatte, der konnte sich mit diesem praktisch schon zum Signature Dish avancierten Gericht einen superben ersten Eindruck verschaffen.
Auch Boris Rommel aus dem Le Cerf im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe hat sich die Ehre gegeben: seinen regionalen Prinzipien bleibt er auch an fremdem Wirkungsort treu und hat aus der Heimat – wie so oft bei Fleischprodukten – hohenlohisches Rindfleisch im Gepäck, das er vor Ort zu einem klassischen Tatar verarbeitet. Die aufwendige Zubereitung, die er mir freimütig verrät, gebe ich hier nicht wieder, denn allein die Beigaben nehmen schon reichlich Platz ein: Delice de Pommard (ein Frischkäse aus dem Burgund mit ausgeprägter Senfnote), eingelegte rote Zwiebel und Estragonchips steuern reizende Akzente bei, die selbst dadurch, dass die Champagnervinaigrette noch mit Estragon, Zweibelsud und Essig verfeinert wurde, nicht in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. Ein klassisches Gericht mit modernem Touch – die Kunst, solch eine geschmackliche Wirkung zu erzielen ohne dabei etwas Überdrehtes tun zu müssen, beherrschen nur wenige wie der Meister aus der Region Hohenlohe.
Selbst die fraglos weiteste Anreise aller Chefs brachte Michael Kempf aus dem zweifach besternten Berliner Facil nicht dazu, seine Teilnahme an diesem Event infrage zu stellen. Seine leichte, moderne Küche lockt einen steten Zustrom an Gourmets in sein gläsernes Lokal am Potsdamer Platz – es stellt inzwischen das einzige Lokal Berlins auf diesem Niveau dar, das noch mittags geöffnet hat. Eine seiner besonderen Stärken kommt auch am fremden Herd bestens zur Geltung: seine Zubereitung von großen Knochenfischen wie etwa Kabeljau oder Wolfsbarsch setzt für mich weiterhin Maßstäbe. Mitgebracht hat er diesmal Heilbutt, den er sanft gart und ganz puristisch neben einem Türmchen platziert, das aus einem Topinamburboden besteht und mit Auster sowie einem Schaum von geräucherter Hollandaise bedeckt wird. Für den letzten Feinschliff sorgen ätherische Noten von Eukalyptus – fertig ist ein vergleichsweise sparsam bemessenes, dafür aber umso ausdrucksstärkeres Gericht auf sehr hohem Niveau.
Tohru Nakamura aus der zweifach besternten Schreiberei in München scheint unter den Gästen besonders viele Gäste treue Anhänger zu haben, denn außer einem ganz kurzen Plausch und einem Foto ist für mich an diesem Abend nicht viel drin – was freilich nichts daran ändert, dass er mir die denkwürdigste Jakobsmuschel seit langer Zeit servierte! In kurz geflämmter Form geht sie mit Yumipirika-Reis, Kombualge, Kürbisschaum und milden Habaneros eine wunderschöne und geradezu ideale herbstliche Liaison ein, die sich lange ins Gedächtnis brennt. Kein Wunder, dass regelmäßige Besuche in seiner Schreiberei inzwischen zum guten Ton unter Gourmets gehören!
Für einen ganz bestimmten Gastkoch aus der weiteren Umgebung freut mich die Teilnahme an diesem Event ganz besonders, denn der Name von Simon Tress ist leider immer noch weitaus mehr Menschen durch die hochwertigen Teigwaren aus dem gleichnamigen Familienunternehmen als durch sein erst seit diesem Jahr besterntes Restaurant 1950 auf der Schwäbischen Alb bekannt. Dennoch gehört das voll auf Regionalität setzende Bio-Fine-Dining-Lokal in Ehestetten trotz der winzigen Größe des Ortes fraglos zu den einflussreichsten grünen Trendsettern der Republik: hier wird Regionalität nicht als eine Form von dreistem Etikettenschwindel praktiziert, sondern wirklich bis in jede Pore gelebt. Das von ihm hier präsentierte Gericht besteht abgesehen von dem Käse-Risotto praktisch nur aus einem Füllhorn an Varianten der Zwiebel und wird dadurch zu einer Art Ode an ein Gewächs, dessen vielseitige Qualitäten den meisten Menschen für immer verborgen bleiben. Mit diesem Auftritt dürfte der aufstrebende Chef seinen Bekanntheitsgrad (zurecht) schlagartig gesteigert haben – und doch ist er seit jeher ein erfreulich geerdeter, natürlicher und toller Typ! Geschmeckt hat das süffige Gericht übrigens auch grandios!
Für noch mehr Lokalkolorit sorgt ein weiterer Chef, von dem man sich noch einiges versprechen darf: Jason Grom vom Restaurant die burg im Donaueschinger Ortsteil Aasen absolvierte im Öschberghof seine Grundausbildung und bekam letztes Jahr den ersten Stern zugesprochen. Konkurrenzdenken gibt es ergo keins, und so darf der sichtlich gut gelaunte und geschmeichelte junge Chef geschmortes Ochsenbäckle mit roter Bete und Radicchio an einer mit Purple Curry verfeinerten Hollandaise präsentieren. Für eine unverwechselbare, köstliche Note sorgt noch ein Spritzer Heidelbeeressig von straffer Säure – man kann erkennen, dass dieser unter anderem im Wiener Steirereck gestählte Nachwuchskoch sein Potential noch längst nicht ausgereizt hat.
Simon Lang vom Restaurant Sartory in Augsburg durchlebte während der Pandemie-Jahre einige Schwankungen in den Profiguides, scheint sich aber in jüngster Zeit endgültig in der kochenden Topriege der Fuggerstadt etabliert zu haben. Seine saftige und kraftvolle Challans-Ente bettet er auf eine ganz klassische Entourage aus fermentiertem Blaukraut (in einem Reigen an Texturen) und Selleriecrème. Einen luxuriösen Touch steuern Brioche-Croûtons und Rote-Bete-Sacchetti mit Entenleber bei – ein intensiver, herzerwärmender Genuss als Kontrastprogramm zu den fast schon winterlichen Temperaturen vor der Tür.
Das größte Renommée aller Gastköche kann jedoch Thomas Bühner vorweisen – jener Koch, dessen dreifach besterntes Restaurant la vie in Osnabrück Knall auf Fall vom Betreiber im Jahr 2018 geschlossen wurde. Ihm gilt mein größtes Interesse, denn seither hatte sich der weiterhin umtriebige Chef eher rar gemacht und sein Auskommen durch Beratertätigkeiten gesichert. Mit der Ankündigung, nächstes Jahr in Düsseldorf ein neues Restaurant mit demselben Namen zu eröffnen, zeigt er sich jedoch neuerdings wieder häufiger in der Öffentlichkeit und sagte auch seine Teilnahme an der Gala zu – das gibt mir die unverhoffte Gelegenheit, mir seine Widmung in meinem Buch aus der Reihe der Süddeutschen Zeitung zu sichern. Mitgebracht hat er einen Dauerbrenner, der auch in jenem Buch zu finden ist: Rehrückenfilet im Sud exotischer Gewürze (wie zum Beispiel Sternanis, Zimt oder Five Spice) geschmort. Selleriecrème und Wildjus runden ein puristisch gehaltenes Gericht ab, dessen Proportionen so sorgsam ausgelotet sind wie man es von eben diesem Chef kennt. Die wohldosierte Schärfe, die perfekte Gartemperatur und die unvergleichliche Konsistenz des Fleischs machen aus diesem unscheinbaren Gang eine echte Wohltat für den Gaumen. Mag sein, dass dieses Gericht seine volle Wirkung erst mit einiger Verzögerung entfaltet, aber große Kunst ist nun einmal selten vordergründig.
Der einzige Koch, der mir durch die Lappen ging, ist Supachai Tomsoongnoen, der Sushi-Chef im Öschberghof. Ich verkoste sein meisterhaftes Drei-Könige-Maki mit Maguro, Shake, Hamachi, Kaviar und Sesam – schade, dass ich ihn während meiner Rundgänge nie persönlich antraf.
Den Abend würdig abzurunden ist Stefan Leitner vorbehalten – der Ausnahmepâtissier vom Baiersbronner Dreisterner Bareiss fühlt sich dem Öschberghof seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden und verleiht der Gala mit seinen bunten, süßen Meisterwerken einen überragenden und farbenfrohen Ausklang. Erst jüngst wurde er sowas von verdient vom österreichischen Gourmetmagazin rolling pin zum „Pâtissier des Jahres“ gekürt, denn in der Szene weiß jeder um die absolut einzigartigen Fähigkeiten dieses Mannes, der fraglos eine wichtige Trumpfkarte im Portfolio des Dreisterners zu Baiersbronn darstellt. Mitgebracht hat der Meister eine Kreation aus Zartbitterschokolade in einer geradezu verschwenderischen Fülle an Texturen, Passionsfrucht, Tahiti-Vanille-Chantilly und Sherry-Portweinfond. Es ist fast schon überflüssig zu erwähnen, dass auch diese Kreation wieder einmal sämtliche Erwartungen toppt und auch alle anderen süßen Verführungen dasselbe überirdische Niveau wie im Bareiss erkennen lassen.
Die Veranstalter haben an diesem Abend mal eben dreizehn Michelin-Sterne versammelt – wollte man die ehemaligen drei Sterne von Thomas Bühner sowie die gefühlten drei von Stefan Leitner dazu zählen, dann käme man sogar auf neunzehn! Wo man andernorts ein solches Unterfangen von vornherein als reine Megalomanie abgetan hätte, so nahm man im Öschberghof bei vollem Bewusstsein über die eigenen Möglichkeiten das Wagnis in Kauf, ein derartiges Event zu stemmen. Viel riskiert und alles gewonnen, kann man da nur sagen! Hut ab!
Die Veranstaltung läuft noch lange Zeit weiter, denn im Anschluss an den offiziellen Teil wird die Tanzfläche gegen 22.45 Uhr für ihren eigentlichen Zweck freigegeben, wobei der DJ nun sein ganzes Können offenbaren kann, während er sich bis zu diesem Zeitpunkt eher dezent im Hintergrund aufhielt. Für mich geht dieser Abend der Glückseligkeit gegen 22.30 Uhr leider vorzeitig und ohne jeden Knalleffekt zu Ende, denn am nächsten Morgen erwarten meine Schüler einen fitten und ausgeschlafenen Lehrer, der zwischen Donaueschingen und seiner Schule noch mehr als 200 Kilometer überbrücken muss. Zuvor verabschiede ich mich nochmals von jedem Protagonisten, der mir über den Weg läuft, noch immer berauscht von den Eindrücken eines unvergleichlichen Events. Man darf gespannt sein, ob für nächstes Jahr eine Neuauflage geplant ist – ein Ereignis der Superlative war es schon jetzt!