Johannes Brahms (1833 – 1897): Paganini-Variationen op. 35 (Standardrepertoire)

In kompositorischer Hinsicht ist dieser bekannte Zyklus über Paganinis Caprice Nr. 24 längst nicht so elaboriert und tiefgründig wie die Händel-Variationen. Nein, hier gibt es um haarsträubende Virtuosität in bester romantischer Tradition. Es ist bezeichnend, dass Brahms vor diesem Hintergrund die Stücke selbst nicht als Variationen, sondern als Etüden bezeichnete – trotzdem hat sich der Name Paganini-Variationen erhalten und etabliert. Pianisten, die eine ultimative Herausforderung suchen, sollten dieses Werk auf jeden Fall in ihr Repertoire aufnehmen. Schon die erste Variation ist ein erstes Warnsignal: während am Beginn eines solchen Zyklus normalerweise eine harmlose Variation steht, eignet sich diese hier hervorragend, um sich eine Sehnenscheidenentzündung zuzuziehen, denn die pervers schweren Doppelgriffe erfordern unbändige Kraft und Ausdauer. Wenn die rechte Hand den Teufelsritt gemeistert hat, dann darf die linke Hand in Variation 2 nochmals dasselbe vormachen. In weiteren zwei Dutzend Variationen wird jede noch so vertrackte Technik auf den Prüfstand gestellt, und Ausruhen ist in diesem Virtuosenstück fast nirgendwo möglich – damit gerät es zu einem der gefürchtetsten Stücke der gesamten Klavierliteratur.

Unter den Klassikern hat die alte EMI-Aufnahme von Arturo Benedetti Michelangeli nichts von ihrem Reiz verloren. Mit der vielleicht perfektesten Technik, die jemals ein Pianist in diesem Werk an den Tag legte, gewinnt der Italiener sein gebanntes Publikum binnen Sekunden für sich. Allerdings nahm sich der Interpret die Freiheit, die Reihenfolge der Variationen umzustellen – etwas, das ausgesprochene Puristen stören könnte, aber dank CD-Programmierung ja auch manuell geändert werden kann.

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Unter den lebenden Pianisten hat der Russe Jewgeni Kissin die Nase vorn: mit einer spontan wirkenden Dramaturgie nimmt er den Hörer auf eine phantastische Reise mit und überzeugt in puncto Technik, Tempi und Artikulation von Anfang bis Ende. Schnell hat sich diese Aufnahme nach ihrem Erscheinen als moderne Referenzaufnahme erwiesen und behaupten können.

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