Johannes Brahms (1833 – 1897): Rhapsodien op. 79 (Standardrepertoire)

Die zwei Rhapsodien stellen den Höhepunkt der mittleren Schaffensphase des Komponisten auf dem Gebiet der Klaviermusik dar – dies ist allerdings keine große Kunst, da Brahms außer den acht Klavierstücken op. 76 (die zu seinen am wenigsten gelungenen Schöpfungen zählen) sonst nichts für Klavier solo in dieser Zeit hinterließ.

Die erste Rhapsodie in h-Moll hat angesichts ihres unruhigen rhythmischen Verlaufs im Bass (häufig Pausen auf betonte Zählzeiten) etwas Trotziges und unruhig Gärendes. Nur der ätherische Mittelteil in Dur hellt die Stimmung etwas auf, nur um am Ende doch wieder in die Anfangsstimmung zu verfallen. Allerdings endet das Werk, das immer langsamer und leiser gen Ende wird, einigermaßen versöhnlich in H-Dur.

Der zweiten Rhapsodie, die eher pathetisch und leicht heroisch wirkt, fehlt ein Mittelteil in leuchtendem Dur. Stattdessen wirkt der Mittelteil eher wie Art Durchführung, in der komplizierte Modulationen in Verbindung mit dem unruhig pochenden Triolenrhythmus einen Zustand permanenter Anspannung und Bedrohung schaffen. Auch diese Rhapsodie wird zum Schluss immer langsamer und leiser, aber diesmal zerreißen zwei mächtige Fortissimo-Akkorde die trügerische Ruhe und setzen einen würdigen Schlusspunkt unter dieses dramatische Werk.

Die heißblütige Argentinierin Martha Argerich spielte Mitte der 60er-Jahre Brahms‘ Opus 79 auf ihrer Debüt-LP ein. Ihre Herangehensweise ist – wie nicht anders zu erwarten – jugendlich forsch und strotzt vor Energie. Ihre Darbietung hat sehr zwingenden, aber auch etwas plakativen Charakter. Während die einen die konstant hohe Spannung loben, fehlt es den anderen ein wenig an den subtileren Momenten. Wie dem auch sei – diese Interpretation gehört noch immer zu den beliebtesten.

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Eine reifere und tiefgründigere Darbietung legte Murray Perahia vor: insgesamt dosiert der erfahrene Amerikaner seine Kraft besser und lotet auch die leiseren Passagen feiner aus. Seine Herangehensweise ist unterm Strich gesetzter als diejenige von Argerich und ist stärker auf die den Stücken innewohnende Beklemmung als auf das aufbrausende Element fixiert. Beide Einspielungen haben ihre Vorzüge, aber ich favorisiere Perahia.

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