Komponisten und Köche

Musik und Kulinarik – gibt es da Parallelen, und wenn ja, welche? Offensichtlich gibt es einige Qualitäten, die in beiden Bereichen unverzichtbar sind, wenn man es weit nach vorne bringen will: Talent, Leidenschaft, Wille zu harter Arbeit, Präzision, ständige Hinterfragung des bisher Erreichten und Ausdauer. Natürlich trifft dies auch auf viele andere Bereiche des Lebens zu, doch die Beschäftigung mit Musik und Kochen dauert eben unter Umständen ein Leben lang, während ein Profisportler abhängig von seiner Sportart irgendwann zwischen 30 und 40 Jahren aufhört.

Basierend auf meinen Erkenntnissen von nahezu vierzig Jahren am Klavier und zehn Jahren in Spitzenrestaurants habe ich einmal versucht, Assoziationen zwischen den Stilen von herausragenden Komponisten und Köchen herzustellen und dabei eine ganze Liste an Parallelen entdecken können, die mich zum Nachdenken animiert haben und die möglicherweise auch den einen oder anderen Leser dieser Seite zum Schmunzeln oder Sinnieren anregen.

Die untenstehende Liste ist in erster Linie ein amüsanter Versuch, einem Feinschmecker bestimmte Komponisten oder einem Musiker bestimmte Köche näherzubringen. Ob und wie gut mir dies gelungen ist, darf der geneigte Leser dieser Kolumne gerne selbst einschätzen. Mir hat dieser eingeschobene Beitrag jedenfalls einiges an Vergnügen bereitet.

 

Torsten Michel (Schwarzwaldstube): Frédéric Chopin
Der legitime Nachfolger des legendären Harald Wohlfahrt hat in der Schwarzwaldstube längst die Vision seiner eigenen Handschrift umgesetzt, ohne dabei das klassische Erbe zu vernachlässigen. Die Poesie und Opulenz, die seinen Gerichten innewohnen, erinnern mich an Chopins lyrische, ausladende und wunderschöne Melodien voller Eleganz und doch gleichzeitig auch Kraft.

Joachim Wissler (Vendôme): Maurice Ravel
Maurice Ravels unverwechselbare Interpretation des Impressionismus weist viele Parallelen zum Stil des badischen Großmeisters Joachim Wissler auf. Die Kreationen auf dem Teller sind oft schillernd, kreativ und leicht zugleich. Ähnlich wie Ravel zu seiner Zeit in Frankreich ist auch Wissler einer der größten Vertreter der Moderne in Deutschland. Leichtigkeit, Farbigkeit und ausgelassene Heiterkeit finden sich in Ravels Schaffen genau wie bei Wissler immer wieder.

Tim Raue (Restaurant Tim Raue): Giacomo Puccini
Keine Frage: wer an Puccini denkt, denkt unwillkürlich auch an Madama Butterfly. Diese Assoziation drängt sich natürlich wegen der vielen asiatischen Elemente in Raues Küche ohnehin auf, doch die große Oper ist zweifellos ebenfalls eine Stärke von Raue, selbst wenn sein Lokal in Berlin-Kreuzberg nicht unbedingt rein äußerlich darauf schließen ließe. Raues kraftvolle und aromenstarke Menüfolgen erwecken in mir ähnliche intensive Gefühle wie bei Puccinis Opern, da beide einen ausgeprägten Sinn fürs Monumentale haben, wenn es darauf ankommt.

Christian Bau (Victor’s Fine Dining): Claude Debussy
Der Großmeister im saarländischen Perl-Nennig hat sich mit seiner kongenialen Synthese aus französischen und japanischen Elementen längst an die Spitze der deutschen Gastro-Landschaft gekocht. Parallelen zu Debussy sehe ich wegen der häufigen fernöstlichen Exotismen in Debussys Musik und der kraftvollen Farbigkeit seiner Musik. Die schillernden Effekte Debussys finden in den vielen kleinteiligen und entzückenden Details von Christians Baus Kreationen ihre Entsprechung, ohne dass dabei der monumentale Gehalt verloren ginge.

Christian Jürgens (Überfahrt): Franz Schubert
Christian Jürgens, der gerne als der Poet unter den deutschen Drei-Sterne-Köchen bezeichnet wird, hat seinen Stil in den letzten Jahren deutlich entschlackt und verzichtet inzwischen weitgehend auf die Spielereien vergangener Jahre. Ähnlichkeiten mit Franz Schubert sehe ich nicht nur, weil beide eine große Achtung vor der Natur heg(t)en, sondern auch weil Jürgens in seinen besten Gerichten eine ähnlich faszinierende Wirkung erzielt wie Schubert mit seinen schier endlosen Melodiebögen voll makelloser Schönheit und doch Reduktion auf das Wesentliche.

Klaus Erfort (GästeHaus Klaus Erfort): Jean-Philippe Rameau
Klaus Erforts klassische Küche beschränkt sich meist auf das Notwendige, setzt aber immer wieder auf charmante, augenzwinkernde Einfälle mit einer sehr individuellen Note. Die Musik des barocken französischen Meisters Rameau besitzt meistens ein Grundgerüst, das ebenfalls mit relativ wenig Elementen auskommt, aber immer wieder durch reizende Verzierungen ungemein aufgewertet wird. Unaufdringliche Kunst mit Charme – das trifft auf beide zu.

Clemens Rambichler (Sonnora): Wolfgang Amadeus Mozart
Clemens Rambichler hat das kulinarische Erbe seines verstorbenen Mentors Helmut Thieltges vollkommen verinnerlicht und dezent erneuert. Dennoch sind die makellose Eleganz, der Verzicht auf alles Überflüssige, die Reinheit und die Ausgewogenheit der Gerichte als unverwechselbare Elemente geblieben. Mozarts perfekte klassische Kompositionen verblüffen ebenfalls bis heute mit ihrer zeitlosen Eleganz und Makellosigkeit – hätte Mozart gekocht, dann wären seine Gerichte mit Sicherheit ähnlich wie die im Sonnora ausgefallen.

Sven Elverfeld (Aqua): George Gershwin
Sven Elverfeld ist für mich stets vielen neuen Einflüssen gegenüber offen geblieben, auch wenn er erfahren genug ist, zu entscheiden, was zu seinem Stil passt und was nicht. Die gelungene Melange verschiedenster Inspirationen erinnert mich nicht nur an Gershwin, weil dieser ebenfalls das Beste aus zwei musikalischen Welten zu einer neuen Tonsprache verdichtete, sondern auch weil der überwiegend heitere Charakter seiner Werke eine Entsprechung in den ausgelassenen, spritizgen und wenig verkopften Kreationen im Aqua seine Entsprechung findet.

Claus-Peter Lumpp (Bareiss): Georg Friedrich Händel
Kein anderes deutsches Drei-Sterne-Restaurant macht aus einem Besuch ein so opulentes und rauschendes kulinarisches Fest. Die barocke Fülle dieser leicht zugänglichen, aber durchaus gehaltvollen Küche weckt in mir Assoziationen mit Georg Friedrich Händel und insbesondere seiner Feuerwerksmusik. Repräsentation, höfischer Glanz und eine Demonstration der eigenen Fähigkeiten – wie in Händels Musik erwartet all dies auch den Gast im Bareiss, wo man vom ersten Apéro bis zum letzten Petit four die reine kulinarische Pracht erleben darf.

Michael Kempf (Facil): Felix Mendelssohn-Bartholdy
Ganz anders dagegen der leichte und ausgelassene Stil, den man im Berliner Facil genießen darf: fast schon verspielt, immer unbeschwert und federleicht sowieso. Unter den romantischen deutschen Komponisten findet Michael Kempf seine Entsprechung bei Felix Mendelssohn-Bartholdy, dessen zumeist heitere Musik eine bemerkenswerte Parallele zum hier zelebrierten Küchenstil darstellt: stets durchdacht, aber selten nachdenklich und gerade in der kleinen Geste immer wieder besonders stark, so wie Mendelssohn in seinen kurzen Klavierstücken oder Liedern.

Thomas Schanz (schanz): Igor Strawinsky
Strawinsky war ein ausgesprochener vielseitiger Komponist, der mit verschiedensten Stilen hantierte. Seine neoklassizistische Phase der 1920er-Jahre erinnert mich an Thomas Schanz‘ Küchenstil, weil der Grand Chef durchaus humorvolle Effekte einsetzt, um die gediegene Klassik etwas aufzupeppen oder spielerisch zu verzerren. Dabei bleiben die Gerichte immer enorm charmant und verleugnen ihre klassische Basis trotz allem nicht. Auch Strawinskys Anleihen von der Wiener Klassik sind unverwechselbar und haben doch eine ganze eigene Note.

Christoph Rüffer (Haerlin): Giuseppe Verdi
Der feudale Rahmen des Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten ist eine würdige Bühne für die großen Inszenierungen, die Christoph Rüffer hier ersinnt. Das Programm ist meist große Oper von vorne bis hinten und in seinem Anspruch auch durchaus elitär, elegant und erlesen. Giuseppe Verdi, der Großmeister der italienischen Oper, hatte ein ähnlich sensibles Gespür für dramaturgische Effekte und die große Geste. Ein Abend im Haerlin ist praktisch stets Unterhaltung für Anspruchsvolle, die nichts mit aufgesetzten Showeinlagen, sondern nur mit Grandezza etwas anfangen können. 

Kevin Fehling (The Table): Robert Schumann
Ähnlich wie der große deutsche Romantiker Robert Schumann ist auch Kevin Fehling einer, der Neuerungen gegenüber oft aufgeschlossen ist und eine dementsprechende Experimentierfreude an den Tag legt. Dabei ist er – ähnlich wie Schumann – einer, den der Zweifel stets umhertreibt und der sein Tun daher auch regelmäßig hinterfragt. Das Ergebnis fällt ähnlich aus wie bei Schumann: nicht immer wurde dieser von seinen Zeitgenossen verstanden und galt als sperrig. Fehlings kühne Kreationen erfordern meist ebenfalls ein gehöriges Maß an Aufgeschlossenheit, doch gemessen an den Reservierungszahlen scheint das Publikum heutiger Tage doch liberaler.

Peter Maria Schnurr (Falco): Ludwig van Beethoven
Der Chefkoch des Leipziger Falco inszeniert sich – zumindest innerhalb dieser Stadt – wie kaum ein anderer Koch hierzulande. Während er von seinem eigenen, avantgardistischen Schaffen vollkommen überzeugt ist, stoßen seine Kreationen nicht immer auf die Gegenliebe seiner Gäste. Andere hingegen loben die Fähigkeiten des Chefs über den grünen Klee. Ich sehe erstaunliche Parallelen zu Beethoven, der viele Konventionen seiner Zeit zertrümmerte und als fulminanter Erneuerer der Musik all diejenigen, die sein Genie nicht würdigen konnten, brüskierte – der einzige, der Zweifel an Beethovens Musik hegen durfte, war er selbst.
Bei Schnurr gilt jedenfalls genau wie bei Beethoven: „Erwarte das Unerwartete!“

Jan Hartwig (Atelier): Franz Liszt
Mit beispielloser Virtuosität gelingt es Jan Hartwig, eine Vielzahl von Komponenten in seine oft kleinteiligen und modernen Kreationen zu integrieren. In der Musik war Franz Liszt ebenfalls ein Neuerer und Interpret von Werken mit haarsträubender Virtuosität. Die ungeheuer farbigen Werke machten damals ähnlichen Eindruck wie die komplexen, aber hinreißend in Szene gesetzten Teller von Jan Hartwig, dem keine Disziplin zu anspruchsvoll zu sein scheint.

Tohru Nakamura (ehemals Geisels Werneckhof): Gustav Mahler
Die Schließung des Werneckhofs ist ein herber Verlust, denn die heiteren, bunten und ausgelassenen Kreationen mit deutlich asiatischen Akzenten werden der deutschen Gastro-Szene doch (zumindest vorübergehend) sehr fehlen. Auch in Mahlers Musik findet man viele Anklänge an Fernost, doch die schillernde Farbigkeit seiner Werke mit oftmals exotischen Instrumenten und verblüffenden Effekten ist für mich noch auffälliger. Die Neuartigkeit von Mahlers Musik findet beispielsweise auch ihre Entsprechung in den ungewöhnlichen Zutaten Nakamuras.   

Hans Stefan Steinheuer (Restaurant Zur Alten Post): Johannes Brahms
Der „stille Star von der Ahr“ überzeugt seit Jahrzehnten mit äußerst durchdachten Kreationen von grandioser Tiefe ohne große Schauwerte. Johannes Brahms war ebenfalls nicht unbedingt ein Vorreiter der Moderne und schuf regelmäßig Werke von einer geistigen Durchdringung, die beispiellos zu ihrer Zeit war. Knalleffekte sucht man bei Brahms wie bei Steinheuer meist vergebens, doch dafür ist die Substanz grandios.

Nils Henkel (ehemals Burg Schwarzenstein): Carl Maria von Weber
Pure Nature – so lautet der Name, den Nils Henkel seinem eigenen Küchenstil verpasst hat. Die charmanten, natürlichen und doch stets geerdeten Kreationen des Grand Chefs überzeugen mit virtuosen Elementen und dezenter Optik gleichermaßen. Das rückt ihn für mich in die Nähe von Carl Maria von Weber, dem ersten deutschen Romantiker der Musik. Aus Webers Werken quillt stets eine bejahende Lebensfreude, immer nah an der Natur und mit virtuosen Effekten dezent bereichert – diese vibrierende Frische erkenne ich auch bei Nils Henkels Tellern regelmäßig.

Hans Haas (Tantris): Joseph Haydn
Der österreichische Großmeister pflegt einen klassischen Stil, der allerdings durchaus mit dezentem Humor versehen ist und ohne grüblerische Komplexität auskommt. Das rückt ihn für meine Begriffe in die Nähe von Joseph Haydn, dessen leicht zugängliche Musik trotz aller Eleganz immer wieder mit spaßigen Elementen garniert ist. Außerdem wurde Haas für meine Begriffe eine ähnlich lange Zeit wie Haydn unterschätzt.  

Jan-Christoph Berner (Söl’ring Hof): Edvard Grieg
Die durchaus herb und typisch norddeutsch anmutenden Kreationen in Sylts Vorzeigelokal haben eine Ähnlichkeit mit den Werken von Edvard Grieg, dem die große Geste viel weniger bedeutete als die kleine und kompakte Aussage. Berners Küche kommt ebenfalls trotz ihrer Eleganz ohne großes Brimborium aus und bezieht ihre Qualität oftmals aus den sorgsam herausgearbeiteten Details, die auch gerade kleinere Amuses so ausgezeichnet gelingen lassen. Außerdem sind Grieg und Berner für mich ähnlich bescheiden gebliebene Charaktere.

Heinz Winkler (Residenz Heinz Winkler): Anton Bruckner
Zu seiner Blütezeit war es definitiv die monumentale Power seiner Saucen, die Winklers Gerichte unverwechselbar machte. Was auf den Teller kommt, ist klar strukturiert und doch von erhabener Größe. All dies erinnert mich an Bruckners Sinfonien, deren Orchestrierung ähnlich wie bei einer Orgel von der Klarheit einzelner Orchestergruppen und nicht wie etwa bei Brahms von Mischklängen dominiert wird. Bei Bruckner sind es die Blechbläser, die seinen Werken Glanz verleihen – bei Winkler die besten Produkte und klare Formen, die in Szene gesetzt werden.  

Eckart Witzigmann (ehemals Aubergine): Johann Sebastian Bach
So wie Bach einst die Musik seiner Zeit mit bis dahin ungekannter geistiger Durchdringung und beispielloser Virtuosität erneuerte, so tat dies Eckart Witzigmann, als er maßgeblich zum neuen deutschen Küchenwunder beitrug und aus seinen Gerichten all das verbannte, was deutsche Esskultur bis dahin ausgemacht hatte: Konservenfutter, Segmentteller und lieblose Anhäufungen voller unterdurchschnittlicher Produkte. An deren Stelle traten herausragende Viktualien (die damals nur auf abenteuerlichen Wegen zu beziehen waren) und eine Präzision bei der Zubereitung, die ihn nicht ohne Grund zu einem der Köche des Jahrhunderts werden ließen.

Harald Wohlfahrt (ehemals Schwarzwaldstube): Richard Wagner
Der Vergleich von Wohlfahrts französischer Küche mit dem deutschen Komponisten Wagner ist für mich legitim, denn – man glaubt es kaum – der beliebteste Opernkomponist im Frankreich des 19. Jahrhunderts war nun einmal der Meister aus Bayreuth. Ein Besuch bei Wohlfahrt glich stets einer Eintrittskarte zu einem abendfüllenden, titanischen Ereignis – ganz so wie sich das Wagner selbst von seinen Opern erhoffte. Trotz einer etwas demütigeren Inszenierung als bei Wagner gab es hier stets grandiose Gerichte von unvergleichlicher geschmacklicher Tiefe, die Gäste aller Couleur zu Schwärmereien veranlassten. Der Anspruch Wohlfahrts, stets ganz oben zu bleiben, hätte Wagner, der gewiß nicht unter falscher Bescheidenheit litt, sicherlich auch gefallen.

Jean-Claude Bourgueil (Im Schiffchen): Sergej Rachmaninoff
Die genuin konservative Denkweise und das üppige Klangbild des russischen Spätromantikers Rachmaninoff finden eine Entsprechung bei Jean-Claude Bourgueil, dessen Gerichte schwerlich als Ikonen der Avantgarde zu bezeichnen sind, die aber stattdessen mit vergleichbar ausladender Opulenz und gewissen Schauwerten punkten – ähnlich wie in Rachmaninoffs Musik.  

Christian Grünwald (August): Sergej Prokofieff
Das Enfant terrible der russischen Musik war ein bekennender Verächter der Musik von Mozart. Stattdessen krempelte er so ziemlich alles um, was die Musik bis dato ausgemacht hatte und kreierte seinen eigenen bohrenden, unbequemen und hochgradig individuellen Stil voller Sarkasmen und Ironie. Bei Christian Grünwald, der ohne renommierte Lehrmeister auskommt, sehe ich etliche Parallelen: alles Traditionelle wird hinterfragt und um jeden Preis durch neuartige ästhetische Erfahrungen ersetzt. Kein Wunder, dass dieser Küchenstil aneckt, doch gleichzeitig immer wieder höchst bemerkenswerte Ergebnisse hervorbringt. Außerdem ist meiner Auffassung nach die ganz große Anerkennung beiden Protagonisten verwehrt geblieben.

Sebastian Frank (Horváth): Béla Bartók
Die perkussive Direktheit und bisweilen primitive Rohheit der Bartók’schen Musik, die einen so verstört und doch gleichzeitig fasziniert, erlebt man in kulinarischer Form bei Sebastian Frank. So wie Bartók oft auf Folklore zurückgriff, so verzichtet auch Sebastian Frank auf exquisite Produkte und setzt stattdessen vor allem auf einfache Gemüsesorten. Die Kreationen sind sehr direkt in der Präsentation, ausdrucksstark und fordernd – wer hier einkehrt, der sollte ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit für die bisweilen grellen Effekte mitbringen.  

Hendrik Otto (Lorenz Adlon Esszimmer): Gioacchino Rossini
Angesichts des feudalen Rahmens würde man auch nichts anderes als eine opernwürdige Inszenierung erwarten, doch im Gegensatz zu manch anderem Kollegen pflegt Hendrik Otto einen leichteren Stil, der humorvollen Inszenierungen gegenüber durchaus nicht abgeneigt ist. Der Küchenstil selbst ist zwar nicht italienisch, aber bei der Emotionalität drängt sich mir der Vergleich mit den großen komischen Opern von Rossini durchaus auf. Randnotiz: Rossini war bekanntlich nicht nur humorvoll, sondern selbst ein Gourmet mit stattlicher Leibesfülle, der auch Speisekarten vertonte.

Martin Fauster (ehemals Königshof): Richard Strauss
Gemessen an zeitgleich entstandenen Werken eines Arnold Schönberg muss man Strauss sicherlich zu den konservativeren Vertretern seiner Zeit zählen. Die Vorliebe für großflächige Werke mit beispielloser Farbigkeit in der Orchestrierung findet für mich eine Entsprechung bei Martin Fauster, dessen klassische Küche ebenfalls traditionsverbunden ist, aber gleichzeitig die monumentale Geste und Pracht eines Richard Strauss unter einen Hut bringt. Wer jemals Fausters Hummer „Thermidor“ dort probiert hat, wird wissen, wovon ich rede.

Thomas Bühner (ehemals La Vie): Olivier Messiaen
Einer der größten Neuerer, der gerne mit neuen Techniken und Küchengeräten experimentiert, ist Thomas Bühner. Dies führt zu absolut unvergleichlichen und verblüffenden Kreationen, die den kulinarischen Horizont erweitern. Ähnlich wie der französische Komponist Messiaen interessiert sich Bühner auch für fernöstliche Elemente. Olivier Messiaens Musik ist ähnlich schillernd und entzieht sich so ziemlich jedem Vergleich, weil die verwendeten Kompositionstechniken ebenfalls so neuartig waren und kaum Vergleiche zuließen. Bei Messiaen kann man Klangwelten von ungeahnter Schönheit erleben – bei Bühner konnte man kulinarische Höhenflüge voll kleinteiliger Effekte und verblüffender Produkte erleben. Schade um die Sschließung, aber c’est La Vie!