Ludwig van Beethoven (1770 – 1827): Diabelli-Variationen op. 120 (Standardrepertoire)

Ludwig van Beethovens großer und letzter Variationszyklus ist quasi die Quintessenz einer lebenslangen Beschäftigung mit dem Komponieren. Der Zyklus über den banalen Walzer von Anton Diabelli scheint das ganze Kaleidoskop an menschlichen Emotionen in sich auf engstem Raum zu vereinen: beispielsweise Stolz, Wut, Freude, Intimität, Niedergeschlagenheit, innere Einkehr, Demut – und nicht zu vergessen: Humor. Das sei hier nur deshalb erwähnt, weil in jüngster Vergangenheit etliche ernstzunehmende Versuche unternommen wurden, sich diesem Werk in streng wissenschaftlicher Hinsicht zu nähern (Michael Korstick mag hier der extremste Fall sein). Gerade in diesen Interpretationen wird der Humor aber meistens in lediglich homöopathischen Dosen verteilt – und damit fehlt meines Erachtens dem Werk eine unabdingbare Komponente, ohne die der Ausnahmerang dieses Werkes gar nicht gewährleistet wäre. Diesem gigantischen Werk, das sich in puncto kompositorischer Meisterschaft und Qualität eigentlich nur noch mit Bachs Goldberg-Variationen vergleichen ließe, gerecht zu werden ist eine titanische Aufgabe, der nur wenige Einspielungen gerecht werden. Ich habe hier keinen ganz klaren Favoriten und stelle daher einige Alternativen vor.

Die Aufnahme, der ich in letzter Zeit den Vorzug gab, ist diejenige von Claudio Arrau. Sie kommt meines Erachtens der oben geschilderten Anforderung am nächsten und wirkt am ausgeglichensten. Die Aufnahme ist in der Box, die bei den Beethoven-Sonaten empfohlen wurde, enthalten. Daher sei hier nur die einzelne Aufnahme nochmals angeführt.

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Eine sehr korrekte, aber auch ziemlich klinisch und steril wirkende Aufnahme ist diejenige von Maurizio Pollini. Natürlich kann man eine Aufnahme dieses Beethoven-Spezialisten schwerlich ignorieren, doch Humor war bekanntlich noch nie eine Stärke des Italieners, der vor allem eher bei strukturellen Werken besonders zu überzeugen weiß. Daher hege ich gegen diese Aufnahme leichte Vorbehalte – Kritikerlegende Joachim Kaiser von der Süddeutschen Zeitung hält sie hingegen für die klar beste.

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Eine sehr zügige Aufnahme ist diejenige von Wilhelm Backhaus, der trotz aller Wiederholungen nach bereits 43 Minuten im Ziel ankommt. Die Aufnahme ist sicherlich geprägt vom Geist der damaligen Zeit, werkdienlich, möglichst notengetreu und unter Zurückstellung der eigenen Persönlichkeit zu spielen. Backhaus war nun einmal ein Kind seiner Zeit und legt hier ein Musterbeispiel für eine Interpretation, wie man sich dem Werk vor einem halben Jahrhundert annäherte, vor. Nicht unbedingt zeitgemäß, aber dennoch beachtlich!

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Eine vergleichsweise gemächliche, aber sich alle Zeit nehmende Aufnahme legte Grigori Sokolov vor. Die durchdachte Aufnahme punktet mit Detailgenauigkeit und originellen interpretatorischen Ansätzen. Die Klangqualität der Live-Aufnahme mit dem metallischen Klang des Flügels dürfte aber so manchen Puristen abschrecken.

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Zu guter Letzt sei noch auf eine Aufnahme Sviatoslav Richters verwiesen, der natürlich zu den größten Pianisten aller Zeiten zählt. Seine Live-Aufnahme aus den 80er-Jahren demonstriert einerseits durch leichte technische Mängel, dass der Zenit des Ukrainers zu jener Zeit schon überschritten war, punktet aber dennoch durch die unbändige Kraft und Wucht im Spiel dieses Ausnahmepianisten.

Wer mag, kann gerne eine der älteren Aufnahmen in der vollkommen unübersichtlichen Diskographie dieses Pianisten suchen. Ein Wort der Warnung dazu: meist sind diese Aufnahmen nur in geringer Stückzahl produziert worden, praktisch vergriffen und daher selbst im gebrauchten Zustand meist sehr teuer. Außerdem muss mit einer erheblich schlechteren Klangqualität als bei der unten angegebenen Philips-Aufnahme gerechnet werden, selbst wenn diese schon schwerlich als optimal bezeichnet werden kann.

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