Meierei Dirk Luther**, Glücksburg

April 2018

Das Vitalhotel Alter Meierhof in Glücksburg liegt direkt an der Flensburger Förde und darf mit Fug und Recht als eines der allerbesten Wellnesshotels von Norddeutschland bezeichnet werden. Glücksburg liegt 10 Kilometer östlich von Flensburg und hat außerdem ein berühmtes Wasserschloss sowie die für ausgedehnte Wanderungen vorzüglich geeignete Halbinsel Holnis, die zugleich Deutschlands nördlichsten Punkt auf dem Festland markiert, zu bieten.

Kein Wunder also, dass es diesem Vorzeigehaus nie an Gästen fehlt, die Outdoor-Aktivitäten, Wellness und Genuss auf höchstem Niveau miteinander verquicken wollen. Kulinarisches Aushängeschild des Hauses ist die Meierei Dirk Luther, ein mit 18 Punkten im Gault&Millau und zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetes Lokal. Es kommt nicht so oft vor, dass der Chefkoch gleichzeitig der Patron des Hauses ist, aber wie ich zum wiederholten Male feststellen konnte, gelingt Dirk Luther der Spagat ganz ausgezeichnet und scheinbar ohne große Mühe. Dies ist auch das Verdienst der emsigen und aufmerksamen Servicebrigade im gesamten Haus, die nicht zuletzt dank der ausgezeichneten Stimmung einen untadeligen und sehr angenehmen Job macht.

Das vor wenigen Jahren neu gestaltete Lokal punktet mit lichten Farben und einer interessanten Lichtinstallation an der Decke. Die hölzernen, lasierten Tische bestehen aus ehemaligen Planken und wirken doch keineswegs klobig. Haupttrumpf des Hauses ist und bleibt jedoch der von allen Plätzen aus zu erhaschende Paradeblick auf die Flensburger Förde bis nach Dänemark (mit Sonnenuntergang inklusive). Da besteht schon einmal die Gefahr, dass der Blick recht oft vom Teller abschweift …

Zum Einstieg ins Menü serviert man passend zu diesem Ostersonntag ein goldenes Ei, das mit gestocktem Eigelb und Sherryessig gefüllt ist. Getoppt wird dieser intensive und gelungene Aromenflash mit etwas Kartoffelespuma. Dazu lasse ich mir ein Glas spritzigen Frucht-Secco aus dem Hause Van Nahmen (Apfel – rote Johannisbeere – Himbeere) einschenken. Es folgt ein bildschön drapierter Reigen an Amuses: da wären beispielsweise gelierte Gartenkresse auf einem Brotchip, ein krosses Röllchen mit Ziegenfrischkäse oder Büsumer Krabben auf einem Krabbenchip mit etwas Senfgurkengel obenauf. Allesamt intensive Happen, was hingegen von der seltsam ausdruckslosen und matten Avocadomousse mit Tomate und Sardelle nicht behauptet werden konnte. Als Gruß aus der Küche tischt man ultrafrischen Färöer-Lachs auf, der in einem Gurkensud schwimmend mit etwas Gurkenmousse und Ceta-Kaviar schön in Szene gesetzt wird. Nach diesen Entrées wird schnell klar, dass Fisch und Meeresfrüchte wenig überraschenderweise eine echte Domäne von Dirk Luther sind. Die Brotauswahl offeriert zu gesalzener Butter aus der Normandie immerhin fünf hausgemachte Brotsorten, deren ungewöhnlichste diejenige ist, deren Teig mit Flensburger Bier veredelt wurde. Der geneigte Gast stellt sich sodann aus einer Auswahl von elf Gerichten ein Menü von maximal acht Gängen zusammen, das € 189 kostet.

Der Einstieg mit Hamachi (Gelbflossenmakrele) gerät überzeugend, wenngleich die kreisrund angeordneten Tranchen von einem recht herben Petersilien-Dashisud begleitet werden. Die sparsam dosierte Eigelbcrème federt den Kontrast jedoch wohltuend ab, und der weiße Spargel veredelt das ohnehin schon elegante Gericht nochmals spürbar – die Betriebstemperatur ist erreicht.

Gedämpfte Jakobsmuschel setzt Dirk Luther mit Brunnenkresse, Dillsud und Saiblingskaviar in Szene. Die Gerichte sind oft wesentlich komplexer in der Zubereitung als die bloße Ankündigung vermuten ließe. Der Service muss eine recht beachtliche Gedächtnisleistung abliefern, um den Facetten des Gerichts annähernd gerecht zu werden. Beispielsweise wird dieses frühlingshaft frische Gericht noch zusätzlich mit Zunge vom Seeigel begleitet. Genau wie der erste Gang sehr ordentlich, aber zu diesem Zeitpunkt bin ich dennoch überzeugt, dass der Chef noch mehr auf Lager hat …

… und prompt nimmt die Menüfolge bei Filet von der Seezunge nun richtig Fahrt auf. Das à point gegarte Filet hat genau die richtige Mischung aus Biss und Saftigkeit. Nichts soll dem Hauptdarsteller die Schau stehlen, sodass lediglich eine ungeheuer tiefe Morchelsauce, etwas Zitrone und grüner Spargel die umrahmenden Begleiter in einem sensationellen Gang darstellen.

Auch die bretonische Langustine wird eher puristisch, aber ganz vortrefflich in Szene gesetzt: etwas hinreißende Krustentierjus und Erbsen in dreierlei Form (Sud, geliert und „pur“) reichen schon aus, um diesen Gang in ungeahnte Dimensionen zu hieven – ein ganz starkes Gericht, das vollkommen unverkrampft und durchdacht daherkommt.

Ich bin gespannt, ob nun mit dem Verlassen des maritimen Bereichs die Menüfolge etwas nachlassen wird – tut sie (jedenfalls vorerst) nicht, wie die gebratene Entenstopfleber sogleich beweist. Die mit etwas Gewürzlack ummantelte Leber wird lediglich von Apfel in allen nur denkbaren Texturen begleitet. Des Pudels Kern ist jedoch die Füllung der Leber mit herzhaftem Räucheraal, der eine wunderbare fleischige und an Speck erinnernde Nuance ins Spiel bringt. Zusammen mit dem Lack ergibt dies eine verblüffende Liaison, die der oft nachgesagten Langeweile und Vorhersehbarkeit von Gänseleber-Gerichten entgegen tritt. Glänzend!

Nach diesen drei Krachern gerät das Hauptgericht für meine Begriffe dagegen eher enttäuschend: die Impérial-Taube (Brust und Keule) ist grenzwertig kurz gebraten, und auch die Begleitung mit Sellerie, Buchenpilzen und schwarzem Knoblauch bietet für meine Begriffe eine wenig aussagekräftige und etwas diffus anmutende Begleitung – ein Gang ohne bleibende Eindrücke.

Auch der Käsegang kann mich nicht wirklich überzeugen: selbst wenn der cremige Taleggio ganz ausgezeichnet schmeckt, so wirkt die Komposition mit Bratkartoffelsud, Majoran und Lauch dennoch wie ein Gericht, das sich der geneigte Amateur (jedenfalls mit Ausnahme des Suds) auch bei einem Raclette-Abend zusammenstellen könnte. Der originelle Teller wirkte so, als wollte er von dieser substantiellen Schwäche ablenken. Ist der gute alte Käsewagen ohnehin schon vom Aussterben bedroht, so gilt dies für Käsegerichte erst recht. Die Anzahl überzeugender Käsegerichte in Sterne-Restaurants in meinem ganzen Leben könnte ich immer noch mühelos an zwei Händen abzählen – und auch dieses Exemplar wird keinen Eingang in die kurze Liste finden.

Mit dem Pré-Dessert verlässt die Küche jedoch die Niederungen von Fleisch und Käse, deren Stärke nun einmal beide nicht sind. Ein Kokos-Curry-Eis mit Passionsfruchtsorbet und frischen Früchten punktet mit geschmacklicher Tiefe und komplexem Geschmacksbild.

Ein echter Hingucker ist nochmals das eigentliche Dessert: Dessert von der Rose mit Shisokresse, Himbeere und weißer Schokolade. Hier fährt die Patisserie alle Geschütze auf und offeriert nicht nur ein so schönes Gericht, dass man es kaum zerstören möchte, sondern schafft ein enorm diffiziles und facettenreiches Dessert, das elegant schwankt zwischen der leichten Bitterkeit der Kresse und den süßeren Komponenten, die in einer Vielfalt an Texturen dargeboten werden, dass es die reine Wonne ist. Verblüffend gut!

Wer nach den fünf hausgemachten, exzellenten Petits fours noch nicht genug hat, kann zum Ende noch aus einer dekadenten Auswahl an hausgemachten Pralinen wählen – ich entscheide mich für Tonkabohne, Nougat und Limette.

Sommelier Tim Blaszyk leitet eine aufmerksame und stets präsente Servicetruppe noch recht junger Männer. Mit Charme, Lockerheit und Souveränität wird der Gast zwanglos und leichtfüßig durch den Abend geleitet. Auch Chefkoch Dirk Luther ließ sich kurz an unserem Tisch blicken, wenngleich das Gespräch eher etwas pflichtbewusst als herzlich wirkte. Die Kosten für den Gast bewegen sich in etwa in dem Rahmen, den man bei einem solchen Haus erwarten darf, so dass auch hier keinerlei übertriebene Preispolitik den Abend irgendwie trüben würde.

Die Leistung der Küche überzeugte über weite Strecken an diesem Abend – und doch kommt es nicht ganz von ungefähr, dass der GUSTO jüngst dem Haus vorübergehend eine Pfanne entzog und die Höchstwertung von 10 Pfannen momentan auf 9 Pfannen herabstufte. Speziell das Hauptgericht und der Käsegang ließen doch die ganz große kulinarische Aussage vermissen. Außerdem scheint die klassisch französische Grundhaltung derzeit eher ein wenig in die japanische Richtung abzudriften – mit wechselhaftem Erfolg, da die stilistische Ausrichtung weder in die eine noch in die andere Richtung derzeit komplett ausgereift wirkt. An Highlights mangelte es dem Menü dennoch nicht, und so bleibt dies natürlich ein Jammern auf hohem Niveau. Produktqualität und Zubereitung sind nach wie vor makellos – nur beim Geschmack haperte es hin und wieder ein wenig. Zu den Top 20 von Deutschland zähle ich dieses Lokal allemal, und zu den besten drei von Schleswig-Holstein (zusammen mit dem Söl’ring Hof in Rantum und dem Courtier in Weissenhaus) darf es ebenfalls gezählt werden. Ein Besuch hier lohnt sich also mit Sicherheit, zumal auch die attraktiven Rahmenbedingungen einen Aufenthalt der besonderen Art garantieren.