Sergej Prokofieff (1891 – 1953): Toccata op. 11 (Standardrepertoire)

Spätestens mit Prokofieffs frühem Meisterwerk war auch Russland in der Moderne angekommen. Während Rachmaninoff Zeit seines Lebens eher reaktionär blieb, war der aufbrausende Prokofieff das genaue Gegenteil davon. Die bohrenden Repetitionen zu Beginn erinnern ein wenig an russische Futuristen (deren Werke häufig mit Geräuschen von Maschinen oder Imitationen davon durchsetzt waren – man denke etwa an Mossolovs Orchesterwerk Eisengiesserei als berühmtestes Beispiel). Die völlig antiromantische Musik ist von einem starken Interesse an den perkussiven Eigenschaften des Instruments geprägt und bricht kompromisslos mit Traditionen. Rachmaninoff verabscheute erwartungsgemäß das Stück, doch diese radikale Manifestation der russischen Moderne konnte sich bis heute im Repertoire behaupten, ohne dabei etwas von ihrer verstörenden Qualität einzubüßen.

Drei Interpretationen seien hier vorgestellt. Als erstes sei auf die Aufnahme von Abdel Rahman El Bacha (dem kein Geringerer als Claudio Arrau ein großes Talent attestierte) hingewiesen. Sie ist die mit Abstand technisch sauberste Version und doch irgendwie kontrovers – den einen wird die makellose Technik imponieren, während den anderen das aufbrausende Element viel zu kurz kommen wird. Mit anderen Worten: eine Aufnahme für Puristen.

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Die bekannteste Einspielung (die auch heute noch hoch gehandelt wird) ist auf dem Debüt-Album von Martha Argerich zu finden. Hier finden zwei temperamentvolle Charaktere zueinander, was zu einem spannenden Adrenalin-Rausch führt. Technisch nicht so makellos wie die obige Aufnahme, aber ungleich aufregender.

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Die diabolischste Version spielte Vladimir Horowitz ein: man sollte von diesem „letzten Romantiker des Klaviers“ nicht unbedingt erwarten, dass er ein solches Werk überhaupt in sein Repertoire aufnimmt. Und doch: stimmiger könnte seine Interpretation kaum sein. Sie ist in einem solchen Maße abgründig und düster, dass man kaum glauben mag, wer sie einspielte!

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