Sergej Prokofieff (1891 – 1953): Klaviersonaten 6 op. 82, 7 op. 83 und 8 op. 84 (Standardrepertoire)

Die allesamt während des 2. Weltkriegs entstandenen drei sog. „Kriegs-Sonaten“ stellen den Gipfelpunkt im Klavierwerk von Sergej Prokofieff dar. Das Enfant terrible der sowjetischen Musik fängt in diesen drei Werken alle nur denkbaren Stimmungen im Zusammenhang mit den historischen Ereignissen ein: Chaos, Wut, Verzweiflung, Trotz, Triumph, Melancholie, Freude und Erinnerung an bessere Zeiten.

Svjatoslav Richter brachte alle Kompetenzen mit, die ihn zu einem prädestinierten Interpreten dieser Werke machten: unbändige Energie, scharfer Intellekt, beißender Zynismus, sichere Technik, forscher Zugriff und die Fähigkeit, das doppelbödige und hintersinnige Element in Prokofieffs Tonsprache stets ausfindig machen zu können und richtig zu deuten. In ihrer Gesamtheit ist diese Trias bislang nicht überboten worden, selbst wenn die Aufnahmen gar nicht zur gleichen Zeit und bei verschiedenen Labels entstanden sind.

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Nach einer gefühlten Ewigkeit scheint es jedoch wieder einmal eine Aufnahme zu geben, die ihr aber doch das Wasser reichen kann: die Rede ist von der Einspielung des russischen Pianisten Boris Giltburg, der als Spezialist des russischen Repertoires gelten darf. Abgesehen vom weit besseren Klang punktet seine Herangehensweise mit genau dem Schuss bissige Ironie, den diese Werke brauchen. Seine Tongebung ist schlank, transparent und knarrend in den Bässen – zutiefst beunruhigend!

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Die beste Aufnahme von Nr. 6 spielte für meine Begriffe Ivo Pogorelich ein. Der serbische Pianist genehmigt sich hier vergleichsweise wenige Freiheiten und fängt den ätzenden und sarkastischen Tonfall des Werkes, das wie entlarvte Propaganda wirkt, vortrefflich ein. Höhepunkt seiner Darbietung ist der wahnsinnig langsame Walzer, in dem die Melodien wie in einer surrealen Welt zu entgleiten scheinen und das Tor zu einer transzendentalen besseren Welt aufstoßen. (Außerdem enthält diese CD auch Ravels „Gaspard de la nuit“ in einer Darbietung, die zu den umwerfendsten aller Zeiten gezählt werden muss.)

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Die mittlere und kürzeste der Sonaten hat seit 1972 einen derart kongenialen Interpreten gefunden, dass keine andere mir bekannte Aufnahme mithalten könnte. Als Maurizio Pollini dieses Werk zusammen mit Strawinskys „Trois mouvements de Pétrouchka“ einspielte, waren die Kritiker ob der Qualität der Einspielung fassungslos. So perfekt hatte man die groteske Totentanz-Toccata (die als groteske Parodie auf Stalins tumbe und erbärmliche Rhetorik verstanden werden kann) im 3. Satz noch nie gehört, doch auch der Kopfsatz geriet noch selten so beunruhigend und verstörend wie unter Pollinis Händen. Absolut unentbehrlich!

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Nr. 8 ist bei Andrej Gavrilov, um den es inzwischen ruhig geworden ist, in besten Händen. So makellos und forsch ist das Finale bislang wohl noch selten gespielt worden, und doch fängt der Interpret die melancholische Grundstimmung zu Beginn mindestens genauso überzeugend ein. Der tumultuöse Mittelteil des Kopfsatzes wird zum Manifest Gavrilov’scher Technik, die allerdings niemals zur Schau gestellt und immer zweckdienlich eingesetzt wird. Der mittlere Satz ist wunderbar duftig und trasnparent, während der Mittelteil des Finales genau so grotesk in Szene gesetzt wird wie nur möglich. Hätte Gavrilov doch nur häufiger so gut gespielt …

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