taku*, Köln

„Die Fähigkeit, Schönes zu entdecken, zu erkennen und zu erleben, wird gespeist von der Bereitschaft, sich zu öffnen.“ (Ernst Ferstl)

Mai 2024

Direkt an der Kölner Domplatte gelegen, bietet das Excelsior Hotel Ernst nicht nur einen Paradeblick auf eine der bekanntesten und monumentalsten Sehenswürdigkeiten von ganz Deutschland, sondern auch eine gehobene, einfach besternte Küche mit deutlich asiatischem Touch: das taku unter der Leitung von Chefkoch Mirko Gaul, selbst gebürtiger Kölner. Immerhin schon seit 2012 feilt der Chef an der Verbesserung seiner kulinarischen Handschrift, welche darauf abzielt, das ursprünglich asiatische, aber meist einfach gehaltene Kolorit typischer Speisen zu dekonstruieren und mit sorgsam ausgeloteten Aromen zu verfeinern. Allzu viel vernimmt man von dem Lokal zumindest außerhalb des Rheinlands nicht, doch andererseits bin ich in der Region auch einfach zu selten zu Gast, um mir ein präziseres Urteil gestatten zu können.

Der Weg zum Lokal führt durch einen leicht zu findenden Eingang ins Untergeschoss, wo den Gast ein spärlich ausgeleuchtetes und ziemlich minimalistisches Ambiente erwartet. Sieht man einmal von dem hell illuminierten und schlanken, an einen Catwalk erinnernden Steg mitten durch das Lokal ab, wirkt alles recht schick und modern. Passend dazu sind die blanken Tische nur mit einer Platzmatte eingedeckt und zum Teil an Sitzbänke gestellt, wenn sie sich am Rande des vor allem in Brauntönen gehaltenen Raumes befinden. Ein wenig kühl, aber stylish agiert auch der in cremefarbenen Hosen, weißen Hemden und schwarzen Sakkos eingekleidete Service zunächst zu Beginn, doch schon bald entsteht so etwas wie eine gelöstere Atmosphäre. Da ich unter der Woche einkehre, bietet sich mir die willkommene Gelegenheit, das Lokal anhand eines viergängigen Carte-blanche-Menüs zum Preis von € 99 kennenzulernen, welches nur von Dienstag bis Donnerstag angeboten wird. Das sechsgängige Menü zu € 155 ist ebenfalls mehr als anständig bepreist, doch dafür wird bei den Nebenkosten mehr als spürbar zugeschlagen.

So reicht man zu einem Juicy Tea mit Rhabarber aus dem Hause Van Nahmen zwei Apéros, die recht komplex gestaltet sind: zum einen handelt es sich um ein pochiertes Ei mit Salat von weißem und grünem Spargel mit Szechuan-Pfeffer, Koriander und Paprika. Das andere Häppchen besteht aus einem Taco mit Kalamari, Limette, Koshihikari und Mandelcrème, wobei in beiden Fällen die Kombinationen durchaus gewöhnungsbedürftig klingen. Trotz sicheren Handwerks bei den Einzelkomponenten geht der Versuch, diese ungewöhnlichen Ideen in Einklang miteinander zu bringen, allerdings zu Lasten der Transparenz, weil nicht alle Komponenten gleichermaßen deutlich herauszuschmecken sind. Insofern wirken diese beiden Einsteiger, denen übrigens beim kurzen Menü kein Amuse nachfolgt, insgesamt unvollendet – als ob ein guter Einfall nicht konsequent zu Ende gedacht worden wäre und man den Eindruck hat, aus dem soliden Grundgedanken hätte sich noch mehr machen lassen.

Das hausgemachte Sauerteigbrot kommt mit zweierlei Begleitung an den Tisch: die Salzbutter ist natürlich klassisch, während das von dem anderen Aufstrich aus Bärlauchbutter mit Schnittlauch und Schnittlauchblüten schwerlich behauptet werden kann – gerade dieses inspirierte Detail hebt die Brotauswahl doch ein wenig von dem üblichen Einerlei wohltuend ab.

Ein recht farbenfroher erster Gang läutet die vierteilige Parade ein: marinierter und leicht geräucherter Loup de mer (Wolfsbarsch) befindet sich unter einem Mosaik von gelben und blauen Kartoffeln, die aromatisch deutlich voneinander zu unterscheiden sind. Dabei schwimmt die Kreation fast in einer Beurre blanc mit Schnittlauchsud und Sojaöl, wodurch eine sehr suppige und wenig vorteilhafte Konsistenz das Gericht dominiert. Vollends problematisch wird es mir der Zugabe von Kartoffelmiso, fermentiertem Knoblauch und einer Pomme soufflé: neben einer zu lauwarmen Temperierung und zu vielen ähnlichen Konsistenzen drängt sich mir der Eindruck auf, dass sich zu viele „wertlose“ Komponenten auf dem Teller tummeln. Mir fehlt insbesondere an Fokus bei diesem Gericht, denn zum einen gelingt es der Küche nicht, den spezifischen Eigengeschmack des Fischs in diesem doch diffusen Aromengeflecht herauszuarbeiten und zum anderen wirkt selbst die kleine Nocke von Ossietra-Kaviar seltsam verloren. Es überwiegt der Eindruck eines deutlich überladenen und zu massigen Entrées ohne erkennbare geschmackliche Aussage, das mich zum Auftakt ziemlich ratlos machte.

Schon in optischer Hinsicht versprach der zweite Gang bereits Besserung, denn dieser erschien ungleich reduzierter und konzentrierter als sein einigermaßen missratener Vorgänger. Der als Tataky zubereitete Label-Rouge-Wildlachs wird auf einem Buttermilchsud mit Noten von Amalfi-Zitrone platziert, dessen animierende Säure dem festfleischigen Fisch keinesfalls die Show stiehlt, sondern diesen im Mittelpunkt belässt und ihn aromatisch mit adäquater Spannung begleitet. Durch das intensive Sorbet von Wildkräutern mit Kohlrabi und gepufften Tapiokaperlen bekommt dieser überzeugend balancierte Gang sogar einen reizenden grünen Anstrich, dem trotzdem nichts Forciertes anhaftet. Durch den Biss der Perlen kommt der kontrastierende Schmelz des Hauptdarstellers besser zu Geltung, so dass ein zwei Klassen besserer Eindruck entsteht und der Nachweis der Sternetauglichkeit mit leichter Verspätung souverän nachgereicht werden konnte.

Trotz der spärlichen Ausleuchtung erkenne ich, dass die dreiköpfige Männerrunde am Nebentisch ein geradezu groteskes Erscheinungsbild abgibt: jedenfalls ist es mir noch nie untergekommen, dass drei so heterogen gekleidete Personen an einem Tisch Platz genommen hätten: einer der Gäste ist im Anzug gekleidet erschienen, während der zweite recht leger angezogen ist und der dritte gar mit Baseball-Kappe auf dem Kopf und Freizeitkleidung am Tisch sitzt. Sachen gibt’s!

Zurück zum Geschehen auf dem Geschirr: trotz einer recht zügigen Abwicklung bleibt festzuhalten, dass in puncto Zubereitung das beste Einzelprodukt des Abends fraglos die saftstrotzende, gebratene Brust der Challans-Ente ist. Gebettet auf Ponzu mit Szechuan, hätte man diese notfalls auch ohne die etwas verspielt wirkende Begleitung verzehrt. Jedenfalls hätte die Maispolenta mit Süßmais, Paprika und Chili gerade wegen der variablen Schärfe und den reduzierten Mitteln meines Erachtens gut ohne das effektheischende, aber geschmacklich entbehrliche Popcorn auskommen können. Da wirkt der Rückgriff auf die japanische Zitrusfrucht Iyokan und Jalapeño zur Aromatisierung der Ponzu wesentlich überzeugender. Das herzhafte Geflügel überstrahlte jedoch alles auf dem Teller derart mühelos, dass eine weniger aufwendige Begleitung auch genügt hätte und der Teller dadurch vermutlich noch an Reiz gewonnen hätte.

Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn mein erster Eindruck nach dem Auftragen des Desserts zugetroffen hätte: die bekannte Kombination von Erdbeere und Yuzu führt ganz gerne dazu, dass eine ganze Palette an Texturen davon ablenken muss, wie wenig die Idee bei genauer Betrachtung doch hergibt. Allerdings gebe ich unumwunden zu, dass ich diesmal falsch lag: die hinter dem Sorbet platzierte, quer über den Ring aus Buttermilchcrème verlaufende Hippe macht den Unterschied aus: sie wurde aus Oliven gefertigt und ist nicht nur mit Texturen von Olive, sondern auch mit kandiertem Brot belegt. Angesichts der kunstvoll darauf drapierten Details und des präsenten, wenig erwartbaren herben Aromas, welches von diesem beachtlichen Einfall ausgeht, kann man getrost darüber hinwegsehen, dass Schokocrumble und Erdbeer-Yuzu-Sud eher routinierte Elemente darstellen. Dank der gelungenen Überraschung wandelte dieser süße Ausklang letztlich doch erkennbar abseits gepflegter Langeweile und vermochte zu überzeugen.

Die Petits fours schneiden klar überdurchschnittlich ab und bestehen aus zwei Pralinen von Basilikum-Limette bzw. Pistazie. Hinzu gesellen sich noch ein Sandwich mit Chantilly, Buttermilch und Zitrone sowie der unumstrittene Höhepunkt des Quartetts, nämlich ein Rote-Bete-Macaron mit Shiso und weißer Schokolade. Nach dem etwas verhaltenen Beginn hatte die Küche zum Ende hin die Betriebstemperatur nicht nur erreicht, sondern auch aufrecht erhalten können.

Was bleibt nun von diesem Abend? Überraschend schwierig erscheint mir auch jetzt noch eine adäquate Beschreibung des Stils von Mirko Gaul, obwohl dieser hier seit zwölf Jahren als Chefkoch agiert und nächstes Jahr das vierte Jahrzehnt seines Lebens vollendet. Seinem zweifellos weltoffenen Stil mangelt es nicht an Ideen oder handwerklicher Akkuratesse, wohl aber bisweilen an einem Gespür für Proportionen und Zurückhaltung. Fast jeder Teller hätte ohne Weiteres mit zwei bis drei Komponenten weniger auskommen können, die letztlich nur wenig beitrugen und damit recht entbehrlich erschienen. Gerade vor dem Hintergrund, dass er seinen Hauptprodukten immer wieder überraschend großen Geschmack zu entlocken vermag (wie beim Lachs oder der Ente), verwundert es umso mehr, dass die Küche immer wieder der Versuchung erliegt, die Teller mit unnötigem Beiwerk zu überfrachten und sie dadurch letztlich eher zu verwässern. In Summe war der reduzierte zweite Fischgang der fraglos gelungenste des Abends, während sein Kompagnon im ersten Gang wegen völliger Überfrachtung in meiner Gunst fast komplett durchgefallen wäre. Immer wieder erscheint das Manko zurückzuführen auf den Wunsch, die Optik stärker aufzuwerten – wogegen nichts einzuwenden ist, solange es nicht erkennbar zu Lasten des Geschmacks geht. Die Küche dürfte jedoch einen Irrweg einschlagen, wenn sie glaubt, eine mondäne Küche müsse um jeden Preis durch knallige Effekte aus sich aufmerksam machen – solche Kritikpunkte sind für mich auch nicht mit Tagesform zu erklären, sondern auf prinzipielle Denkweisen zurückzuführen, die ich als fragwürdig erachte. Gerade das Tataky beweist, dass der gewünschte Effekt auch mit weniger Show zu erreichen ist. Für ein noch fundierteres Urteil wäre das sechsgängige Menü sicherlich noch aussagekräftiger gewesen, doch an meinen grundsätzlichen Beobachtungen halte ich zunächst mal fest, auch wenn eine weitere Einkehr irgendwann doch neue Erkenntnisse einbringen sollte.

Der Service agiert ohne Fehl und Tadel (wenngleich der an meinem Tisch arbeitslose Sommelier offenbar glaubt, ich sei ein ausländischer Gast, und mir daher beim Vorbeigehen stets „Enjoy your meal!“ wünscht), liefert aber keine erinnerungswürdige Leistung ab. Das Missverständnis mit dem Sommelier habe ich dann doch noch aufgeklärt, aber angesichts enormer Nebenkosten und der etwas unsteten Darbietung war mir nicht übermäßig zum Lachen. Wenigstens sorgte der Menüpreis für eine deutliche Aufhellung.

Das dargebotene Mahl schrammte nur denkbar knapp an 16 Punkten vorbei, doch vereinzelte Highlights wie die herausragende Zubereitung einzelner Produkte oder der wirklich exzellente Macaron ersparten dem Lokal dieses Urteil dann doch. Sternerestaurants mit erkennbar japanischen Elementen gibt es inzwischen jedoch zuhauf in der Bundesrepublik, weshalb eine Einkehr hier nicht unbedingt zur Pflicht ausgerufen werden muss – da haben andere doch erkennbarer die Nase vorn.

Mein Gesamturteil: 17 von 20 Punkten

 

taku
Trankgasse 5 (Domplatz)
50667 Köln
Tel.: 0211/2703909
www.taku.de

Guide Michelin 2024: *
Gault&Millau 2024: 2+ Toques
GUSTO 2024: 8 Pfannen
FEINSCHMECKER 2024: 3 F

4-gängiges Carte-blanche-Menü: € 99