NeoBiota*, Köln

„Die Hoffnung ist ein gutes Frühstück, aber ein schlechtes Abendessen.“ (Francis Bacon)

Mai 2024

Etwas versteckt im Westen der verwinkelten Kölner Altstadt liegt ein Restaurant, das sich völlig zwanglos, hip und am Puls der Zeit gibt: das NeoBiota von Sonja Baumann und Erik Scheffler. Hat man das Lokal erst einmal gefunden, betritt man ein lichtdurchflutetes Ambiente mit viel Holz und modernen Werkstoffen, das einen fast wohnlichen Charakter hat. Ich kehre allerdings nicht mittags oder abends ein, denn dieses Sternerestaurant offeriert auch von Dienstag bis Samstag ab 10 Uhr ein reichhaltiges Frühstück, das nahezu nach Belieben zusammengestellt werden kann – ein Fakt, der mich zugegebenermaßen neugierig gemacht hat.

Hinter dem Tresen mit Herd steht in Form von Sonja Baumann eine echte Powerfrau, die sich nicht scheut, morgens für das Frühstück zu sorgen und abends erneut anzutreten. Dann arbeitet sie zusammen mit Eric Scheffler, ihrem Partner – nur am Herd, nicht aber im Privatleben. Diesen lerne ich zwar wegen der ungewöhnlichen Besuchszeit nicht kennen, aber auch ohne seine Anwesenheit wirkt die junge Truppe auf mich nicht nur dynamisch, sondern auch vollkommen überzeugt von dem, was sie tut. Restaurants mit ausgeprägt grüner Stilistik sind inzwischen keine solche Seltenheit mehr wie sie es noch vor zehn Jahren waren, aber die Idee, hier neben dem Abendmenü noch ein raffiniertes Frühstück anzubieten, hebt das Lokal dann doch wieder aus der Masse heraus.

Wer den besonderen Anlass mit einem Glas Sekt feiern will, darf dies selbstredend gerne tun, doch neben Tee, Kaffee und Säften findet man auch so manche modische Erfrischung wie Hauslimos oder Kombucha auf der Karte. Des weiteren kann man drei Gänge zum Preis von € 35 selbst zusammenstellen, weshalb ich genau von dieser Option Gebrauch mache und versuche, mir einen möglichst aussagekräftigen Querschnitt auszuwählen.

So reicht man als erstes „Ei Benedict“, das allerdings mit dem Original recht wenig zu tun hat. Anstelle typischer Zutaten wie Kochschinken, Hollandaise oder Muffins serviert man hier eine Variante mit pochierten Eiern, Spargelsalat, pikantem Tomatenschaum und Röstbrot. Das Bild lässt schon erahnen, dass Nachhaltigkeit und gesundheitliche Aspekte hier eine wesentlich bedeutsamere Rolle als traditionelle Interpretationen spielen. So kommt es, dass knackfrische grüne Elemente und der wunderbar prominent in Szene gesetzte Spargel (ohne Hollandaise!) dem Gericht einen Twist verleihen, der ihm jede Vorhersehbarkeit nimmt und ganz nebenbei noch zu einem zauberhaften und doch gesunden Genuss führt. Puristen stören sich vielleicht am Mangel an Authentizität und dem Maß an sich selbst gestatteten Freiheiten, aber allen anderen dürfte grundsätzlich der Erlebniswert dieser eigenwilligen Auslegung zusagen. Dass dieser Klassiker auch noch in einer betont saisonalen Variante dargeboten wird, macht die Sache nur noch interessanter!

Der zweite Teller besteht aus „heißem Hund“ (der wirklich so annonciert wird und die englische Bezeichnung des „Hotdogs“ offenbar bewusst vermeidet), wobei von dem amerikanischen Klassiker nicht mehr allzu viel übrig bleibt. Sei’s drum, denn während die meisten das sattsam bekannte Original sicherlich schon hundertmal in ihrem Leben gegessen haben, wartet diese eigenwillige Variante mit einer Überraschung nach der anderen auf. Das beginnt schon mit dem untypischen Brioche-Bun und setzt sich fort mit Spitzkohlsalat und der im Rheinland besonders beliebten Blutwurst, die hier auch als Flöns bezeichnet wird. Eingelegte Gurken und Zwiebeln erweisen der eher dänischen Variante des Hotdogs die Ehre, während der Kiwiketchup – ja, Sie haben richtig gelesen! – eine geradezu tollkühne Idee darstellt, welche diesen Einfall genial abrundet. Ausgelassen, grün, modern interpretiert und dabei noch ziemlich gesund – was will man mehr?!

Den Abschluss bildet „Armer Jan“, ein weiterer rheinischer Klassiker, welcher „Armen Ritter“ mit „Himmel un Äd“ kombiniert. In einer Art French Toast interpretiert, findet man mit der Blutwurst aromatisierten (!) Toast, frittierte Röstzwiebeln und Texturen von Apfel (auf das recht typische Kartoffelpurée wurde dagegen verzichtet). Es ist bemerkenswert, wie es dieser Küche gelingt, reichlich Lokalkolorit in die Gerichte zu integrieren: anstatt in deftige Wirtshausküche abzudriften, werden die Gerichte frühstücks-tauglich mit grünen Elementen bekömmlicher gestaltet und gleichzeitig mit einer ganz individuellen Note auf unverwechselbare Art gestaltet. Respekt!

Dieses in jeglicher Hinsicht außergewöhnliche Frühstück läutete den Tag auf hinreißende Art ein, wenngleich man sich bei einem Besuch darüber im Klaren sein muss, dass man das Lokal erst kurz vor der Mittagszeit wieder verlässt. Das Konzept hinter diesem Projekt scheint mir voll tragfähig und inzwischen auch ganz gut etabliert zu sein, was für seine Qualität spricht. Die eingesetzten Produkte waren natürlich durchweg frisch und hochwertig, was man bei jedem Bissen auch deutlich schmecken konnte.

Mit diesem Alleinstellungsmerkmal ist es dem einfach besternten NeoBiota jedenfalls schon mal gelungen, auf ganz andere Art und Weise als „gewöhnliche“ Sternerestaurants auf sich aufmerksam zu machen. Diese kleine Parade hat meine Neugier zweifellos geweckt, denn sie verspricht für das (beim nächsten Mal eingeplante) Abendmenü einiges, wenn dort dasselbe Maß an Kreativität gezeigt werden sollte!

Anmerkung:
Da ich hier ein Frühstück rezensiere, sei angemerkt, dass ich deswegen keine Note vergeben habe und die unten aufgelisteten Urteile der Gastroguides sich auf das Abendessen beziehen.

Mein Gesamturteil: außer Konkurrenz

 

NeoBiota
Ehrenstraße 43
50672 Köln
Tel.: 0211/27088908
www.restaurant-neobiota.de

Guide Michelin 2024: *
Gault&Millau 2023: 2+ Toques
GUSTO 2024: 8 Pfannen
FEINSCHMECKER 2024: 2,5 F

3-gängiges Frühstücksmenü: ca. € 35