Gibt es ein neues Drei-Sterne-Restaurant 2022? (UPDATE)

UPDATE (9.3.2022)

Der Guide Michelin hat seine neuesten Ergebnisse bekanntgegeben und für 2022 ein gewaltiges Donnerwetter vorbereitet. In der Drei-Sterne-Liga hat es diesmal gleich drei Änderungen gegeben, wobei eine davon erwartbar war: da sich Jan Hartwig aus dem Münchner Atelier zurückzog und sein Nachfolger Anton Gschwendtner bisher auf Zwei-Sterne-Niveau im Stuttgarter Olivo gekocht hatte, war die neue Einordnung des Lokals bei zwei Sternen keine sonderlich große Überraschung.

Der große Gewinner des Jahres ist auf jeden Fall Thomas Schanz, der aus seinem kleinen Lokal namens schanz in einem 2.000-Seelen-Dörfchen an der Mosel inzwischen eine Weltklasseadresse geformt hat. Auch unser jüngster überragender Besuch vom August 2020 ließ schon erahnen, welch kometenhafte Entwicklung der Chef inzwischen genommen hatte, doch erschien es einfach schwer vorstellbar, dass eine derartige Location, abgelegen von den großen Metropolregionen, zu einer solch grandiosen Adresse heranreifen könnte. Thomas Schanz hat sie alle Lügen gestraft und meinen Tipp als heißer Kandidat (auf Platz 3, siehe unten) bestätigt. Meine herzlichen Glückwünsche gelten nicht nur dem Chef selbst, sondern auch seinen grundsympatischen und höchst engagierten Eltern, die mit viel Liebe und noch mehr Herzblut ihren Gasthof leiten und pflegen. Dass diese Herkulesarbeit nun gewürdigt wird, ist eine phantastische Geschichte.

Eine schleichende Verschlechterung der Qualität in den letzten Jahren führte allerdings zu einem Knall, der noch um einiges lauter ausgefallen sein dürfte wie die Aufwertung des schanz zum neuen Dreisterner. Der Vorreiter der Avantgarde, Joachim Wissler, hat mit seinem Vendôme nach achtzehn Jahren die Höchstnote vollkommen überraschend eingebüßt – zumindest aus der Sicht, dass eine Abwertung dieses Lokals für die meisten Gäste der Demontage einer Legende gleichkommt. Wer indes meinen jüngsten Bericht zur Kenntnis nahm, für den kam dieses Ergebnis vielleicht nicht mehr ganz so überraschend. Ich hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass mich der Abend über weite Strecken nicht hatte überzeugen können, zumal vieles einfach gekünstelt und überkompliziert wirkte. Dennoch war es schwer vorstellbar, dass der rote Gourmetführer einen der vermeintlich unantastbaren Köche degradieren würde, doch nun ist das Unvorstellbare eingetreten – das Medienecho in der Fachpresse dürfte gewaltig werden.

Gleich acht neue Zwei-Sterne-Restaurants, von denen einige allerdings eher kosmetische Korrekturen einer temporär ausgesetzten Note darstellen, gibt es nun in der Bundesrepublik. Die drei Münchner Lokale Tantris, Atelier und Tohru in der Schreiberei wurden dort angesiedelt, wo man sie auch erwarten durfte. Zum Atelier habe ich mich schon oben geäußert, während das Tantris unter Benjamin Chmura und Matthias Hahn wieder dort einsteigt, wo man zuletzt unter Hans Haas gestanden hatte. Tohru Nakamura hatte zuletzt im Werneckhof zwei Sterne sein Eigen genannt, so dass auch diese Einordnung nicht sonderlich überraschend kam. Auch das ES:SENZ in Grassau erlangte auf Anhieb zwei Sterne – dieselbe Auszeichnung, die Edip Sigl schon bei seinem Weggang vom Münchner Les Deux genossen hatte. Das Nürnberger etz, das zumindest in der aktuellen Location auch schon bald wieder Geschichte sein wird, bekam in Form von zwei Sternen die gleiche Auszeichnung zuerkannt wie schon damals im Vorgängerlokal sosein in Heroldsberg.
Wirklich neue Vertreter in der Zwei-Sterne-Kategorie gibt es somit nur drei Stück. Da wäre zunächst einmal die Stuttgarter Speisemeisterei, deren Rückkehr zu zwei Sternen sich nach einer gefühlten Ewigkeit wirklich gut anfühlt. Unser Besuch im Herbst des vergangenen Jahres überzeugte uns über weite Strecken und ließ uns dieses Lokal als einen potentiellen Kandidaten für die Aufwertung erscheinen. Gerne hätte ich auch dem LOUIS in Saarlouis einen Besuch abgestattet, doch die Zeit reichte dafür diesmal leider nicht. Schon die äußere Erscheinung des noblen Gebäudes macht einiges her – der Zustrom an zahlungskräftigen Gästen aus Frankreich wird auch seinen Teil dazu beitragen haben, dass sich dieses Restaurant letztlich so ausgezeichnet entwickeln konnte. Ein eigenes Urteil kann ich mir nicht erlauben, doch das soll sich schon bald ändern. Noch weniger kann ich über das Hamburger 100/200 von Thomas Imbusch sagen, da ich es noch nie besucht habe. Von der Stilistik her pflegt man dort eine ähnlich radikale Regionalität wie im Nürnberger etz oder dem Berliner Nobelhart&Schmutzig. Da der Guide Michelin in den letzten Jahren ziemlich empfänglich für solch eine Ausrichtung schien, kommt dieses Urteil für mich nur bedingt unerwartet (zumindest stand das Lokal auf meiner Favoritenliste unten). Ein Besuch steht allerdings – wie gesagt – bislang aus. Allen genannten Lokalen gelten meine Glückwünsche!
Das Münchner Les Deux, welches im letzten Jahr eher überraschend trotz neuer Küchenleitung die zwei Sterne halten konnte, wurde dagegen in einer Art nachträglichen Rechtfertigung als einziger Zweisterner nun doch auf einen Stern abgewertet.

Den einen Michelin-Stern verlor auch das am Kloster Bebenhausen gelegene Lokal Schranners Waldhorn, das schon bei meinem Besuch vor zwei Jahren nicht zu überzeugen vermochte.

Insgesamt gibt es in Deutschland nun 327 Sternerestaurants und damit so viele wie noch nie. Während die einen hinter dieser Entwicklung eine inflationäre Vergabe sehen, stellt dieser Umstand für die anderen einen Beleg für die stetig zunehmende Zahl an herausragenden Restaurants und talentierten Jungköchen dar. Global betrachtet steht Deutschland mit dieser Zahl auf Platz vier unter den Ländern mit den meisten Sternerestaurants hinter Frankreich, Japan und Italien.

Zusammenfassung:
Vermutlich wird – was selten der Fall ist – die Abwertung eines prestigeträchtigen Lokals wie dem Vendôme von drei Sternen auf zwei ausnahmsweise für mehr Medienrummel als die grandiose Neuaufnahme eines Lokals in der Drei-Sterne-Liga sorgen. Thomas Schanz wird es freilich egal sein, denn jetzt gilt es erst einmal, den Moment zu genießen und zu realisieren, was eigentlich gerade passiert ist. Die Rückkehr der legendären Speisemeisterei in die Zwei-Sterne-Liga dürfte speziell Nostalgiker extrem freuen, doch auch der überraschendste Neuling mit zwei Sternen, das LOUIS in Saarlouis, dürfte noch eine starke Entwicklung nehmen. Dass das L.A. Jordan in Deidesheim dagegen wieder leer ausgegangen ist und weiter mit einem Stern Vorlieb nehmen muss, dürfte inzwischen zu den großen Mysterien in der Geschichte des Guides in Deutschland zählen.

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Wie jedes Jahr wird auch heuer wieder die Frage aufgeworfen werden, ob es ein neues Mitglied in der Eliteliga der deutschen Restaurants geben wird. Grund zur Hoffnung besteht allemal, denn inzwischen ist eine Generation an jungen Köchen um die Mitte Dreißig herangewachsen, die unüberhörbar am Olymp anklopft und mit aller Macht nach oben drängt. Namen wie Thomas Schanz, Dirk Hoberg oder Jan-Christoph Berner haben in kurzer Zeit inzwischen ein Niveau erreicht, das für die Zukunft absolut Mut macht. Auch unter den erfahreneren Chefs gibt es Kandidaten wie Christoph Rainer, Andreas Krolik oder Peter Maria Schnurr, die schon länger zum Kreis der potentiellen Kandidaten gezählt werden müssen. Prognosen sind in diesen seltsamen Zeiten erfahrungsgemäß schwierig, doch das hält mich nicht davon ab, wie jedes Jahr erneut darüber zu spekulieren, wem möglicherweise der große Wurf gelingt.

Daher nun ein Überblick über alle aktuellen deutschen Zwei-Sterne-Etablissements (2021) und deren Chancen auf die höchsten Weihen gemäß meiner persönlichen Einschätzung:

PURS (Andernach):
Das Lokal hatte relativ lange und immer wieder mal geschlossen im letzten Jahr. Eine Aufwertung scheint mir daher kaum plausibel, aber das Talent und die Fähigkeiten, mittelfristig auf diese Auszeichnung hinzuarbeiten, hat der junge Chefkoch Christian Eckhardt allemal.
Residenz Heinz Winkler (Aschau im Chiemgau):
Nach dem Abgang seines Küchenchefs Steffen Mezger steht der wuchtige Dampfer am Aschauer Marktplatz vor richtungsweisenden Zeiten. Dass der Altmeister mit über 70 Jahren weiterhin am Herd steht, mag zwar löblich erscheinen, aber auf die Zukunft dieser Institution schaue ich eher mit bangen und zugleich wehmütigen Blicken. Die gezeigte Küchenstilistik empfinden viele inzwischen als reichlich angestaubt – wenn hier nicht bald etwas passiert, droht dieses unvergleichliche Etablissement seine Aura endgültig einzubüßen. Eine Abwertung auf einen Stern liegt für mich schon länger in der Luft.
August (Augsburg):
Für eine aktuelle Bestandsaufnahme wäre es mal dringend wieder an der Zeit für einen Besuch. Das wohl rätselhafteste und ungewöhnlichste Restaurant dieser Kategorie in Deutschland ist nicht leicht einzuordnen, aber ein weiterhin unveränderter Status quo scheint mir plausibel.
Steinheuers Restaurant „Zur Alten Post“ (Bad Neuenahr-Ahrweiler):
Das von der Flutkatastrophe schwer getroffene Ahrtal hat unter den Konsequenzen noch immer erheblich zu leiden. Angesichts der leicht unterdurchschnittlichen Leistung im vorletzten Jahr und der aktuellen Widrigkeiten käme eine Aufwertung gerade jetzt vollkommen überraschend.
Le Pavillon (Bad Peterstal-Griesbach):
Dieses konservative Restaurant setzt auf eine gediegene, klassisch französische Ästhetik der ganz leisen Töne. Mein letzter Besuch hier im Herbst hat mich angesichts der Homogenität der Menüfolge tief beeindruckt. Der stets bescheiden und natürlich auftretende Martin Herrmann macht kein großes Aufheben um seine Kunst, doch die leise, aber stetige Verbesserung in den vergangenen Jahren ist mir nicht verborgen geblieben. Mal sehen, wohin die Reise noch geht – für drei Sterne wird es vorerst aber nicht reichen.
CODA (Berlin):
Dieses bei der Zubereitung der Gerichte rein auf Pâtissier-Techniken setzende Lokal ist noch recht neu in diesem elitären Kreis, so dass das Hauptaugenmerk der Betreiber der abermaligen Bestätigung der gezeigten Leistungen gelten dürfte. Es bleibt fast sicher bei zwei Sternen. 
Facil (Berlin):
Schon seit längerer Zeit gilt dieses Restaurant als einer der Favoriten auf den dritten Macaron. Ich kann nicht verhehlen, dass auch unser letzter Besuch wieder zu einem außergewöhnlichen Ereignis voller Überraschungen wurde, auch wenn der letzte geschmackliche Feinschliff für die höchsten Weihen vielleicht noch fehlt. Pâtissier Thomas Yoshida ist dagegen schon längst in einer eigenen Liga angesiedelt.
Horváth (Berlin):

Da der letzte Besuch schon länger zurückliegt, kann ich mir kein aktuelles Urteil erlauben. Nach dem kometenhaften Aufstieg von Chefkoch Sebastian Frank vor einigen Jahren konnte sich der ehemalige Schüler von Heinz Reitbauer inzwischen bombensicher in der Zwei-Sterne-Liga einnisten – dennoch meiner Auffassung nach noch kein Kandidat für den dritten Stern.
Lorenz Adlon Esszimmer (Berlin):
Lange Zeit zählte dieses Lokal zum engsten Kreis der Favoriten, doch vor kurzer Zeit kündigte Chefkoch Hendrik Otto stattdessen überraschend seinen Abgang nach elf Jahren an. Wer auch immer sein Nachfolger wird: er übernimmt ein schweres Erbe und muss sicherlich erst einmal wieder den Standard, der hier zuletzt geboten wurde, bestätigen. Ein dritter Stern scheint unter diesen Vorzeichen ausgeschlossen, wenn nicht gerade ein Weltklassekoch hier anheuern sollte. 
Tim Raue (Berlin):
Einer der größten Lautsprecher der Szene, der zudem kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Tim Raue schon immer gewesen. Dennoch konnte ich bei meinem letzten Besuch keine Indizien dafür entdecken, dass eine signifikante Steigerung (wobei der G&M ja ohnehin schon die Höchstnote vergibt) die Vergabe des dritten Sterns wahrscheinlicher machen würde. Vieles spricht aus meiner Sicht dafür, dass das Lokal am Checkpoint Charlie weiterhin in der Lauerstellung verharren muss.
ÖSCH NOIR (Donaueschingen):
Manuel Ulrich konnte den zweiten Stern erst letztes Jahr erlangen und ist daher kein Kandidat für den dritten Macaron. Dessen ungeachtet hatte mein Besuch im Juni des letzten Jahres durchaus schon einige bemerkenswerte Momente zu bieten – von der Extraklasse dreier Sterne ist man hier natürlich noch weit entfernt.
Rosin (Dorsten):
Ein Besuch hier steht meinerseits immer noch aus. Dennoch ist es um dieses Lokal – im Gegensatz zu seinem Patron Frank Rosin, der häufiger im Fernsehen als am Herd aufzutauchen scheint – vergleichsweise ruhig. Chefkoch Oliver Engelke tritt um einiges entspannter als sein Mentor auf und wird wohl weiterhin im Kreise der Zweisterner verweilen.
Luce d’Oro (Elmau):

Für meine Begriffe machen sowohl Christoph Rainer als auch die Geschäftsleitung eines der nobelsten Hotels der Republik inzwischen Ernst: sowohl die Qualität der hochpreisigen Produkte als auch die Zubereitung der teils sehr anspruchsvollen Gerichte hat hier inzwischen ein atemberaubendes Niveau erreicht. Seit meinem letzten Besuch im August, wo mir unter anderem ein unvergessliches Stück Kagoshima-Rind serviert wurde, bin ich der Meinung, dass ein dritter Stern hier nicht mehr unverdient wäre – für mich einer der Geheimfavoriten!
Goldberg (Fellbach):
Philipp Kovacs rechtfertigte in gleich zwei Besuchen die letztjährige Aufwertung auf zwei Sterne fast mühelos. Nun gilt es, das gezeigte Niveau zu halten und das Etablissement sicher in dieser Liga zu etablieren. Die Vorzeichen dafür stehen gut, doch vom dritten Macaron spricht hier selbstverständlich noch keiner, da dieser momentan unerreichbar weit entfernt ist.
Gustav (Frankfurt am Main):
Dies ist einer der wenigen Zweisterner, die mir noch fehlen. Das weitgehend auf Regionalität setzende Lokal unter der Leitung von Jochim Busch gehört noch zu den Grünschnäbeln in dieser Kategorie und wird daher zunächst einmal danach trachten, das Level zu halten und dann stetig auszubauen – kein Kandidat für den dritten Stern.
Lafleur (Frankfurt am Main):
Sowohl Andreas Kroliks Erfahrung als auch die finanziellen Mittel im Hintergrund stellen beste Voraussetzungen für den noch fehlenden Coup de grâce dar. Außerdem ist das vegane Menü nach wie vor auf diesem Level ein Alleinstellungsmerkmal des Lokals, welches ihm einen regen Zulauf an Gästen garantiert. Die letztjährige Aufwertung durch den Gault&Millau fände mit der Vergabe eines dritten Sterns ihren logischen Abschluss. Erzwingen kann man dies natürlich nicht, aber zum Kreis der potentiellen Kandidaten muss dieses Lokal längst gezählt werden, selbst wenn bei unserem letzten Besuch vor allem die Amuses und die Petits fours noch ausbaufähig waren.
Meierei Dirk Luther (Glücksburg):
Dirk Luther scheint Jahr für Jahr konstant seine Leistung abrufen zu können und gilt inzwischen als Stammgast in der Zwei-Sterne-Liga. Günstige Vorzeichen für den dritten Macaron kann ich keine erkennen, doch mein letzter Besuch liegt fast vier Jahre zurück.
bianc (Hamburg):
Ein junger italienischer Senkrechtstarter, der die gediegene Hansestadt Hamburg mit mediterran inspirierter Küche beglückt? Noch vor zwei, drei Jahren hätten sich die wenigsten vorstellen können, dass das funktionieren kann. Inzwischen wissen wir es besser, denn Matteo Ferrantino hat das ultimative Ziel längst angepeilt und wird in den kommenden Jahren alles daran setzen, dieses zu erreichen. Noch wäre es wohl allerdings zu früh dafür.
Haerlin (Hamburg):
Christoph Rüffer gehört eher zu den Leisetretern seiner Zunft, doch zu den elegantesten und ausgewogensten Küchen gehört sein Vorzeigelokal an der Hamburger Binnenalster schon seit gefühlten Ewigkeiten. Allerdings nähert sich der Chefkoch inzwischen der Vollendung des fünften Jahrzehnts an, so dass die Beförderung bald erfolgen müsste, wenn es noch mit dem dritten Stern gelingen soll. Wie immer ein heißer Anwärter, aber nicht stärker als in den Jahren zuvor.
Jante (Hannover):
Chefkoch Tony Hohlfeld ist noch jung und hat daher die Zeit, seine gewagten und teils radikal neuen Ideen sicher in die Tat umzusetzen. Die Etablierung einer eigenen Handschrift scheint längst abgeschlossen, so dass der Trend weiter nach oben zeigen sollte. Für drei Sterne wird es allerdings nicht reichen, zumal der zweite Stern auch erst vor zwei Jahren erreicht wurde.
Le Moissonnier (Köln):
Das Kölner Bistro mit dem unverwechselbaren Interieur pflegt eine ganz eigenständige Stilistik, deren Einordnung gar nicht so leicht fällt. Dieser Stammgast unter den Zweisternern steht schon länger auf meinem Zettel, da meine einzige Stippvisite inzwischen sieben (!) Jahre her ist. Eine Aufwertung scheint mir nicht bevorzustehen, da keinerlei Anzeichen dafür auszumachen waren.
Ox&Klee (Köln):

Die Suche nach der Stilisitk – so könnte das Anforderungsprofil des noch jungen Zweisterners lauten. Ein Besuch steht noch aus, doch auch so blieb mir nicht verborgen, dass hier in letzter Zeit ziemlich intensiv an den Menüinhalten und auch den Öffnungszeiten gearbeitet wurde. Drei Sterne scheinen mir unter diesen Voraussetzungen unerreichbar.
Ophelia (Konstanz):

Mein letzter Besuch im Sommer konnte mich tief beeindrucken. Dirk Hoberg schien während des Lockdowns alles auf den Prüfstand gestellt und viele Dinge hinterfragt zu haben. Das Ergebnis war ein abermals geschärftes Profil mit unverwechselbaren Gerichten, die unglaublich durchdacht wirkten und großen Spaß beim Verzehr bereiteten. Ein ganz heißer Kandidat!
Falco (Leipzig):
Würde ich einen Grund benennen wollen, warum es bisher nicht geklappt hat, dann wären es für mich in erster Linie die recht kargen Darbietungen der Pâtisserie. Eine Bewertung von Peter Maria Schnurrs avantgardistischen Kreationen fällt nicht leicht, doch in seinen besten Momenten schafft der gebürtige Badener Gerichte mit enorm langem Nachhall im Gedächtnis. Jedenfalls wäre man gut beraten, dieses Lokal unbedingt auf dem Zettel zu haben.
Opus V (Mannheim):
Dass der neue Chefkoch Dominik Paul das Niveau seines Vorgängers Tristan Brandt halten und den zweiten Stern behaupten konnte, galt vielen schon als Überraschung. Der letzte Besuch liegt schon etwas zurück, doch die erneute Bestätigung des zweiten Sterns muss hier oberste Priorität genießen. Von drei Sternen spricht hier derzeit bestimmt keiner.
Alois (München):
Dank bester Viktualien aus dem weltbekannten Feinkostgeschäft Dallmayr eine Etage tiefer und pfiffiger Ideen konnte Christoph Kunz das Niveau seines Vorgängers Diethard Urbansky trotz einer erheblich divergierenden Stilistik scheinbar mühelos halten. Der Trend zeigt für meine Begriffe sogar weiter nach oben, doch für einen dritten Stern reicht es noch nicht.
Les Deux (München):
Dies ist eines der wenigen Sternerestaurants der Republik, in welchem der Servicechef Fabrice Kieffer wohl bekannter als der Küchenchef ist. In diesem Fall ist es sogar eine Doppelspitze, die den Abgang ihres Vorgänger Edip Sigl nach Grassau im Chiemgau wettmachen musste: Gregor Goncharov und Nathalie Leblond traten seine Nachfolge an und bestätigten zur nicht geringen Überraschung vieler Insider den zweiten Stern aus dem Jahre 2020. Insofern wäre eine erneute Bestätigung dieses Urteils erwartbar, doch für mehr wird es definitiv nicht reichen.
EssZimmer (München):
Dauerbrenner Bobby Bräuer bietet an seiner Wirkungsstätte seit Jahren eine pfiffige und zeitgemäße Küche voller Lokalkolorit an und kann sich nicht zuletzt dank der atemberaubenden Architektur der BMW-Welt sicher sein, dass die Gäste weiterhin konstant hier eintrudeln. Eine erneute Bestätigung des zweiten Sterns ist daher praktisch sicher. Für mehr wird es eher nicht reichen, aber den Blick nach unten kann man sich dafür ebenfalls schenken.
Obendorfer’s Eisvogel (Neunburg vorm Wald):
Patron Hubert Obendorfer wird in den kommenden Jahren wohl nach und nach den Kochlöffel an seinen Sohn übergeben, der längst auf seine zukünftige Aufgabe vorbereitet wird. Die damalige Erlangung des zweiten Sterns mit über 50 Jahren war für den Seniorchef sicherlich schon ein Erfolg, doch die höchsten Weihen wird man hier (noch) nicht erreichen.
Essigbrätlein (Nürnberg):
Auch nach über dreißig Jahren hat diese alternativ anmutende Gemüse- und Gewürzküche nichts von ihrem Reiz verloren. Im Gegenteil: manches wurde abermals verfeinert, und doch wird es nicht für drei Sterne reichen.
Schanz (Piesport):
Heimlich, still und leise hatte sich Thomas Schanz vom vor noch wenigen Jahren praktisch unbekannten Koch zu einem regionalen Star der Szene hochgearbeitet. Mit der Ernennung zum „Koch des Jahres 2021“ durch den Gault&Millau betrat der aufstrebende Meister jedoch ein Terrain, auf dem er sich inzwischen meisterhaft bewegt. Es ist nicht vermessen, Thomas Schanz inzwischen zur erweiterten deutschen Elite zu zählen – über einen dritten Stern, der noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre, würde sich heute hier kaum einer mehr wundern.
Söl’ring Hof (Rantum):
Mit dem endgültigen Rückzug seines Mentors Johannes King überließ dieser dem jungen Chefkoch Jan-Christoph Berner praktisch freie Hand im nobelsten Lokal auf Sylt. Dank der starken Fokussierung auf regionale Produkte von exzeptioneller Güte und einer individuellen Stilistik ist das Lokal inzwischen in Bereiche vorgedrungen, die knapp unter dem deutschen Olymp anzusiedeln sind. Hier steht ein Tüftler am Herd, der unbeirrbar nach dem dritten Stern greift und inzwischen alle Chancen hat, ihn schon bald zu erlangen.
AMMOLITE (Rust):
Peter Hagen-Wiest konnte vor einigen Jahren ziemlich überraschend den zweiten Macaron einheimsen, doch ein Geheimtipp ist sein Leuchtturm-Restaurant im Europa-Park in Rust schon lange nicht mehr. Die leichte und stets optisch ansprechende Küche, die hier zelebriert wird, hat allemal das Potential, in naher Zukunft noch besser zu werden. Dafür braucht es vielleicht noch zwei, drei Jahre, aber dann sprechen wir uns wieder …
Esplanade (Saarbrücken):
Klaus Erforts ehemaliger Souschef konnte das Restaurant in einer ehemaligen Schule erstaunlich schnell zu zwei Sternen führen, doch unser Besuch im Sommer lieferte den Beweis dafür, dass die Auszeichnungen keineswegs fragwürdig gerieten. Die leichte, pfiffige Küche mit Anklängen an den Stil von Brasserien konnte uns ordentlich überzeugen. Der dritte Stern ist hier jedoch noch ganz klar außer Reichweite.
GästeHaus Klaus Erfort (Saarbrücken):
Oft wünscht man sich ja einen neuen Dreisterner, doch der Topfavorit in diesem Jahr ist und bleibt für mich der im Jahr zuvor überraschend abgewertete Klaus Erfort. Was der Chef im Garten der schmucken weißen Villa darbot, war atemberaubend und schlichtweg überwältigend. Grandiose Produkte von überragender Qualität und ein sicheres Gespür für deren bestmögliche Zubereitung waren die offenkundigsten Vorzüge seiner Küche. Hätte man unseren Besuch als Maßstab zugrunde gelegt, so wäre eine Abwertung auf zwei Sterne niemals erfolgt. Das vermeintliche Zwischentief (wenn es denn je eines gegeben hat) scheint für uns endgültig überwunden: die Forderung nach der Rückgabe des dritten Sterns erfolgt hiermit hochoffiziell!
Hirschen (Sulzburg):
Deutschlands einzige Chefin mit zwei Sternen erfuhr in so manchem Profiguide sogar jüngst eine Aufwertung. Basierend auf unseren Eindrücken vom Dezember 2019 konnten wir diese auf keinen Fall bestätigen, da unser Besuch dort einer der schwächsten in einem Zweisterner jemals war. Drei Sterne werden es jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht werden.
Courtier (Wangels):
Nach seiner Rückkehr aus der Schweiz vor einigen Jahren ist es um Christian Scharrer etwas ruhig geworden. Ich interpretiere dies als weitgehend konstant dargebotene Leistung, zumal die meisten Profiguides keine echten Veränderungen bei der Qualität andeuteten. Insofern sind zwei Sterne erwartbar.
Restaurant Alexander Herrmann (Wirsberg):

Da der zweite Stern hier erst vor kurzem errungen wurde, kann ich mir eine Abwertung nicht wirklich vorstellen. Nach meinem persönlichen Empfinden gehört das Lokal dennoch zu den eher schwächeren der Republik. Vielleicht würde ein erneuter Besuch nach drei Jahren mehr Klarheit bringen.
Le Cerf (Zweiflingen):
Nach zwei Besuchen innerhalb kurzer Zeit war ich bass erstaunt über die gezeigte Darbietung. Der noch recht junge Chefkoch Boris Rommel nutzte die Zeit des Lockdowns offenbar intensiv aus und zauberte zuletzt Darbietungen auf die Teller, die eine außerordentliche Qualität erkennen ließen. Trotz gewisser optischer Schauwerte wurden die Regeln der französischen Ästhetik niemals verletzt und doch absolut zeitgemäß in Szene gesetzt. Würde es tatsächlich mit dem dritten Stern klappen, dann hätten wohl die wenigsten damit gerechnet. Ich würde allerdings nicht zu diesem Kreis zählen, auch wenn meine Prognose mutig ist.

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An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass die Auszeichnung eines Lokals mit drei Sternen kein alltäglicher Vorgang ist. Weltweit sind lediglich ungefähr 140 Lokale mit der anerkannt höchsten Auszeichnung dekoriert, die es in dieser Branche gibt. Da die Verleihung oder Aberkennung eines solchen Prädikats signifikante wirtschaftliche Auswirkungen für ein Restaurant haben kann, wird die Vergabe (bzw. Aberkennung) des dritten Sterns akribisch untersucht: wenn ein Inspektor (so heißen die Kritiker des Guide Michelin) die Verleihung des dritten Sterns für ein Lokal vorschlägt, so muss dieses mindestens ein weiteres Mal von einem anderen Inspektor besucht werden. Außerdem muss eine einberufene Konferenz aller Inspektoren mehrheitlich für die Verleihung des dritten Sterns plädieren, damit dieser vergeben werden kann. Wie man sieht, ist diese Auszeichnung sehr bedeutsam und folglich alles andere als leicht zu erlangen. Kein Wunder, dass jedes Jahr ein ziemlicher Hype um die neuen Auszeichnungen gemacht wird. Derzeit gibt es zehn Drei-Sterne-Restaurants in Deutschland:

  • Schwarzwaldstube „temporaire“, Baiersbronn-Tonbach (seit 1993 und 2021 – im Jahr 2020 wurde die Wertung wegen des Brandes am 5. Januar in einer sehr kleinlichen Entscheidung vorübergehend aberkannt)
  • Waldhotel Sonnora, Wittlich (seit 1999)
  • Vendôme, Bergisch Gladbach (seit 2005)
  • Victor’s Fine Dining, Perl-Nennig (seit 2006)
  • Bareiss, Baiersbronn-Mitteltal (seit 2008)
  • Aqua, Wolfsburg (seit 2009)
  • Überfahrt, Rottach-Egern (seit 2014)
  • The Table, Hamburg (seit 2016)
  • Atelier, München (seit 2018)
  • Rutz, Berlin (seit 2020)

Die Wahrscheinlichkeit, dass es kein neues Drei-Sterne-Restaurant gibt, ist somit objektiv wesentlich höher als dass es für ein neues Mitglied in der Eliteliga der drei Sterne reichen könnte.

Es erhebt sich noch die Frage, ob eines der Drei-Sterne-Restaurants Gefahr läuft, abgestuft zu werden. Prognosen scheinen in diesen außergewöhnlichen Zeiten noch schwieriger als sonst, aber das Überfahrt in Rottach-Egern sollte sich für meine Begriffe nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Der Gault&Millau hätte das Lokal im vergangenen Jahre fast doppelt (!) abgewertet, und auch meine Eindrücke vom Herbst 2019 rechtfertigten schon damals den dritten Stern nur noch bedingt. Die weitgehend in Stagnation verharrende Küche bietet inzwischen auf der Speisekarte zu wenig Abwechslung (teils stehen dieselben Gerichte mehrere Monate lang auf der Karte) und setzt inzwischen in einem Maße auf Bewährtes, welches kaum mehr Platz für Überraschungen lässt (so manches Gericht, das keineswegs als herausragend bezeichnet werden kann, steht seit mehreren Jahren immer wieder mal auf der Karte). All dies wäre eventuell noch leichter zu verkraften, wenn dieses Lokal nicht den höchsten Menüpreis der gesamten Republik aufrufen würde. Zwischenzeitlich wurde der Preis von zuletzt € 309 auf €369 (!) angehoben, doch selbst die Geschäftsleitung musste wohl anerkennen, damit übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Zuletzt wurden € 324 gefordert – ein Betrag, der bei nur zwei Sternen auch den letzten Gast abschrecken könnte.

Das Atelier in München darf zudem als fast sicherer Kandidat für eine Abwertung gelten. Nach dem Abgang des Chefkochs Jan Hartwig, der im Sommer im Rhaetenhaus in München sein neues Lokal eröffnen wird (zur Überbrückung gibt es ab Februar ein Pop-up namens Jan im Schloss Nymphenburg), übernahm Anton Gschwendtner, der vom zweifach besternten Olivo aus Stuttgart kam. Eine Bestätigung der zwei Sterne halte ich für am wahrscheinlichsten, auch wenn Herr Gschwendtner sicherlich bessere Arbeitsbedingungen als zuletzt vorfinden wird. Ob das besagte Pop-up von Jan Hartwig namens Jan im Nymphenburger Schloss eine Chance auf drei Sterne hat, darf man ebenfalls gespannt erwarten.

Meine Rangliste der zehn heißesten Tipps auf den dritten Stern 2022 sieht wie folgt aus:

  1. GästeHaus Klaus Erfort, Saarbrücken
  2. Ophelia, Konstanz
  3. schanz, Piesport
  4. Luce d’Oro, Elmau
  5. Söl’ring Hof, Rantum (Sylt)
  6. Tim Raue, Berlin
  7. Falco, Leipzig
  8. Lafleur, Frankfurt am Main
  9. Le Cerf, Zweiflingen
  10. Jan, München

Hier noch die heißesten Anwärter auf den zweiten Stern:

  1. Tohru in der Schreiberei, München
  2. L.A. Jordan, Deidesheim
  3. Dichter, Rottach-Egern
  4. Stadtpfeiffer, Leipzig
  5. Der Butt, Rostock-Warnemünde
  6. Gut Lärchenhof, Pulheim
  7. 100/200, Hamburg
  8. etz, Nürnberg (*)
  9. Tantris, München (**)
  10. ES:SENZ, Grassau (***)

(*) Das Lokal ist derzeit als Pop-up konzipiert und wird wohl im Frühjahr schon wieder schließen. Ob es unter diesen Umständen ausgezeichnet wird, ist fraglich, auch wenn der Umzug in das neue Lokal für Herbst 2022 schon feststeht. Das Potential dafür ist sicherlich vorhanden, denn Felix Schneider hatte zuvor im Sosein auch schon zwei Sterne erlangen können.

(**) Man darf gespannt sein, wie der Guide Michelin das Problem der zwei Lokale (Tantris und Tantris DNA) unter einem Dach angeht. Wird es eine separate Wertung für beide geben oder nicht? Im Falle von Baiersbronn-Tonbach entschied man sich ja auch dafür, die Schwarzwaldstube und die Köhlerstube separat zu listen.

(***) Das recht neue Lokal im Chiemgau war letztes Jahr noch gar nicht gelistet, doch Chefkoch Edip Sigl war zuletzt mit zwei Sternen im Münchner Les Deux ausgezeichnet gewesen. Insofern scheint sogar ein Neubeginn gleich mit zwei Sternen zumindest denkbar.

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Ich bin wie immer selbst am meisten gespannt, wie gut ich mit meinen Tipps letztlich gelegen habe! Nach der Veröffentlichung des neuen Guide Michelin am 9. März 2022 folgt ein Update.