Februar 2018
Der Turmberg im Karlsruher Stadtteil Durlach hat neben der ältesten Standseilbahn Deutschlands auch eine Turmruine mit phänomenaler Fernsicht bis zu den Vogesen zu bieten. Kein Wunder also, dass selbst an einem unangenehmen kalten, aber trockenen Februarnachmittag sich mehr als nur eine Handvoll Tagesausflügler auf den Weg nach oben macht, zumal neben der Turmruine auch noch eine renommierte Sportschule residiert.
Sören Anders ist seit 2013 Chefkoch des Restaurants auf dem Turmberg, das seither enorme Schwankungen durchgemacht hat. War das Lokal 2014 noch mit einem Michelin-Stern und 17 Punkten im Gault&Millau dekoriert, so weist es derzeit nur 14 Punkte und keinen Stern auf. Es scheint, als läge der Fokus des Lokals inzwischen mehr auf spontanen Gästen, die den Weg nach oben finden, als auf Gourmets, die solche Ausflüge oft längerfristig planen. Auch unser Besuch war spontan – wir wollten es trotzdem auf das dreigängige Mittagsmenü zu € 35 ankommen lassen.
Das durchaus geschmackvoll und weit überdurchschnittlich eingerichtete Lokal punktet neben den großen Panoramafenstern und der phantastischen Aussicht mit einem überwiegend in Hellblau und Grau gehaltenen Interieur, wobei speziell die Toiletten überaus edel gestaltet sind. Im Gegensatz zu den meisten höher dekorierten Etablissements scheint man hier inzwischen auf Amuses zu verzichten und offeriert neben einer Brotauswahl mit Salami, Gänseschmalz und Paprikabutter auch ausgezeichnete, leicht warme Nüsse. Auffällig ist, dass lediglich eine Servicekraft den ganzen Nachmittag lang an unseren Tisch kommt. Besagter, noch recht junger Herr agiert als Kellner und Sommelier in Personalunion recht ordentlich, aber keineswegs herausragend. Die Weinkarte selbst ist hingegen noch außerordentlich gut bestückt für dieses Niveau. Die Kalkualtion bei den Nebenkosten ist im Bereich „oberer Durchschnitt“ angesiedelt.
Soviel vorweg: der großen Gesellschaft am Tisch nebenan gefiel das Menü überaus gut. Allerdings wurde auch schnell deutlich, dass ein Essen auf diesem Menü für sie schon ein seltenes, um nicht zu sagen einmaliges Erlebnis darstellte. Unser Urteil fiel da schon wesentlich gedämpfter aus: der erste Gang, Topinambur-Suppe mit Haselnuss und Brunnenkresse, war handwerklich solide, bot aber trotzdem nicht viel mehr als gehobene Routine, zumal die Portion nach einiger Zeit so etwas wie durchschaubare Langeweile aufkommen ließ. Gut gefielen uns dagegen zuvor zum Einstieg der fruchtige Calamansi-Cocktail bzw. der ansprechende Sherry.
Gebratene Scholle, geröstete Süßkartoffeln, Lauch-Gemüse und Erdnuss-Schaum war ein bildschön drapiertes, fast in der Art eines Millefeuilles aufgeschichtetes Hauptgericht, das in geschmacklicher Hinsicht leider nicht annähernd die gleiche Qualität wie in optischer Hinsicht erzielen konnte. Das eher herbstlich anmutende Gericht langweilte mit sehr ähnlichen Konsistenzen, denen ein bissfester Kontrast sicherlich gut getan hätte. Außerdem war das Gesamtbild in aromatischer Hinsicht eher diffus, da die einzelnen Komponenten nicht wirklich gut zum Tragen kamen – alles in allem eine leichte Enttäuschung. Andererseits soll auch nicht verschwiegen werden, dass unsere Erwartungshaltung angesichts der Vorzeichen (relativ niedrige Bewertungen und Menüpreis) nicht sonderlich hoch angesiedelt war.
Warmer Toffee-Pudding mit Vanille-Eis und Whisky-Karamell-Soße war ein halbwegs versöhnlich stimmendes Dessert mit ein paar netten optischen Akzenten und Texturen, die das handwerkliche Potential des Chefs durchaus erahnen ließen. Der ganz große Esprit fehlte jedoch auch diesem Gericht. Als Ausklang gab es zum Schluss eine mit Kakaopulver ummantelte Schokoladenpraline.
Das Gebotene entsprach in etwa dem, was man bei diesem Preis erwarten durfte. Offenbar hat man sich hier inzwischen deutlich zu den weniger anspruchsvollen Gästen bekannt, da dieses Lokal so vermutlich in wirtschaftlicher Hinsicht einfacher am Leben zu halten ist. Dies ist nur allzu nachvollziehbar, und doch ist es andererseits eine bedauerliche Talentverschwendung des Chefs Sören Anders, der in den vier Jahren, seitdem das Lokal 17 Punkte hatte, offensichtlich sein Talent hinten anstellen und finanziellen Aspekten Tribut zollen musste. Offenbar begaben sich einfach zu wenige Gourmets seinerzeit an diesen Ort, um mehr kostspielige Qualität zu ermöglichen.
Aktuell ist dieses Lokal somit eine Möglichkeit für spontane und nicht zu ansrpuchsvolle Gäste, leicht gehoben zu essen. Die 14 Punkte im Gault&Millau sind meines Erachtens allerdings immer noch zu hoch angesiedelt, so dass ein Besuch für Wanderer oder Leute, die Panoramas lieben, eher lohnt als für ambitionierte Gourmets. Das Essen war ganz nett, wird aber sicherlich nicht lange in Erinnerung bleiben.