Aska*, Regensburg

„Sushi zu machen ist eine Kunst – Erfahrung ist alles.“ (Nobu Matsuhisa)

Mai 2022

Anton Schmaus ist in der Regensburger Gourmetszene längst eine feste Institution. Seit der Eröffnung seines Restaurants STORSTAD im Goliathhaus unweit des Doms im Jahre 2014 hat der umtriebige Chef sich auf diversen Gebieten bereits mit unterschiedlichem Erfolg versucht und sein Imperium immer weiter ausgebaut. Neben seinem Engagement als Koch der deutschen Fussball-Nationalmannschaft (seit 2017) besinnt er sich wieder auf seine Wurzeln und macht sich daran, seine gewagten, aber stets durchdachten kulinarischen Visionen umsetzen. Schon jetzt kann man festhalten, dass die Hochküche der Oberpfalz ohne sein Engagement bedeutend ärmer wäre, obwohl er noch keine zehn Jahre in der Stadt der Domspatzen tätig ist. Neben seinem Stammrestaurant unterhält er seit 2019 ein Sushi-Restaurant namens Aska sowie schon etwas länger ein drittes Restaurant namens Sticky Fingers, welches sich nicht allzu weit entfernt vom Stammhaus in der Altstadt befindet und als weiterer Kandidat für einen Michelin-Stern gehandelt wird. Da ich es noch nicht besucht habe, kann ich mir kein genaueres Urteil erlauben.

Meine Schritte führen mich an diesem Abend zum Aska (schwedisch für „Asche“), welches unter demselben Dach und sogar auf derselben Etage wie das STORSTAD angesiedelt ist. Es befindet sich in den Räumlichkeiten, die ehemals den Barbereich des Stammlokals darstellten. Während das Ambiente zu jener Zeit noch lichtdurchflutet war, wurden die Wände zwischenzeitlich verkohlt, weshalb das Aska seinen Namen vollkommen zurecht trägt und es nun das mutmaßlich dunkelste Sternerestaurant der Republik sein müsste, zumal der Raum fensterlos ist. Schon im schlauchartigen Gang voller Graffiti im Erdgeschoss wird man von einer Empfangsdame eskortiert und per Aufzug zum Ziel der Wünsche im 5. Stock befördert. Beim Verlassen des Lifts führt dann der Weg rechts ins Aska und links ins STORSTAD, wobei der Kontrast zwischen beiden Lokalen nicht größer sein könnte.

Das dunkle Etablissement ist das Reich von Sushi-Meister Atsushi Sugimoto, der unermüdlich hinter der Theke werkelt und sich nur sporadisch von anderen Mitarbeitern Zutaten aus der Küche bringen lässt. Da das Lokal bestenfalls zwölf Gästen pro Abend Platz bietet, bleibt mir nur ein Platz an der Theke auf einem Barhocker, welcher zumindest den Vorteil mit sich bringt, dass vieles in der Küche gut einsehbar ist. Ansonsten erläutert der Service ohne Umschweife zu Beginn ein paar Gepflogenheiten des Hauses: neben einer Flatrate für Wasser und grünen Tee offeriert man ein nahezu unabänderliches, zehngängiges Sushi-Menü zum Preis von € 140. Die einzige mögliche Modifikation besteht in der zusätzlichen Option auf zwei besonders kostspielige weitere Gänge zu je € 25, die an passender Stelle in die Menüfolge eingebaut werden. Wer es sich leisten kann, denkt vielleicht auch über die kostspielige Sake-Begleitung zum Menü nach, die dem Vernehmen nach perfekt abgestimmt zu sein scheint. Da ich nicht so oft in der nördlichsten aller Donaustädte bin, entscheide ich mich für alle zwölf Gänge und bestelle mir vorab einen alkoholfreien Gin mit Grapefruitsaft. Das Menü, welches auf einem iPad präsentiert wird, kommt ohne Grüße, Apéros oder Petits fours aus und besteht durchgehend aus Sushi in den unterschiedlichsten Varianten.

Nun muss ich vorab einräumen, dass Sushi nicht gerade mein Steckenpferd sind und meine Kompetenz auf diesem Gebiet geringer als sonst sein dürfte. Da die Speisekarte nur Begriffe wie „Nigiri“ oder „Tataki“ auflistet, gerät sie ziemlich kryptisch und erfordert ein genaues Zuhören bei den Erläuterungen durch den Service. Ich hoffe, möglichst viel mitbekommen zu haben, erhebe aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder völlige Korrektheit. Unstrittig ist jedoch folgendes: zweifellos würde man solch ein Lokal nicht in Regensburg, sondern eher in London oder New York vermuten. Ein Kuriosum der besonderen Art im Service besteht übrigens darin, dass der Kellner bei passender Gelegenheit immer wieder eine neue LP auf den Plattenspieler neben der Theke auflegt.

Nun wird es aber Zeit für einen mit Spannung erwarteten Abend abseits aller Routine: den Auftakt macht Oshisushi, bestehend aus Gebäck-Tofu mit Sesam und gefüllt mit Reis. Varianten mit Makrele, Lachs, Yuzu, N25-Kaviar, eingelegten Kombualgen und Shiitake-Pilzen. Platziert wird die Auswahl auf einem Shisoblatt und verziert mit etwas Edamame. Mit diesem konzentrierten und fokussierten Beginn zeigt die Küche schon einmal auf, in welche Richtung die Reise gehen wird und welch vielfältige Möglichkeiten bietet. Ein gelungener Auftakt!

Sashimi offeriert Lachs, Hamachi mit Limette und Steinbutt mit Kaviar. Die würzige Ponzu à part ist mit Yuzu stark säuerlich akzentuiert, während Daikon und Frühlingszwiebeln sehr würzige Akzente setzen. Dieser Gang kommt traditionell ohne Reis aus, um die Qualitäten des Fischs besonders zu betonen, denn die filetierten Stücke des Fischs sind zum Einlegen und Ziehen durch die Ponzu gedacht. Ein traditionell gehaltener Einschub, der aufgrund der makellosen Frische der Produkte und der wundervoll abgeschmeckten Würzsauce als kleines Meisterwerk bezeichnet werden darf.

Fortgesetzt wird der Reigen mit Nigiri 1: drei sauber filetierte Stücke von Steinbutt (markant gesalzen), Dorade (mit Ponzu und Yuzu verfeinert) und abgeflämmter Wolfsbarsch (von links nach rechts) können in einer hausgemachten Sojasauce eingetunkt werden und zusätzlich mit etwas Myoga-Ingwer (ganz rechts) nachgewürzt werden. Bei diesem besonders puristischen Gang hat man als Gast zumindest die Möglichkeit, die geschmacklichen Unterschiede zwischen den drei Fischen einmal ganz genau wahrzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Da der große Sushi-Meister ohnehin nahezu stumm zu Werke geht, lenkt nichts von der Konzentration auf das Wesentliche ab: erneut ein gelungener Gang mit besonders diffiziler Aromatik.

Die wichtigste Variation bei Nigiri 2 besteht in der Idee, drei Tranchen vom Thunfisch zu präsentieren – allerdings in verschiedenen Fettstufen (Akami, Chutoro und Toro). Während hierzulande meist nur der Toro (Bauch) verwendet wird, lernt man hier ganz nebenbei, welche Teile noch in Japan verwendet werden und bemerkt, dass etwas sauer eingelegter Rettich schon reicht, um Neulingen der japanischen Küche aufzuzeigen, wie deutlich sich die einzelnen Fettstufen tatsächlich geschmacklich voneinander unterscheiden. Die Gerichte machen teils fast schon Spaß beim Verzehr, aber der Aspekt einer kulinarischen Bildungsreise drängt sich hier immer stärker in den Vordergrund: schon jetzt verläuft dieser Abend sehr lehrreich.

Bei Ebitan nimmt Soba die Hauptrolle ein: die Nudeln aus Buchweizen füllen nicht nur den Algenwickel auf, sondern würzen auch den Sud anbei. Weiterhin eingearbeitet sind hier Tempura-Teig, Garnele, Frühlingszwiebeln und Wasabi. Mir war dieses Gericht bis dato kein Begriff, doch überzeugte es mit seiner wenig geläufigen Produktkombination – selbst wenn es bis hierhin der am wenigsten imposante Gang war. Jedenfalls ist der fast vegetarische Gang eine willkommene Abwechslung zu den teils kraftstrotzenden Vorgängern.

Der erste zusätzlich eingeschobene Gang dreht sich um geflämmtes Wagyu: links in einer Variante mit Frühlingszwiebeln und Trüffelsalz, rechts mit Rettich und Ponzu sowie ganz außen etwas Ingwer. Lauwarm interpretiert, entwickelt das Fleisch eine mineralische Frische; auch der hohe Fettanteil trägt nicht unwesentlich zum starken Eindruck bei, wenngleich dieses Fleisch fast zu schade für lauwarme Temperaturen ist.

Nigiri 3 wartet mit einer besonders exotischen Konstellation auf: links Kalamari, Limette und Seeigel, in der Mitte geflämmte Jakobsmuschel und rechts Tamago (leicht süßliches japanisches Omelett). Die Muschel gelingt am besten und überzeugt mit recht kraftvoller Aromatik und profitiert ungemein von der begleitenden Säure der Limette, während der Seeigel leider zu blass bleibt und trotz seiner leicht erkennbaren, eigentümlichen Aromatik nicht herauszuschmecken ist.

Shogayaki kommt im Gewand von gegrillter Gelbflossenmakrele, Zwiebel, Tomate und Frühlingszwiebel daher. Die ungleich wärmere Kreation als ihr Vorgänger punktet mit typisch asiatischer, süß-saurer und fast forscher Aromatik. Trotz des aromatisch relativ leichten Hauptdarstellers ist dies einer der am kraftvollsten zupackenden Gänge des Abends.

Den wohl besten Gang des Abends bis dahin gibt es bei Tataky zu bewundern: der Thunfisch ist optimal kurz gebraten und vorzüglich abgeschmeckt mit Sesam, Zwiebeln, Rucola und Schnittlauch. Faszinierend, wie transparent die einzelnen Komponenten ins beste Licht gerückt wurden und sich geschmacksstark zu einem beachtlichen Ensemble vereinen.

Im zweiten Zusatzgang wird Kamatoro-Thunfisch in allen seinen Facetten beleuchtet, denn die unterschiedliche Marmorierung kommt in drei Varianten besonders gut zum Tragen. Als rohe Variante, als Maki-Rolle und in geflämmter Form gesellen sich Rettich, Ponzu und Frühlingszwiebel als diesmal recht dezente Begleitung hinzu. Wer sorgsam schmeckt, merkt den Unterschied im Fettgehalt der verschiedenen verwendeten Teile des Fischs deutlich – eine intensive und ziemlich beglückende Erfahrung.

Tamewan ist eine cremige Misosuppe mit ähnlichen Einlagen wie bei Ramen: Hummer, Wakame, Pilze und Schnittlauch. Dieser ausgezeichnete und gehaltvolle Einschub verströmt exemplarischen Wohlgeschmack, aber diesen Gang an solcher Stelle im Menü einzubetten überrascht mich dann doch. Andererseits gebe ich unumwunden zu, dass dieser Eindruck rein subjektiv ist und mir das notwendige Hintergrundwissen um japanische Riten fehlt. Es ist ja auch nur noch ein Gang bis zum Finale …

… in welchem nochmals ein echtes Feuerwerk gezündet wird. Nigiri 4 entwickelt sich fast zu einer Art Kaleidoskop, was in der Welt des Sushi so alles möglich ist. Lachs, Garnele, Unagi, Futumaki und Ingwer kommen zum Schluss in opulenter Vielfalt auf den Tresen und runden einen vierstündigen Abend abwechslungsreich und würdig ab. Irgendwie nur schade, dass der Aal (Unagi) sein Potential ausschließlich im Finale ausspielen durfte, aber auch so ist dies der beste Beitrag des Abends und noch gelungener als das Tataky kurz zuvor.

Soweit ich das beurteilen kann, habe ich im Laufe des Abends ein Menü genossen, dessen handwerkliche Maßstäbe wirklich überzeugend gerieten. Ein solches Lokal als One-Man-Show zu betreiben erfordert einen gewissen Mut und muss fast zwangsläufig hier und da zu gewissen Abstrichen führen. Dennoch ist Atsushi Sugimoto die Freude und die Leidenschaft bei seiner Arbeit deutlich anzumerken, auch wenn er nur sehr wenig Deutsch spricht, demütig wirkt, kein großes Gerede um seine Kunst bevorzugt und die Kommunikation spärlich ausfällt. Die Frische der Produkte war erwartungsgemäß durchweg untadelig, doch gleichzeitig wird eben klar, dass ein reines Sushi-Menü einer anderen Dramaturgie folgt und Einteilungen etwa in Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts hier wenig bis überhaupt keinen Sinn machen. Dass der letzte Beitrag fraglos den optischen Höhepunkt der Parade darstellte, erlebt man anderswo naturgemäß nicht so oft, denn Desserts der Extraklasse sind doch eine rare Spezies.

Ansonsten widersteht man hier glücklicherweise der Verlockung, japanische Produkte und Techniken als Crossover an die potentiellen Bedürfnisse deutscher Gäste anzupassen, indem man etwa versuchen würde, deutsche Produkte in Form von Sushi zu präsentieren. Purismus, Reinheit und Demut vor dem Produkt sind hier jederzeit spürbar – und das fraglos zum Vorteil des Gastes. Mangels Vergleichen (das Aska ist ein kulinarisches Solitär in der deutschen Spitzenküche) fällt eine Beurteilung des Abends auf diesem Niveau gar nicht so leicht. Dramaturgische Längen lassen sich kaum vermeiden, doch ein wirklich schwaches oder gar missratenes Gericht gab es keinesfalls zu beklagen. Andererseits mag man sich ausmalen, dass dieses Menü wenig Variablen beinhaltet und ergo kaum von saisonalen Einflüssen geprägt sein kann. Die verwendeten Produkte sind mehr oder weniger ganzjährig verfügbar, so dass meine größte Sorge der Frage gilt, wie viel Neues ein zweiter Besuch hier noch offerieren würde. Die Premiere war sicherlich eine zur Nachahmung empfohlene Darbietung, doch im STORSTAD gegenüber darf man fraglos von mehr Abwechslung ausgehen.

Ein Statement hat Anton Schmaus mit seinem Aska indes definitiv gesetzt. Vielleicht findet sein Beispiel doch noch Nachahmer, denn auch ohne den höchsten qualitativen Anspruch setzt sein Sushi-Lokal Maßstäbe, an denen sich andere zu messen haben. Ein Besuch sollte also zumindest für jeden drin sein!

Mein Gesamturteil: 16 von 20 Punkten

 

Aska
Watmarkt 5
93047 Regensburg
Tel.: 0941/59993000
www.aska.restaurant

Guide Michelin 2022: *
Gault&Millau 2021: 16 Punkte
GUSTO 2022: 7,5 Pfannen
FEINSCHMECKER 2022: 2,5 F

10-gängiges Menü plus zwei Extras: € 190