In Essen-Kettwig befindet sich an einem Hang eine schmucke, kleine weiße Villa im Jugendstil, die bis Ende des Jahres 2016 das beste und einzige Zwei-Sterne-Restaurant im Herzen des Ruhrgebiets beherbergte: die „Résidence“.
Chefkoch Berthold Bühler hatte mit nunmehr 65 Jahren laut eigener Aussage den Druck, irgendwelche Sterne, Pfannen, Kochhauben und sonstige Auszeichnungen ständig bestätigen zu müssen, einfach satt und wollte sich nunmehr stärker um die Familie kümmern. Eine Fortsetzung der kulinarischen Geschichte ist nicht zu erwarten, da das Lokal bereits an einen Architekten verkauft ist, über dessen Pläne zwar wenig bekannt ist – aber immerhin so viel, dass sie nicht kulinarischer Natur sein sollen.
Beim einzigen Besuch, wenige Wochen vor der Schließung des Lokals, durfte ich eine recht farbenfroh und verspielt wirkende Küche kennenlernen, die durchaus das Potential hatte, mit der eher klassischen Räumlichkeit bewusst anzuecken. Abseits von Trinkhallen und Currywurstbuden bot sich hier dem geneigten Gast jedenfalls eine Küche, die mit dem Image des Ruhrgebiets praktisch nichts gemeinsam hat.
Ein aufmerksamer Service unter der Leitung der Ex-Frau des Patrons sorgte für eine heitere und unbeschwerte Atmosphäre an jenem Abend, der durchaus einige angenehme Überraschungen parat hatte (vor allem den exquisiten und äußerst gehaltvollen Schokoladentrüffel bei der Verabschiedung!). In Einzelfällen hinterließ die Optik der Gerichte einen stärkeren Eindruck als der Geschmack, doch echte Enttäuschungen hatte die Menüfolge auch nicht vorgesehen. Insgesamt erlebte man hier eine leichte Küche mit zahlreichen Verfremdungseffekten. Dies führte zu außergewöhnlichen Erfahrungen, aber manchmal eben auch zu Kontroversen. Wie dem auch sei – die Küche der „Résidence“ war in puncto eigenem Stil stärker ausgeprägt als sich das von der Küche in vielen anderen Lokalen behaupten ließe.
Für die geleistete Arbeit, ein Restaurant auf solch hohem Niveau über Jahrzehnte zu führen, gebührt Berthold Bühler auf jeden Fall der Dank der Gastro-Szene. Laut eigener Aussage hatte es der Patron in den letzten Wochen nochmals „krachen lassen wollen“ – meiner Meinung nach ist ihm das bei den meisten Gerichten auch durchaus gelungen.
Da dieser eine Besuch des „Newcomers“, der erst vor fünf Jahren in die Szene einstieg, wohl kaum genug Rückschlüsse auf die Entwicklung des Lokals in den vergangenen drei Jahrzehnten zulässt, bleibt mir an dieser Stelle nur festzuhalten, dass Fernsehkoch Frank Rosin (zwei Michelin-Sterne) in seinem Lokal in Dorsten am Rande des Ruhrgebiets nun die Pole Position in der Region einnimmt. Auch in Düsseldorf werden Gourmets natürlich weiterhin fündig, wie beispielsweise im japanischen Restaurant „Nagaya“ oder bei Jean-Claude Bourgeuil in Kaiserswerth. Nicht wenige dürften trotzdem der „Résidence“ zurecht nachtrauern.
In diesem Sinne: herzlichen Dank, Herr Bühler!