Die Polonaisen Chopins sind natürlich keine Karnevalsstücke, sondern heroische und pathetische Tonschöpfungen in dreiteiliger Liedform, die vom Freiheitskampf der Polen in den 1830er-Jahren gegen Russland zeugen. Die bekannteste unter ihnen, die triumphale Polonaise in A-Dur op. 40,1 gilt inzwischen als heimliche Nationalhymne Polens, und die Grande Polonaise brillante As-Dur op. 53 gehört zu den meistgespielten Werken Chopins überhaupt. Artur Rubinstein nannte die Polonaisen „unter Blumen versteckte Kanonen“ und spielte damit auf die gelungene Synthese von Stolz und Freiheitskampf auf der einen Seite sowie Poesie und Feinfühligkeit auf der anderen Seite an.
Sieht man von Rubinsteins eigener (in der zuvor empfohlenen Box enthaltenen) hervorragenden Interpretation ab, so kenne ich nur noch eine andere CD, die mithalten kann. Maurizio Pollini vereint auf geradezu ideale Weise wohldosierte Kraft und Intellekt. Natürlich ist der Italiener viel zu erfahren, als dass er diese Werke einfach lieblos mit dröhnendem Tastengedonner zukleistern würde. Im Gegenteil: gerade in den leiseren Passagen tritt die inhärente Qualität in Pollinis Spiel besonders deutlich zutage. Besonders eindrucksvoll gerät beispielsweise der Spannungsbogen, den er in der Fis-Moll-Polonaise op. 44 mit der Mazurka im Mittelteil schafft. Hier wird nicht gleich das ganze Pulver zu Beginn verschossen, sondern wohldosiert eingesetzt und zu einem guten Teil für die finale Coda aufgespart. Ein Kritiker behauptete gar einst, Pollini würde die Polonaisen „auf leisen Sohlen durchschreiten“! Fürwahr eine bemerkenswerte Aussage, wenn man diese ausgerechnet auf Chopins Polonaisen bezieht!
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