Frédéric Chopin (1810 – 1849): Scherzi (Standardrepertoire)

Eines der Verdineste Chopins besteht darin, dass er das Scherzo nicht nur aus seiner gewohnten Umgebung (der Sinfonie und der Klaviersonate) entriss, sondern diese Werkgattung als selbständige Komposition etablierte. Dabei erweiterte er den Umfang eines gewöhnlichen Scherzos signifikant, ohne dabei die stereotype Form an sich zu verletzen. Vielmehr gewannen die einzelnen Teile nicht nur in puncto Länge, sondern auch virtuosem Anspruch erheblich an Gewicht. Die Scherzi zählen somit zu den technisch anspruchsvollsten Kompositionen Chopins, sind aber im Gegenzug dankbare Stücke für Virtuosen, die das Publikum beeindrucken wollen. Dies sollte jedoch nicht zu der irrigen Annahme führen, dass es sich bei den Scherzi um oberflächliche Reißer handelt – nein, es handelt sich bei ihnen möglicherweise um die ideale Balance zwischen tiefer Emotionalität und unbändiger Energie, gepaart mit ganz viel Spielfreude.

Nach langer Suche fiel meine Wahl schließlich auf die Darbietung des brasilianischen Ausnahmepianisten Nelson Freire (Jahrgang 1944), der noch immer aktiv ist und mit jedem Jahr besser zu werden scheint! Wenn Sie die seltene Gelegenheit haben sollten, diesen Pianisten live zu erleben, dann sollten Sie nicht zögern! Ihn umgibt eine Art lebensbejahende Aura, die sofort auf das Publikum überspringt und dankbar von diesem aufgenommen wird. In seinen besten Momenten entlockt er dem Instrument klangliche Eingebungen, die ihresgleichen suchen und für ungläubiges Staunen im Konzertsaal sorgen.

Sein Spiel aus den späten 70er-Jahren hat bereits alles, was diese Stücke benötigen: Charme, Spontaneität, unerschöpfliche Kraft, Glanz, Pathos und meisterhafte Technik. Die souveräne Darbietung des einstigen Wunderkindes bringt auch schillernde, brasilianische Lebensfreude mit und tut den Werken ungemein gut.

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