Gibt es ein neues Drei-Sterne-Restaurant 2017?

Der Guide Michelin kündigte im Herbst ohne nähere Angabe von Gründen an, dass der Guide für das kommende 2017 erst am 1. Dezember (und damit ungewöhnlich spät) veröffentlicht würde. Dies nährt die (meist ohnehin schon üppig ins Kraut sprießenden) Spekulationen, ob ein neues Drei-Sterne-Restaurant vielleicht noch mehrmals getestet werden musste. Wie dem auch sei, hier ein kurzer Überblick über die Erfolgsaussichten der Zwei-Sterne-Restaurants im Guide 2016:

 

Residenz Heinz Winkler (Aschau): die Balance zwischen Klassik und Moderne scheint nach Ansicht vieler Kritiker nicht so recht zu gelingen. Da das Restaurant seinen dritten Stern bereits vor einigen Jahren verlor, ist diese Veste der Klassik sicherlich kein echter Kandidat.

August (Augsburg): nach dem Umzug in die Villa Haag haben sich die Räumlichkeiten stark verändert, die Küchenstilistik hingegen weniger. Ein solider zwei-Sterne-Kandidat, aber mehr eher nicht (zumal der Konkurrenz-Guide Gault&Millau das Lokal Jahr für Jahr aufs Neue zerreißt).

Il Giardino (Bad Griesbach): Das Lokal schloss seine Pforten im Mai 2016 und kann daher von der Liste gestrichen werden.

Steinheuers Restaurant zur alten Post (Bad Neuenahr-Ahrweiler): meines Erachtens wäre hier ein dritter Stern in Erwägung zu ziehen. Leider lehrt die langjährige Erfahrung, dass Köche über 50 eher selten noch den dritten Macaron verliehen bekommen.

Le Pavillon (Bad Peterstal-Griesbach): dieses Lokal habe ich noch nie besucht und kann mich daher nur auf das stützen, was man sonst so hört – nämlich nicht viel. Aller Wahrscheinlichkeit nach bleibt es bei zwei Sternen.

Brenners Park-Restaurant (Baden-Baden): nach der Aufwertung vor zwei Jahren käme der dritte Stern wohl noch zu früh. Dass Küche und Hotelleitung allerdings klar auf dieses Ziel hinarbeiten, gab Chefkoch Paul Stradner in einem Stern-Interview selbst bekannt. Keine Frage: der dritte Stern würde dem altehrwürdigen Traditionshotel besonders gut zu Gesicht stehen.

Schlossberg (Baiersbronn): das Lokal fehlt mir noch. Der dritte im Baiersbronner Bunde (neben Schwarzwaldstube und Bareiss) dürfte ebenfalls den dritten Stern anvisieren. Nach der Aufwertung vor drei Jahren käme der dritte Stern jetzt schon allerdings überraschend.

Horváth (Berlin): nach der Aufwertung im letzten Jahr definitiv noch kein Kandidat für die höchsten Weihen.

Tim Raue (Berlin): viele sind verwundert, dass es den dritten Stern nicht schon gegeben hat. So wird dieses Lokal wie jedes Jahr zum Kreis der aussichtsreichsten Kandidaten gehören.

Facil (Berlin): den Besuch in diesem Lokal habe ich noch in bester Erinnerung. Die Aufwertung auf zwei Sterne ist allerdings noch nicht so lange her – daher eher unwahrscheinlich, dass dieses Lokal in die engere Wahl kommt.

Fischers Fritz (Berlin): Chefkoch Christian Lohse scheint derzeit mehr im TV als in der Küche präsent zu sein – kein gutes Zeichen. Im schlimmsten Fall droht sogar eine Abwertung (der Gault&Millau ist bereits mehrfach auf diesen Zug aufgesprungen).

Lorenz Adlon Esszimmer (Berlin): definitiv ein ganz heißer Kandidat. Der Gusto 2016 zählt das Lokal gar zu den besten vier in Deutschland. Tolle Atmosphäre, sensationelle Gerichte und ein traditionsreiches Hotel sind sicherlich ausgezeichnete Trumpfkarten.

Reinstoff (Berlin): verdientermaßen zwei Sterne, aber eben auch nicht mehr. Manchmal wirkt die Küche zu verspielt und schießt bei aller Experimentierfreude auch schon mal übers Ziel hinaus.

Sterneck (Cuxhaven): habe ich noch nie besucht. Allerdings gibt es keine Anzeichen für eine Aufwertung (wie z.B. umfassende Neugestaltung oder ständige Präsenz des Chefs in den Medien).

Rosin (Dorsten): ein weiteres Lokal mit einem Chefkoch, der häufiger im TV zu sehen ist. Meist ist dies eher ein Anzeichen für einen Schritt in die falsche Richtung. Eventuell droht sogar eine Abwertung.

Im Schiffchen (Düsseldorf): eines der Lokale, das den dritten Stern schon verloren hat (vor zehn Jahren). Jean-Claude Bourgueil präsentiert große Klassik, aber leider auch wenig Hang zu zeitgemäßen Speisen und Bereitschaft zur Erneuerung. Definitiv kein Kandidat.

Résidence (Essen): das beste Restaurant im Ruhrgebiet schließt zum Jahresende und kann daher vernachlässigt werden.

Lafleur (Frankfurt am Main): nach seinem Weggang aus Baden-Baden hat Andreas Krolik hier eine neue Bleibe gefunden. Nach einem kurzen Intermezzo im Tiger-Restaurant sind die Kritiker nun hellauf begeistert von den Kreationen Kroliks – und auch von seinem veganen Menü. Durchaus möglich, dass demnächst der dritte Stern winken könnte. Die letzte Aufwertung ist allerdings erst ein Jahr her, und ein eigenes Urteil kann ich mir nicht erlauben, da ein Besuch dieses Lokals noch aussteht.

Tigerpalast (Frankfurt am Main): auch hier fehlt mir noch ein Besuch. Man hört jedenfalls in letzter Zeit wenig von diesem Lokal, so dass weiterhin zwei Sterne am wahrscheinlichsten sind.

Meierei Dirk Luther (Glücksburg): einer der heißesten Anwärter auf den dritten Stern. Was Chefkoch Dirk Luther mir hier an der Flensburger Förde hier vorsetzte, hinterließ einen nachhaltigen und bleibenden Eindruck. Ganz groß!

Jacobs Restaurant (Hamburg): das Traditionshotel Louis C. Jacob sollte den zweiten Stern seines Vorzeigerestaurants locker halten können. Chefkoch Thomas Martin kocht übersichtlicher und leichter als zuvor.

Haerlin (Hamburg): für viele der Topfavorit, auch wenn mein Besuch eher durchschnittlich ausfiel. Die Anstrengungen des Hotels und des Küchenteams laufen aber ganz klar darauf hinaus, den dritten Stern eines Tages zu erlangen – vielleicht schon in wenigen Tagen …

Süllberg – Seven Seas (Hamburg): meiner Meinung nach ein typisches Zwei-Sterne-Restaurant mit exzellenter Küche, der allerdings das letzte Quäntchen immer wieder mal fehlt.

Le Moissonnier (Köln): eines der umstrittensten Lokale. Während die einen die lockere Bistro-Atmosphäre des Lokals loben, empfinden andere den Lärmpegel als völlig unangemessen. Ich gebe zu, dass ich kein großer Freund dieses Lokals bin – dessen ungeachtet sehe ich keinen Grund für eine Änderung in der Bewertung.

Villa Rothschild (Königstein im Taunus): ein langsamer, aber stetiger Prozess der Verbesserung macht dieses Lokal wohl zu einem langfristigen Kandidaten. 2017 dürfte jedoch zu früh kommen.

Ophelia (Konstanz): Dirk Hoberg beeindruckte mich mit einem großartigen Menü. Nach einer weiteren Schärfung seines Profils hat bereits so mancher Restaurantführer die Bewertung angehoben. Ein dritter Stern eines Tages wäre daher keine allzu große Überraschung, aber zum jetzigen Zeitpunkt wohl schon.

Falco (Leipzig): Peter Maria Schnurr kredenzt Kompositionen wie sie ihm kein zweiter in Deutschland nachmacht. Mein persönlicher Topfavorit für den dritten Stern, zumal dann endlich auch einmal einem Lokal in den neuen Bundesländern die höchste Ehre zuteil würde.

Dallmayr (München): beste Viktualien im Erdgeschoss und ein Top-Lokal im Stockwerk darüber. Diethard Urbansky arbeitet sich weiter nach oben, und dennoch käme ein dritter Stern wohl zu früh.

Atelier (München): Senkrechtstarter Jan Hartwig, ehemaliger Souschef unter Sven Elverfeld im Wolfsburger Drei-Sterne-Restaurant Aqua, ist auf der Überholspür. Ein wirklich phantastisches Menü brachte mich zu der Überzeugung, dass trotz der Aufwertung auf zwei Sterne im letzten Jahr der dritte Stern nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Eine erneute Aufwertung wäre allerdings dennoch eine Überraschung, einfach weil zwei Aufwertungen nacheinander so häufig wie Wasser in der Wüste vorkommen.

Tantris (München): die 70er-Jahre-Designikone in Schwabing sollte die zwei Sterne problemlos halten. Für drei wird es sicherlich nicht reichen.

Ess.Zimmer (München): das Spitzenlokal in der BMW-Welt hat sich unter Bobby Bräuer rasch zu einer der Top-Adressen Münchens gemausert. Für den dritten Stern wird es aber nicht reichen.

Fährhaus (Munkmarsch/Sylt): das Restaurant hat mittlerweile geschlossen und ist daher von der Liste zu streichen.

Essigbrätlein (Nürnberg): die gemüselastige und hochgradig individuelle Küche in dem putzigen Sandsteinhaus im Herzen der Altstadt beeindruckt mich stets aufs Neue. Die Frage ist, ob diese fast schon zur Perfektion getriebene Küche noch mehr Potential abrufen kann. Der dritte Stern scheint nicht zuletzt schon wegen der Räumlichkeiten unerreichbar. Ich würde ihn Andrée Köthe und seinem kongenialen Partner Yves Ollech aber fraglos gönnen.

Schanz (Piesport): das idyllisch gelegene Örtchen an der Mosel befindet sich seit dem steilen Aufstieg von Thomas Schanz auf der kulinarischen Landkarte Deutschlands. Auch wenn der Chefkoch derzeit viele Lobeshymnen bekommt, so wäre ein dritter Stern nach der letztjährigen Aufwertung auf zwei noch zu früh – abgesehen davon, dass ich meinen Besuch dort als durchschnittlich, aber keineswegs herausragend empfand.

Söl’ring Hof (Rantum/Sylt): das Menü beeindruckte mich in stärkerem Maße als erwartet. Der Luxusresidenz käme der dritte Stern überaus gelegen, aber es ist eher unwahrscheinlich, dass es dafür reicht.

Ammolite (Rust): das Restaurant im Leuchtturm neben dem Gelände des Europa Parks war schon 2015 eine große Überraschung unter den neuen Zwei-Sterne-Restaurants. Trotz eines sehr guten Menüs definitiv kein Kandidat für den dritten Macaron.

Le Noir (Saarbücken): meldete im April 2016 Insolvenz an und ist geschlossen.

Hirschen (Sulzburg): fehlt mir noch. Douce Steiner, die einzige Zwei-Sterne-Chefin Deutschlands scheint aber – nach allem, was man so hört – ihr Niveau konstant halten zu können. Es bleibt wohl bei zwei Sternen.

Becker’s (Trier): ein ausgezeichnetes Menü bestätigte, dass Wolfgang Becker weiter nach oben strebt. Für drei Sterne wird es trotzdem eher noch nicht reichen.

Kastell (Wernberg-Köblitz): der Gusto vergibt bereits die Höchstnote von 10 Pfannen, während die anderen Guides noch nicht nachziehen wollen. Thomas Kellermann gehört mit Sicherheit zu den sympathischsten Chefs in Deutschland und arbeitet weiterhin hart. Der dritte Stern ist trotzdem noch nicht zum Greifen nah.

 

Ich bin selbst am meisten gespannt, welche meiner Prognosen eintreten werden …