Gibt es ein neues Drei-Sterne-Restaurant 2019? (UPDATE)

UPDATE:

Die Katze ist aus dem Sack: wie erwartet gibt es kein neues 3-Sterne-Restaurant. Fünf Restaurants wurden auf zwei Sterne angehoben, während zwei Restaurants einen ihrer zwei Sterne sogar abgeben mussten: das Sterneck in Cuxhaven (wozu ich rein gar nichts sagen kann, da ich es noch nicht besucht habe) und ziemlich überraschend der Schlossberg in Baiersbronn. Da hätte es für mich offensichtlichere Kandidaten für eine Abwertung gegeben.
Erfreulich jedenfalls auch, dass die Ostalb mit dem ursprung in Königsbronn-Zang auch endlich wieder ein Sterne-Restaurant vorweisen kann, nachdem seit der Schließung des legendären Landgasthofs Adler in Rosenberg im Oktober 2016 diesbezüglich Flaute herrschte.

Die stetig steigende Zahl an Sternerestaurants in Deutschland (auch dieses Jahr mit insgesamt 309 wieder ein neuer Rekord) kann man natürlich wie immer auf zwei Arten interpretieren: entweder gibt es mehr talentierte Köche denn je in Deutschland oder die Vergabe erfolgt inzwischen (speziell im 1-Stern-Bereich) allzu inflationär. Wie dem auch sei: vielen Gourmets gilt der rote Guide immer noch als die höchste kulinarische Instanz und Referenz – und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

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Die Deutschland-Ausgabe des neuen Guide Michelin wurde diesmal überraschend spät für Ende Februar angekündigt, obwohl in den Vorjahren die Veröffentlichung meist Ende November oder Anfang Dezember des Vorjahres erfolgte. Den offiziellen Grund führte ein Sprecher des berühmten roten Restaurant- und Hotelführers in einem Interview aus:
„Die Guide MICHELIN Reihe wird durch neue Destinationen auf der ganzen Welt erweitert“, so Ralf Flinkenflügel, Direktor Guide MICHELIN Deutschland und Schweiz. „Durch die Ausweitung der Reihe verschieben sich aus organisatorischen Gründen für bestimmte Ausgaben die traditionellen Einführungstermine zum Jahresende. Hierzu zählen auch die Guides MICHELIN Deutschland und Schweiz“, so Flinkenflügel weiter. (zitiert nach www.restaurant-ranglisten.de)

Wie dem auch sei – es ist wieder einmal an der Zeit für Spekulationen, ob sich ein weiteres Restaurant zu den derzeit zehn in Deutschland gesellen darf, die derzeit die höchsten Weihen des Guide Michelin empfangen. Wahrscheinlich schlief so mancher hochdekorierte Koch seit der Frankreich-Ausgabe sehr viel schlechter, denn in einem nahezu beispiellosen Akt wurde in unserem Nachbarland nicht weniger als drei Restaurants der dritte Stern aberkannt (auch wenn im Gegenzug zwei neue dafür dazu kamen). Ich sehe derzeit kein Lokal mit drei Sternen in Deutschland, das derzeit um den Erhalt des dritten Sterns bangen muss, so dass ich mich wie schon in den Jahren zuvor wieder auf die untenstehenden Zwei-Sterne-Restaurants konzentriere und versuche, ihre Chancen auf den dritten Stern zu beurteilen.

Residenz Heinz Winkler (Aschau im Chiemgau): Heinz Winkler verlor den dritten Stern 2009 und hat meines Erachtens keine Chance, ihn wiederzuerlangen. Dafür fehlt es an dem Willen zur Erneuerung und dem letzten Quäntchen an Präzision.

August (Augsburg): Christian Grünwald hat weiter an seinen Fähigkeiten nach dem Umzug in die Haag-Villa gefeilt. Vom Gault&Millau jedes Jahr aufs Neue abgekanzelt, vergibt der Michelin seit mehr als zehn Jahren zwei Sterne. Das „August“ ist und bleibt eine Wundertüte, aber der dritte Stern wäre eine riesige Überraschung.

Keilings Restaurant (Bad Bentheim): dieses Lokal fehlt mir noch, ist aber angesichts der letztjährigen überraschenden Aufwertung auf zwei Sterne mit Sicherheit (noch) kein Kandidat für den dritten Macaron.

Steinheuers Restaurant Zur alten Post (Bad Neuenahr-Ahrweiler): mein letzter Besuch ist schon viel zu lange her. Dennoch würde ich dem Lokal gewisse Chancen einräumen, da neben den hohen Bewertungen in anderen Guides auch weitere Veränderungen eintreten. Der Schwiegersohn ist inzwischen zum Souschef avanciert, und auch der Patissier wurde vom Gault&Millau heuer zum „Patissier des Jahres“ gekürt. Objektiv haben andere Lokale bessere Chancen, aber gönnen würde ich es keinem mehr als Hans Stefan Steinheuer, dem stillen Star von der Ahr.

Le Pavillon (Bad Peterstal-Griesbach): das idyllisch im Schwarzwald gelegene Restaurant ist eine gediegene und klassische Top-Adresse. Der dritte Stern ist dennoch außer Reichweite.

Schlossberg (Baiersbronn): auch die Konkurrenz im Murgtal schläft nicht. Was Jörg Sackmann und sein Sohn hier kontinuierlich aufgebaut haben, hat durchaus das Potential zur Beeindruckung. Für den dritten Stern reicht es aber noch nicht.

Horváth (Berlin): ein Lokal mit einem deutschlandweit einzigartigen Konzept, das ich im Herbst 2018 besucht habe. Sebastian Frank hat fraglos großes Talent, aber drei Sterne sind im Moment noch eine Nummer zu groß.

Tim Raue (Berlin): das Lokal des alles andere als medienscheuen Kreuzbergers gehört auch heuer wieder zum engsten Favoritenkreis. Viel geändert hat sich hier in den letzten Jahren (außer an den Preisen) allerdings nicht. Ich denke, es bleibt wieder bei zwei Sternen.

Facil (Berlin): eines der besseren Zwei-Sterne-Restaurants mit teils umwerfenden Kreationen und tiefenentspannt wirkendem Ambiente, direkt am Potsdamer Platz. Es wird wohl bei zwei Sternen bleiben.

Lorenz Adlon Esszimmer (Berlin): viele Rahmenbedingungen wären einem Drei-Sterne-Restaurant bereits absolut angemessen. Die Küche könnte sich noch ein wenig kreativer geben, aber auch so bleibt festzuhalten, dass Hendrik Otto mit Sicherheit zu den engsten Anwärtern auf den dritten Stern gezählt werden darf.

Rutz (Berlin): nach einer Abwertung durch den Gault&Millau sehe ich auch sonst keinerlei Anzeichen für eine klare Steigerung, weshalb es bei zwei Sternen bleibt.

Reinstoff (Berlin): nach dem Umzug in neue Räumlichkeiten zu Beginn dieses Jahres steht für Daniel Achilles ein Neuanfang an, so dass der dritte Stern hier definitiv nicht vergeben wird, zumal mich der jüngste Besuch wahrlich nicht vom Hocker riss.

Sterneck (Cuxhaven): fehlt mir nach wie vor in meiner „Sammlung“. Die Noten der anderen Guides lassen jedoch nur den Schluss zu, dass drei Sterne hier völlig illusorisch sind.

Rosin (Dorsten): dass die penetrante Dauerpräsenz von Frank Rosin im Fernsehen nicht schon zu einer Abwertung geführt hat, ist vielleicht die größte Überraschung. Will sagen: bevor es hier den dritten Stern gibt, wird es noch eher eine Abwertung geben.

Im Schiffchen (Düsseldorf): Altmeister Jean-Claude Bourgueil schloss sein Lokal und bietet nun ausgewählte Klassiker neben mediterranen Gerichten im Erdgeschoss des Hauses (im Restaurant Enzo by Schiffchen) an. Würde das „Enzo“ den zweiten Stern wiederbekommen, wäre selbst das schon eine kleine Überraschung.

Lafleur (Frankfurt am Main): Andreas Kroliks vegane Menüs beeindrucken durchaus, aber der letzte Schritt zum dritten Stern ist noch ein ziemlich großer. Es bleibt bei den wohlverdienten zwei Sternen.

Burg Schwarzenstein (Geisenheim): bereits zu den Zeiten in Bergisch Gladbach (Schloss Lerbach) galt Nils Henkel als Kandidat für den dritten Stern (der dem Haus nach dem Abgang des legendären Dieter Müller aberkannt wurde). Nun kocht er wohl besser denn je (auch mein Besuch 2017 schaffte es in meine Top Ten aller Zeiten) und ist mich der Topfavorit auf den dritten Stern, falls überhaupt einem Lokal dieser Triumph gelingen sollte.

Meierei Dirk Luther (Glücksburg): das Spitzenlokal an der Flensburger Förde verdient seine Auszeichnungen vollkommen, aber der dritte Stern ist doch noch ein Stück weg.

Jacobs Restaurant (Hamburg): nach einem Konzeptwechsel hat Thomas Martin sein Restaurant wieder stabilisiert und darf wohl weiterhin mit zwei Sternen rechnen.

Haerlin (Hamburg): seit vielen Jahren ist das noble Restaurant an der Binnenalster einer der Topfavoriten auf den dritten Stern. Meinem Besuch nach zu urteilen reicht es nicht für den dritten Stern, aber nicht wenige sehen das auch anders. Fraglos mehr als ein Geheimtipp!

Süllberg – Seven Seas (Hamburg): das edle Lokal in Blankenese hält seine zwei Sterne, aber drei sind derzeit nicht wirklich realistisch.

Le Moissonnier (Köln): Deutschlands lautestes Sternerestaurant mit der unverwechselbaren Atmosphäre enttäuschte mich nachhaltig bei meinem bisher einzigen Besuch (2015), hält aber die zwei Sterne mit Sicherheit. Für drei Sterne reicht es nicht.

Ophelia (Konstanz): Dirk Hoberg ist einer der ambitioniertesten und sympathischsten junge Köche, die ganz nach oben wollen. In zwei, drei Jahren könnte es soweit sein – dieses Jahr dürfte es eher nicht reichen.

Falco (Leipzig): die Kultstätte der kulinarischen Avantgarde hält unverdrossen die Fahne der Haute Cuisine in den neuen Bundesländern hoch. Wie jedes Jahr gehört Peter Maria Schnurr zum engsten Kreis der Favoriten auf den dritten Stern.

Opus V (Mannheim): Tristan Brandt ist ein weiterer, noch junger Vertreter seiner Zunft, der höchste Weihen anstrebt. Der dritte Stern käme zu früh, doch mittelfristig sehe ich in ihm einen ernstzunehmenden Anwärter.

Dallmayr (München): Diethard Urbansky beendete im Sommer 2018 seine Karriere, worauf das Restaurant einem Facelifting unterzogen wurde und nun unter dem Namen Alois von seinem ehemaligen Souschef weitergeführt wird. Hier muss also erst einmal wieder ein Stern erlangt werden.

Geisels Werneckhof (München): nach dem großen Hype vor einigen Jahren ist es um Tohru Nakamura wieder etwas ruhiger geworden – trotzdem kocht dieser auf unverändert exzellentem Niveau und darf auf die Sensation hoffen.

Tantris (München): in der Wiege der deutschen Hochküche zieht Hans Haas unbeirrt seinen Stil durch und darf wie jedes Jahr mit zwei Sternen rechnen.

EssZimmer (München): ein starker Besuch vom November 2018 ist mir noch in bester Erinnerung, doch die Küchenleistung reicht noch nicht ganz aus für drei Sterne.

Essigbrätlein (Nürnberg): das in Deutschland einzigartige Restaurant hat seine Meisterschaft auf dem Gebiet des Gemüse inzwischen in ungeahnte Höhen getrieben. Trotzdem sehe ich her kein Potential für den dritten Stern. Wenn es doch reichen sollte, dann umso lieber!

Schanz (Piesport): mittlerweile eine der besten Adressen an der Mosel, doch Chefkoch Thomas Schanz muss noch ein wenig reifen, bevor man über den dritten Stern reden kann.

Söl’ring Hof (Rantum): die erste Adresse auf Sylt konnte in den letzten Jahren unter der Doppelspitze King/Berner nochmals deutlich zulegen. Vielleicht ist der dritte Stern sogar möglich, doch einer kleinen Überraschung käme er in jedem Fall gleich.

ammolite (Rust): eines der unauffälligsten Zwei-Sterne-Lokale, in dem sich Chefkoch Peter Hagen-Wiest heimlich, still und leise nach oben arbeitet. Noch ist er kein Kandidat für den dritten Stern, aber in ein paar Jahren kann die Sache anders aussehen …

Hirschen (Sulzburg): Deutschlands einzige Chefin mit zwei Sternen hat den elterlichen Gasthof weit über die Grenzen von Südbaden hinaus bekannt gemacht. Ich war noch nicht dort, kann aber auch keine medialen Anzeichen für einen dritten Stern erkennen.

Becker’s (Trier): mein letzter Besuch (Herbst 2017) war eher eine kleine Enttäuschung. Drei Sterne sind hier derzeit außer Reichweite.

Courtier (Wangels): die Rückkehr von Christian Scharrer an die Ostsee ist für die Region absolut gewinnbringend. Dennoch wäre der dritte Stern eine riesige Überraschung.

Kastell (Wernberg-Köblitz): nach dem Abgang von Chefkoch Thomas Kellermann Richtung Rottach-Egern an den Tegernsee bäckt man hier nun kleinere Brötchen. Selbst um einen Michelin-Stern wird man hier schon kämpfen müssen.

Le Cerf (Zweiflingen): angesichts der Aufwertung auf zwei Sterne erst vor zwei Jahren erwartet hier sicherlich noch keiner einen dritten Stern. Das hat noch Zeit, zumal Chefkoch Boris Rommel noch recht jung ist.

 

Am wahrscheinlichsten ist, dass es mit drei Sternen für kein neues Lokal ausreicht. Meine sieben Topfavoriten (gewichtet nach Erfolgschancen) auf einen dritten Stern lauten jedenfalls:

  1.  Burg Schwarzenstein, Geisenheim (Nils Henkel)
  2.  Lorenz Adlon Esszimmer, Berlin (Hendrik Otto)
  3.  Falco, Leipzig (Peter Maria Schnurr)
  4.  Haerlin, Hamburg (Christoph Rüffer)
  5.  Söl’ring Hof, Rantum (Johannes King / Jan Christoph Berner)
  6.  Steinheuers Restaurant, Bad Neuenahr-Ahrweiler (Hans Peter Steinheuer)
  7.  Tim Raue, Berlin (Tim Raue)

Ein kurzes Update dieses Beitrags erfolgt nach der Veröffentlichung des Guide Michelin am
26. Februar 2019.