Gibt es ein neues Drei-Sterne-Restaurant 2021? (UPDATE 5.3.2021)

UPDATE (5.3.2021)

Die ausschließlich online übertragene Michelin-Gala ist seit heute Geschichte. Die Katze ist somit aus dem Sack – und die Zahl der Überraschungen hält sich diesmal in Grenzen. Angesichts der schwierigen Pandemie-Lage durfte man allerdings auch davon ausgehen, dass es diesmal nicht sonderlich viele Änderungen geben würde.

Fangen wir bei den Drei-Sterne-Restaurants an: das temporaire – Schwarzwaldstube erhielt erwartungsgemäß die drei Sterne zurück, die dem Lokal in einer kleinlichen Entscheidung nach dem Brand im letzten Jahr wegen zwangsläufiger Schließung aberkannt wurden. Das provisorische Restaurant wird wohl 2022 schon wieder Geschichte sein, weil dann aller Voraussicht nach der Neubau fertig sein wird. Weitere neue Lokale sind nicht hinzugekommen, so dass allenfalls der Form halber von einem neuen Dreisterner gesprochen werden kann.

Meine Prognose mit dem Restaurant Überfahrt als Wackelkandidat für eine Aberkennung des dritten Sterns ist nicht eingetreten, aber dafür hat es das andere Lokal, das auch im Gault&Millau jüngst die Höchstnote aberkannt bekam, erwischt: das GästeHaus Klaus Erfort in Saarbrücken zieren nun nur noch zwei Sterne. In einem persönlichen Statement des Küchenchefs hieß es, ein Restaurant wie seines, das in diesen Zeiten ohne Hotel oder Sponsor im Hintergrund klarkommen muss, hätte es derzeit extrem schwer. Er selbst dankte seinem Team für die Höchstleistung, aber offenbar hätten die Inspektoren eben massivere Abstriche ausgemacht.
Damit gibt es in der Bundesrepublik weiterhin unverändert zehn Drei-Sterne-Restaurants.

Neu in der Liga der Zwei-Sterne-Lokale sind das Esplanade in Saarbrücken, das übrigens von Klaus Erforts ehemaligem Souschef Silio del Fabro geleitet wid, und das Ösch Noir in Donaueschingen unter der Leitung von Manuel Ulrich. Beide Restaurants durften als potentielle Kandidaten gelten (siehe meine Favoritenliste), aber der neue Dritte im Bunde ist eine faustdicke Überraschung: das Goldberg in Fellbach scheint seit meinem wenig denkwürdigen Besuch im Herbst 2017 auf der Überholspur unterwegs gewesen zu sein. Es ist davon auszugehen, dass nur die wenigsten Kritiker dieses Lokal auf dem Schirm gehabt haben dürften – hier hat der Michelin mal wieder ein echtes Kaninchen aus dem Hut gezaubert.

Aus der Zwei-Sterne-Liga ist neben den inzwischen geschlossenen Lokalen das Becker’s in Trier entfernt worden. Unser jüngster Besuch im August 2020 geriet etwas schwächer als manche Stippvisite zuvor, aber aus meiner Sicht ist die Abwertung auf einen Stern diskussionswürdig. Da hätte es meiner Meinung nach naheliegendere Kandidaten gegeben.

Erfreulicherweise konnte der legendäre Schwarze Adler in Vogtsburg, dessen Patron übrigens der amtierende DFB-Präsident Fritz Keller ist, den Stern nach einjähriger Pause wiedererlangen. Das nicht nur wegen seiner klassischen Küche, sondern auch wegen seines legendären Weinkellers mit 2.900 (!) verschiedenen Positionen bekannte Lokal ist somit zurück.

Neu mit dem grünen Stern für Nachhaltigkeit wurden unter anderem drei Lokale ausgezeichnet, die ich sehr schätze: das Essigbrätlein in Nürnberg sowie Widmann’s Löwen und ursprung (beide befinden sich unter einem Dach in Königsbronn-Zang).

Der große Donnerknall ist damit ausgeblieben, wenn man einmal von der Ernennung des Goldberg zum Zwei-Sterne-Restaurant absieht. Hoffen wir, dass im nächsten Jahr wieder aussagekräftigere Urteile möglich sein werden.

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Wie schon seit ein paar Jahren erscheint auch heuer die rote Gourmet-Bibel erst im März des Jahres, auf das sie sich bezieht. Es ist also mal wieder an der Zeit, die Spekulationen anzuheizen und wieder ins große Rätselraten einzusteigen, welche Veränderungen uns diesmal erwarten.

In Pandemie-Zeiten ist es noch erheblich schwieriger, Prognosen abzugeben, welche Restaurants sich im neuen Guide Michelin 2021 über eine Aufwertung freuen dürfen oder auch eine Abwertung verkraften müssen.

Wie immer werden sich die meisten Diskussionen unter den Gourmets und Kritikern um die Frage drehen, ob es ein neues Drei-Sterne-Etablissement geben wird.

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Daher nun zunächst ein Überblick über alle aktuellen deutschen Zwei-Sterne-Etablissements (2020) und deren Chancen auf die höchsten Weihen gemäß meiner persönlichen Einschätzung:

PURS (Andernach):
Christian Eckhardt ist ein noch junger Koch mit viel Potential, aber der dritte Stern käme noch zu früh. Für die Zukunft gilt es allerdings, dieses Lokal auf dem Schirm zu haben.
Residenz Heinz Winkler (Aschau im Chiemgau):
Bereits letztes Jahr spekulierte ich angesichts der Stagnation in dieser altehrwürdigen Institution über eine Abwertung, doch seit dem Abgang des Küchenchefs Steffen Mezger steht der inzwischen über 70-jährige Altmeister Heinz Winkler sogar wieder selbst am Herd. Der einstige Glanz von Aschau droht allmählich angesichts des altmodischen und überholten Eindrucks immer stärker zu verblassen. 
August (Augsburg):
Der letzte Besuch hier ist schon einige Zeit her, aber immerhin hat der Gault&Millau in den letzten Jahren seine Vorbehalte endlich ad acta gelegt und seine Wertungen angehoben. Ich denke, mit den zwei Michelin-Sternen ist Christian Grünwalds hochgradig individuelle Küche auch weiterhin angemessen bewertet. 
Steinheuers Restaurant „Zur Alten Post“ (Bad Neuenahr-Ahrweiler):
Unser jüngster Besuch hier im August 2020 verdeutlichte, dass dieses Lokal unter den aktuellen Umständen besonders zu kämpfen hat – es lief längst nicht so rund wie sonst, aber eine Abwertung wäre schon ein sehr harsches Urteil. Es sollte bei zwei Sternen bleiben.
Le Pavillon (Bad Peterstal-Griesbach):
Eine Veste der Klassik im Schwarzwald, die ohne großes Aufsehen ihr Ding durchzieht und daher auch wieder mit zwei Sternen ausgezeichnet werden dürfte. Das Maß an Perfektion wie etwa im Sonnora erreicht diese klassische Küche zwar nicht, aber erheblich besser als viele Zeitgenossen es sich jemals im Leben leisten würden isst man hier allemal.
CODA (Berlin):
Einer der erstaunlichsten Neulinge im elitären Kreis der Zweisterner ist dieses Lokal, das ausschließlich Dessertküche anbietet. Da ein Besuch hier noch aussteht, kann ich mir kein genuines Urteil erlauben. Nach der Aufwertung im letzten Jahr wäre alles andere als erneute zwei Sterne allerdings eine Überraschung.
Facil (Berlin):
Ein Geheimtipp für den dritten Stern ist das Wintergarten-Restaurant am Potsdamer Platz schon lange nicht mehr – zu überzeugend hat sich die Küche von Michael Kempf und Joachim Gerner weiterentwickelt. Außerdem hat man mit dem grandiosen Pâtissier Thomas Yoshida noch ein weiteres As im Ärmel. Viel fehlt somit definitiv nicht mehr bis zum dritten Macaron.
Horváth (Berlin):

Sebastian Franks bisweilen recht experimentelle, gemüselastige Küche passt zu Berlin-Kreuzberg wie der Topf auf den Deckel. Die Formkurve zeigt weiter nach oben, aber für den dritten Stern sollte es meiner Einschätzung nach noch nicht reichen.
Lorenz Adlon Esszimmer (Berlin):
Hendrik Otto ist einer der Leisetreter seiner Zunft, aber die Darbietungen im noblen Speisesaal des bekanntesten Hotels der Republik überzeugen immer mehr und klopfen definitiv immer lauter an der Tür zum kulinarischen Olymp an.
Tim Raue (Berlin):
Seit Jahren gehört das mutmaßlich beste asiatische Restaurant der Welt außerhalb Asiens zu den Topfavoriten auf den dritten Stern – das ist auch dieses Jahr wieder der Fall. Reicht es wohl diesmal?
Rosin (Dorsten):
Gefühlt ist Frank Rosin öfter im Fernsehen als in seinem eigenen Lokal anzutreffen, aber Chefkoch Oliver Engelke zeichnet ohnehin weitgehend allein für die Küchenabläufe verantwortlich. Ein Besuch hier steht noch immer aus, doch Indizien für einen dritten Stern kann ich beim besten Willen keine erkennen – das Lokal gilt vielen im Gegenteil als eines der schwächeren mit zwei Sternen.
Luce d’Oro (Elmau):

Mein bisher einziger Besuch hier vom August 2019 hat mich tief beeindruckt. Christoph Rainer erlangte in praktisch allen Etablissements, in denen er bisher anheuerte, offenbar mühelos zwei Sterne und scheint hier am Fuße des Wettersteingebirges nun auch einen Arbeitgeber gefunden zu haben, der die nötigen finanziellen Voraussetzungen für so eine hohe Auszeichnung wie den dritten Michelin-Stern mitbringt. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, so doch vielleicht bis in spätestens drei Jahren.
Gustav (Frankfurt am Main):
Diesem Neuling im Kreis der Zwei-Sterne-Restaurants habe ich noch keinen Besuch abgestattet. Ein echtes Urteil kann ich mir daher nicht erlauben, aber nach der letztjährigen Aufwertung bleibt es bei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei zwei Sternen.
Lafleur (Frankfurt am Main):
Andreas Krolik scheint hier Ernst zu machen: nach einer Renovierung des Lokals (für die ordentlich Geld in die Hand genommen wurde) soll nun auch offenbar in die Riege der weltweiten Spitzenrestaurants vorgedrungen werden. Der Gault&Millau hob seine Note jüngst auf 19 Punkte an und deutete damit eine weiterhin starke Entwicklung an, deren Krönung natürlich im dritten Michelin-Stern bestünde. Die Chancen dafür steigen jedenfalls mit jedem Jahr weiter an, zumal Andreas Kroliks veganes Menü immer noch ein Alleinstellungsmerkmal auf diesem Niveau darstellt. Seine langjährige Erfahrung in früheren Top-Adressen zahlt sich immer mehr aus.
Burg Schwarzenstein (Geisenheim):
Einer der großen Verlierer der Pandemie ist diese Location, die auf dem besten Wege zu drei Sternen war. Wegen chronischer Unterfinanzierung und mangelnder Auslastung wird das Restaurant nun von Nelson Müller unter dem Namen Müllers auf der Burg weit weniger anspruchsvoll weitergeführt. Man muss daher kein Prophet sein, um eine Abwertung auf einen Stern (oder im schlimmsten Fall gar keinen) vorherzusagen. Nils Henkel heuerte dagegen im Bootshaus in Bingen an – es wird sich zeigen, mit welcher Zielsetzung.
Meierei Dirk Luther (Glücksburg):
An der Flensburger Förde isst man bei Dirk Luther seit Jahren zuverlässig auf konstant hohem Niveau, weshalb weiterhin zwei Sterne das folgerichtige Urteil darstellen sollten.
bianc (Hamburg):
Matteo Ferrantino ist zwar noch ein Neuling in diesem Kreis, aber wenn seine kometenhafte Entwicklung weiterhin in demselben Tempo verläuft, dann könnte es auch nicht mehr so lange dauern, bis hier ein ernsthafter Kandidat auf den dritten Stern heranreift. Dieses Jahr käme er aber definitiv noch zu früh, auch wenn die jüngste Darbietung im August 2020 sehr überzeugte.
Jacobs Restaurant (Hamburg):
Thomas Martins klassische, solide Hochküche ist für meine Begriffe zwei Sterne wert – nicht mehr und nicht weniger.
Haerlin (Hamburg):

Wie immer einer der Topfavoriten. Allerdings gibt es für mich keine erkennbaren wesentlichen Veränderungen, die den dritten Stern wahrscheinlicher als bisher machen würden. Dennoch ist das noble Lokal an der Binnenalster mit Sicherheit eine der besten Zwei-Sterne-Adressen der Republik.
Süllberg – Seven Seas (Hamburg):

Seit jeher eine Konstante unter den Zweisternern, doch das Ende des Lokals noch in diesem Kalenderjahr gilt offenbar als besiegelt. Insofern wäre eine Notenänderung überraschend.
Jante (Hannover):
Ein dynamisches, junges Team rund um Chefkoch Tony Hohfeld experimentiert hier mit viel Energie und Leidenschaft. Da der zweite Stern letztes Jahr erst erlangt wurde, bleibt es so gut wie sicher bei zwei Sternen.
Sosein (Heroldsberg):

Unter den aktuellen deutschen Zwei-Sterne-Restaurants dürfte dies das umstrittenste Lokal sein. Felix Schneider und sein Team erhalten zwar in allen Guides hohe Noten, aber das Konzept eckt trotzdem merklich an – nicht zu vergessen das unverschämte und schon an Nepp grenzende Preis-Leistungs-Verhältnis, das noch mehr Gäste abschrecken dürfte, selbst wenn dieses bei der Urteilsfindung keine Rolle spielt.
Le Moissonnier (Köln):

Der letzte Besuch in diesem Brasserie-Restaurant ist schon sechs Jahre her. Eric Menchon und sein Team scheinen aber ihre pfiffig-leichte Küche konstant auf Zwei-Sterne-Niveau halten zu können.
Ox&Klee (Köln):

Dieses im vorletzten Jahr aufgewertete Lokal kenne ich noch nicht. Alles andere als eine Bestätigung des zweiten Sterns wäre angesichts der noch jungen Auszeichnung überraschend.
Ophelia (Konstanz):

Diese feine Adresse am Bodensee gehört sicherlich zum engeren Kreis der Favoriten, doch gewisse Abstriche während der Corona-Pandemie waren während unseres jüngsten Besuchs im Oktober schon zu erkennen. Mit anderen Worten: die volle Leistungsstärke scheint man hier derzeit nicht abrufen zu können, so dass ein dritter Stern gerade jetzt verwunderlich wäre.
Falco (Leipzig):
Peter Maria Schnurrs Avantgarde-Küche polarisiert wie eh und je. Indizien für eine Änderung der Note konnte ich in jüngerer Vergangenheit keine erkennen, weshalb weiterhin zwei Sterne das plausibelste Urteil darstellen sollten. Ausgeschlossen ist der dritte Stern aber deswegen nicht.
Opus V (Mannheim):
Nach dem Abgang von Chefkoch Tristan Brandt ist hier vieles neu. Das Niveau scheint immer noch gehoben zu sein, aber eine Abwertung auf einen Stern käme alles andere als unerwartet.
Alois (München):
Das Gourmetrestaurant des Feinkostgeschäfts Dallmayr konnte auch nach dem Ruhestand von Diethard Urbansky vor wenigen Jahren dank des Engagements unter dem neuen Chefkoch Christoph Kunz rasch wieder in die Zwei-Sterne-Liga vordringen. Dort sollte es auch weiterhin verweilen.
Geisels Werneckhof (München):
Zusammen mit Burg Schwarzenstein in Geisenheim der größte Verlierer der Pandemie. Nach der Schließung im Juni 2020 eröffnete Tohru Nakamura allerdings schon kurz darauf ein Pop-up namens SALON rouge unweit des Marienplatzes und scheint dort schon wieder voll durchgestartet zu sein, obwohl zum Zeitpunkt der Eröffnung im Herbst angekündigt wurde, dass diese Lösung nur für sechs Monate Bestand haben sollte. Man darf also gespannt sein, ob es doch mit einer Verlängerung klappt. Geisels Werneckhof werden daher die zwei Sterne sicherlich gestrichen werden, doch vor Kurzem hieß es, Sigrid Schilling würde nun dort den Sprung in die Selbständigkeit wagen. Insider kennen sie als die Souschefin von Hans Haas aus dem Münchner Tantris. Da Hans Haas Ende 2020 in den sowas von verdienten Ruhestand trat, erschien dies Frau Schilling als der ideale Zeitpunkt für einen Tapetenwechsel. Ich wünsche viel Erfolg dabei!
Les Deux (München):
Seit letztem Jahr mit zwei Sternen ausgezeichnet, muss man hier die weitere Entwicklung abwarten, da Chefkoch Edip Sigl ziemlich überraschend das Lokal verließ. Der ehemalige Souschef Gregor Goncharov und Nathalie Leblond, Souschefin unter Jan Hartwig im Münchner Atelier, übernahmen die Küchenleitung. Ob es daher für zwei Sterne gleich wieder reicht, bleibt fraglich. Unstrittig dagegen ist, dass Gastgeber und Patron Fabrice Kieffer zu den Besten seiner Zunft zählt und diesem Haus eine wohltuende Noblesse verleiht.
Tantris (München):

Nach dem erzwungenermaßen leisen Abschied von Hans Haas Ende 2020 ist diese Keimzelle der deutschen Haute Cuisine derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Das Tantris soll pünktlich zum 50-jährigen Bestehen im November 2021 wieder seine Pforten öffnen. Die Küche übernimmt Benjamin Chmura, der bis letztes Jahr Küchenchef im französischen Dreisterner Troisgros war. Weiter verstärkt wurde das Team zudem mit dem erfahrenen Executive Chief Matthias Hahn. Das Tantris wird wegen der temporären Schließung dieses Jahr sicherlich die Sterne aberkannt bekommen, doch die Ankündigungen lassen darauf schließen, dass das Lokal auch in Zukunft in der deutschen Oberliga mitspielen soll.
EssZimmer (München):
In diesem für das kulinarische München turbulenten Jahr trotzte man hier vergleichsweise ungerührt allen Widrigkeiten, auch wenn Sommelier Frank Glüer unlängst seinen Abschied verkündete. An den zwei Sternen sollte dies aber nichts ändern, da Bobby Bräuers augenzwinkernde Küche nach wie vor Maßstäbe setzt.
Obendorfer’s Eisvogel (Neunburg vorm Wald):
Auch hier darf man sich erst seit einem Jahr mit dem zweiten Macaron schmücken. Dennoch scheint sich das Team um Hubert Obendorfer nicht auszuruhen und strebt weiter nach oben. Jetzt gilt es erst einmal, die bisherige Auszeichnung zu bestätigen und die Pandemie möglichst ohne große Schäden zu überstehen.
Essigbrätlein (Nürnberg):
Diese kleine, feine Adresse im Herzen von Nürnberg gehört zu den Dauerbrennern mit zwei Sternen. Die auch nach drei Jahrzehnten keinerlei Verschleißerscheinungen zeigende Küche wird immer noch subtil verbessert und verfeinert. Ein dritter Stern wäre dennoch eine Sensation.
Schanz (Piesport):
Zu einer großen Überraschung geriet der Besuch im August 2020, denn der gezeigte Qualitätssprung binnen vier Jahren war atemberaubend. Neben der Aufwertung auf 19 Punkte im Gault&Millau darf auch die Auszeichnung zum „Koch des Jahres“ für Thomas Schanz durch den gelben Gourmetführer als Fingerzeig interpretiert werden. Wahrscheinlich klappt es dieses Jahr noch nicht mit dem dritten Stern, aber Hartnäckigkeit, Leidenschaft und Einsatzwille stimmen hier allemal – für die nahe Zukunft somit definitiv ein ganz heißer Kandidat.
Söl’ring Hof (Rantum):
Der letzte Besuch datiert vom März 2018, doch berechtigte Hoffnungen macht man sich auch hier. Die genuin norddeutsche Küche hat seit dem weitgehenden Rückzug von Johannes King zugunsten seines Souschefs Jan-Christoph Berner noch deutlich an Präzision, Profil und aromatischer Kraft dazugewonnen. Eine echte Überraschung wäre der dritte Stern daher kaum.
AMMOLITE (Rust):
Peter Hagen-Wiest feilt hier unablässig an seinen Fähigkeiten und hat mit der atemberaubenden Location sicherlich eine weitere Trumpfkarte in der Hand. Noch käme die Auszeichnung zu früh, aber vielleicht sprechen wir uns schon in wenigen Jahren wieder …
OLIVO (Stuttgart):
Was Vorgänger Nico Burkhardt nicht gelang, schaffte sein Nachfolger Anton Gschwendtner dann fast überraschend schnell: Zeit, den zweiten Stern zu feiern, gab es allerdings bisher nicht. Das Lokal sollte nämlich erst wieder im November eröffnen, was dann am zweiten Lockdown scheiterte. Mit anderen Worten: es ist derzeit praktisch unmöglich, hier ein Urteil abzugeben, da seit der Erlangung des zweiten Sterns das Lokal bisher nicht einen Tag lang geöffnet hatte.
Hirschen (Sulzburg):
Unser Besuch im Dezember 2019 geriet eher enttäuschend, weshalb die jüngste Aufwertung durch den Gault&Millau auf 18 Punkte mich ziemlich überraschte. Das Potential für einen dritten Stern kann ich hier jedenfalls nicht erkennen. Gemessen an der damaligen Darbietung hätte ich sogar über eine Abwertung spekulieren wollen.
Becker’s (Trier):

Die Entwicklung hier stagniert für meine Begriffe seit einiger Zeit – offenbar hat man sich mit dem bisher Erreichten abgefunden und gibt sich damit allmählich zufrieden. Sicherlich nach wie vor eine feine Adresse, aber ohne den Drang nach ganz oben. Zwei Sterne sind daher erwartbar.
Courtier (Wangels):
Neuigkeiten von diesem Lokal habe ich schon länger keine mehr vernommen. Da auch die anderen Guides praktisch konstant an ihren hohen Noten festhalten, darf man weiterhin von zwei Sternen ausgehen.
Restaurant Alexander Herrmann (Wirsberg):

Dieses oberfränkische Gourmetrestaurant zählt noch nicht so lange zum kleinen Kreis der Zweisterner in Deutschland. Eine Bestätigung der zwei Sterne ist daher wahrscheinlich.
Le Cerf (Zweiflingen):
Der Gault&Millau zog für mich überraschend jüngst einen Punkt ab, denn mein Besuch im März 2020 wenige Tage vor dem Lockdown war allemal 18 Punkte wert. Ich nehme daher an, dass es beim bisherigen Urteil von zwei Sternen bleibt.

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An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass die Auszeichnung eines Lokals mit drei Sternen kein alltäglicher Vorgang ist. Weltweit sind lediglich ungefähr 140 Lokale mit der anerkannt höchsten Auszeichnung dekoriert, die es in dieser Branche gibt. Da die Verleihung oder Aberkennung eines solchen Prädikats signifikante wirtschaftliche Auswirkungen für ein Restaurant haben kann, wird die Vergabe (bzw. Aberkennung) des dritten Sterns akribisch untersucht: wenn ein Inspektor (so heißen die Kritiker des Guide Michelin) die Verleihung des dritten Sterns für ein Lokal vorschlägt, so muss dieses mindestens ein weiteres Mal von einem anderen Inspektor besucht werden. Außerdem muss eine einberufene Konferenz aller Inspektoren mehrheitlich für die Verleihung des dritten Sterns plädieren, damit dieser vergeben werden kann. Wie man sieht, ist diese Auszeichnung sehr bedeutsam und folglich alles andere als leicht zu erlangen. Kein Wunder, dass jedes Jahr ein ziemlicher Hype um die neuen Auszeichnungen gemacht wird. Ich denke allerdings, dass wegen langer Schließzeiten in den Lockdowns längst nicht alle Lokale getestet werden konnten und die Urteile damit eine geringere Aussagekraft als sonst haben dürften. Derzeit gibt es zehn Drei-Sterne-Restaurants in Deutschland (sowie eines im „Wartestand“ – siehe die Infoliste):

  • Schwarzwaldstube, Baiersbronn-Tonbach (seit 1993 – im Jahr 2020 wurde die Wertung wegen des Brandes am 5. Januar in einer sehr kleinlichen Entscheidung vorübergehend aberkannt, doch für die Wiedererlangung dieses Jahr spricht vieles)
  • Waldhotel Sonnora, Wittlich (seit 1999)
  • Vendôme, Bergisch Gladbach (seit 2005)
  • Victor’s Fine Dining, Perl-Nennig (seit 2006)
  • Bareiss, Baiersbronn-Mitteltal (seit 2008)
  • GästeHaus Klaus Erfort, Saarbrücken (seit 2008)
  • Aqua, Wolfsburg (seit 2009)
  • Überfahrt, Rottach-Egern (seit 2014)
  • The Table, Hamburg (seit 2016)
  • Atelier, München (seit 2018)
  • Rutz, Berlin (seit 2020)

Die Wahrscheinlichkeit, dass es kein neues Drei-Sterne-Restaurant gibt, ist somit objektiv wesentlich höher als dass es für ein neues Mitglied in der Eliteliga der drei Sterne reichen könnte.

Es erhebt sich noch die Frage, ob eines der Drei-Sterne-Restaurants Gefahr läuft, abgestuft zu werden. Diese seltene Maßnahme könnte meines Erachtens unter Umständen dem Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee drohen. Fakt ist, dass der Gault&Millau 2021 dieses Lokal fast doppelt abgewertet hätte, wenn man die jüngste Rezension liest (es blieb letztlich bei einer Abwertung um eine Stufe). Auch mein Besuch im Herbst 2019 zementierte den Eindruck, dass eine gewisse Routine – noch dazu bei haarsträubenden Preisen – hier Einzug zu halten scheint. Die trotz aller handwerklichen Akkuratesse teils recht simpel gestrickten Gerichte hängten die Messlatte nicht extrem hoch und gerieten teils wegen einiger Wiederholungen aus vergangenen Jahren auch ziemlich vorhersehbar. Die Redaktion des Guide Michelin kündigte wegen der aktuellen Situation im Allgemeinen ein „besonderes Fingerspitzengefühl“ bei der Urteilsfindung an, aber für meine Begriffe muss im Überfahrt bald etwas geschehen, wenn es nicht zu einem bösen Erwachen kommen soll.

Meine Rangliste der zehn heißesten Tipps auf den dritten Stern 2021 sieht wie folgt aus:

  1. Tim Raue, Berlin
  2. Haerlin, Hamburg
  3. Facil, Berlin
  4. Falco, Leipzig
  5. Söl’ring Hof, Rantum (Sylt)
  6. Lorenz Adlon Esszimmer, Berlin
  7. schanz, Piesport
  8. Luce d’Oro, Elmau
  9. Lafleur, Frankfurt am Main
  10. Essigbrätlein, Nürnberg

Hier noch die heißesten Anwärter auf den zweiten Stern:

  1. L.A. Jordan, Deidesheim
  2. Dichterstub’n, Rottach-Egern
  3. Der Butt, Rostock-Warnemünde
  4. Stadtpfeiffer, Leipzig
  5. SALON rouge, München
  6. Gut Lärchenhof, Pulheim
  7. ÖSCH NOIR, Donaueschingen
  8. Intense, Kallstadt
  9. Esplanade, Saarbrücken
  10. Klassenzimmer, Fürstenhagen

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Ich bin wie immer selbst am meisten gespannt, wie gut ich mit meinen Tipps letztlich gelegen habe! Nach der Veröffentlichung des neuen Guide Michelin am 5. März 2021 folgt ein Update.