Helmut Thieltges ist tot

Jener 27. Mai 2016 sollte mit dem Besuch des Waldhotels Sonnora in Dreis in der Eifel den Abschluss meines Moselurlaubs darstellen. Er geriet zu einem kulinarischen Höhepunkt unvergleichlicher Art, der alle meine Erwartungen übertraf und in meiner All-time-Liste der besten Restauranterlebnisse nach wie vor auf Platz 2 rangiert. Trauriger Anlass für dieses Essay ist das nun vollkommen überraschende Ableben des Grand Chefs mit gerade einmal 61 Jahren nach kurzer Krankheit.

Helmut Thieltges führte das Hotel seit 1978 und durfte sich seit 1999 mit drei Michelin-Sternen schmücken. Seine bescheidene, voll auf das Kochen fokussierte Art brachte ihm nicht nur von meiner Seite, sondern von vielen anerkannten internationalen Größen Respekt, Anerkennung und reichlich Bewunderung ein. Der medienscheue Koch publizierte keine Kochbücher, besserte sein Budget niemals durch Beteiligung an irgendwelchen Kochevents auf, wollte keine Komplimente hören und gab fast keine Interviews. Vielmehr wollte er einfach das tun, was er am besten konnte: kochen.

Dass er dies unglaublich souverän konnte, führte mir dieser Besuch vor Augen. Niemals werde ich vergessen, wie in dieser Veste der klassischen Hochküche ein phänomenales Gericht auf das nächste folgte. Unvergesslicher Höhepunkt war der Klassiker des Hauses: Torte vom Rinderfilet-Tatar mit Imperial-Kaviar. Dieses Gericht vereinte so ziemlich alle Credos von Thieltges‘ Küche in einer einzigen Kreation – kompromisslose Produktqualität, purer Wohlgeschmack, französisch inspirierte Harmonie und Reduktion auf das Wesentliche, ohne dabei jemals puristisch zu wirken. Basis seiner Küche war stets das Grundprodukt, das im Mittelpunkt stand und durch wenige Veredelungen in seiner Wirkung noch potenziert wurde. Was würde man sich wünschen, dass so mancher junge Himmelsstürmer heutiger Tage sich wieder einmal dieser Tugenden besinnen würde …

Maßgeblichen Anteil an diesem außergewöhnlichen Nachmittag hatte der Service unter der Leitung seiner charmanten Frau Ulrike, die zusammen mit Sommelière Stephanie Brandstetter und ihrer Servicebrigade für ein Ausnahmeerlebnis der eindringlichsten Art sorgte. Der Familie und dem gesamten Team des Waldhotels gilt meine Anteilnahme.

Wie es mit dem Waldhotel Sonnora weitergeht, ist natürlich nach den überraschenden Ereignissen derzeit noch nicht bekannt – jedenfalls verliert die deutsche Spitzengastronomie mit Helmut Thieltges einen ihrer allerbesten Chefs. Ich verneige mich in Demut vor den Fähigkeiten dieses Mannes sowie seiner Lebensleistung und schätze mich seit heute noch glücklicher, in seinem Genussrefugium Gast gewesen sein zu durfen und klassische französische Hochküche in Perfektion genossen zu haben. Vielen Dank für dieses außergewöhnliche Erlebnis.

Möge er in Frieden ruhen. Amen.