„Brot und Wasser stillen den Hunger jedes Menschen, aber unsere Kultur hat die Gastronomie erfunden.“ (Honoré de Balzac)
UPDATE (Juni 2023)
Das keilförmige und etwas versteckt im Schäfflerhof gelegene Sternerestaurant Les Deux konnte sich in den letzten Jahren trotz sehr unruhiger Zeiten – und damit ist nicht nur auf die leidige Pandemie angespielt – in die Riege des besten Dutzend Restaurants in München hocharbeiten. Patron des Hauses ist der Vorzeigefranzose Fabrice Kieffer, der sein Können bereits jahrelang als Maître, Sommelier und Gentleman alter Schule zusammen mit seinem Bruder Renaud in der Residenz Heinz Winkler unter Beweis stellte – wie doch die Zeit vergeht! In diesem Jahr feiert das Les Deux nämlich schon sein zehnjähriges Bestehen, während man in Aschau heute froh wäre, könnte man solche Servicekräfte den Gästen präsentieren! Dieselbe Konstanz wie im Service hätte sich Monsieur Kieffer sicherlich auch auf dem Posten des Küchenchefs gewünscht, doch ständige Veränderungen warfen das Lokal leider immer wieder mal zurück und zwangen den fast schon bedauernswerten Inhaber zur ständigen Improvisation. Bei der Eröffnung des Lokals stand Johann Rappenglück (sogar als Miteigentümer) am Herd, doch nur wenige Jahre später zog es ihn an den Tegernsee, wo er heute als Pächter der gleichnamigen Schlossbrennerei auftritt. Daraufhin übernahm sein damaliger Souschef Edip Sigl die Verantwortung und führte das Lokal gar – für einige bis heute überraschend – in die Zwei-Sterne-Liga. Doch auch die Verweildauer dieses Chefs, der inzwischen bekanntlich das zum Gut Achental gehörende Restaurant es:senz in Grassau zu zwei Sternen führte, war überschaubar. Eine Doppelspitze aus Gregor Goncharov und Nathalie Leblond trat nach dem Abflauen der Pandemie die Nachfolge an, doch seit dem Abgang Goncharovs vor einigen Monaten ins Portun Restaurant am Schwabinger Tor (keine 100 Meter vom Tantris entfernt) hat nun die junge Chefin das alleinige Sagen. Ihr Name ist in der Branche noch nicht allzu bekannt, aber als ehemalige Souschefin von Jan Hartwig bringt sie sicherlich alles andere als die schlechtesten Voraussetzungen mit.
Auf eines konnten sich die Gäste hier immer verlassen, ganz gleich, wer auch immer gerade am Herd stand: stets bekam man hier pfiffige, topmodern anmutende und kreative Gerichte im Stile einer Brasserie angeboten, die keinen großartigen Intellekt erfordern und deren Verzehr einfach nur jede Menge Spaß macht. Gepaart mit dem Charme des unvergleichlichen Gastgebers, darf man sicher sein, dass die bayrische Landeshauptstadt ohne diese Institution kulinarisch spürbar ärmer wäre. Nicht wenige Gäste werden möglicherweise durch die im Erdgeschoss befindliche Brasserie (samt Terrasse) erstmalig auf dieses Etablissement aufmerksam und können dann der Versuchung, irgendwann etwas noch Besseres als die ohnehin schon charmant inszenierten Teller zu verkosten, nicht widerstehen. Sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht enttäuscht werden, denn die akkurat hergerichteten Kreationen punkten mit wunderbarer Optik und leichtem Geschmack gleichermaßen. Stilistisch steht das Lokal damit dem Esplanade in Saarbrücken oder der Brasserie in Pirmasens ziemlich nahe.
Da ich etwas verfrüht eintreffe, nehme ich den Aperitif – einen alkoholfreien Apfelsecco Red Moon von der Kellerei Kaltern in Südtirol – auf der Terrasse im Erdgeschoss ein, wo es sich wunderbar verweilen lässt. Diese ist übrigens Teil der Brasserie im Erdgeschoss, die demnächst auch noch von mir rezensiert wird. Dann ist es soweit: man geleitet mich nach oben, wo ich einen Platz an der Fensterfront zugewiesen bekomme und einen schönen Überblick habe. Viel hat sich seit dem letzten Besuch nicht geändert, wenn man einmal davon absieht, dass das damals noch offerierte Business Lunch inzwischen leider gestrichen ist. In Zeiten wie diesen muss man mit solchen Maßnahmen leider rechnen, weshalb wir eher froh sein sollten, dass Restaurants dieser Klasse überhaupt noch weiter bestehen – Personalmangel, steigende Kosten und mangelnde Wertschätzung durch die Politik sind da nur drei der drängendsten Probleme. Dafür hat das Restaurant auch montags geöffnet (weiterhin eine Seltenheit in Deutschland) und nur sonntags geschlossen. An diesem Abend werden auffallend viele chinesische Gäste hier verweilen, was sich möglicherweise auf den zeitgleichen Besuch des chinesischen Außenministers in München zurückführen lässt. Der Atmosphäre tut es jedenfalls keinen Abbruch, denn den ausländischen Gästen scheint die lockere Atmosphäre genauso zu behagen wie mir.
Noch vor der Lektüre der Speisekarte geht es mit den ersten Apéros los, die erwartungsgemäß très français geraten und einem Erstbesucher definitiv schon mal einen guten Eindruck von dem vermitteln, was einen hier so im Laufe des Abends erwartet: zur linken eine klassische Ballotine mit Ingwer und Aprikose, dann mittig dreierlei Erbse und Limettenkaviar in einem Cornetto, und schließlich zur rechten Seite ein Brioche mit Texturen von Tomate und Anchovis. Mit diesem aparten und akkurat ersonnenen Trio bedient Madame Leblond verschiedene Aromenwelten auf kompaktem Raum und überzeugende Weise, so dass mit Fug und Recht von einem gelungenen Start gesprochen werden darf.
Entgegen meiner Gewohnheit verzichte ich diesmal auf ein Menü (6 Gänge zu € 189), weil es in der Auswahl à la carte zwei Gerichte gibt, die meine Neugier wecken und daher von mir verkostet werden wollen. Außerdem gönne ich mir noch an diesem warmen Tag einen weiteren alkoholfreien Apfelsecco, diesmal vom Hause Duttenhofer im Schwarzwald, der eine würdige Alternative zum eingangs genannten Fruchtschaumwein darstellt. Vor der endgültigen Zusammenstellung meiner individuellen Menüfolge erwartet mich allerdings noch ein Amuse, welches eine Offenheit auch für andere Küchenstile erkennen lässt und die Messlatte schon in ganz ansehnliche Höhen hängt: die mit einer Garnelenfarce gefüllte japanische Teigtasche Gyoza bettet die Küche auf einer herzhaften, geschäumten Krustentierbisque, in der überraschend weitere Texturen von Gurke, Tomate und Mango versteckt sind. Trotz der zarten asiatischen Akzentuierung ist dies ein sommerlich leichter Beitrag, dessen trennscharfe und klar hervortretende Aromen unter den verwendeten Produkten besonders beeindrucken. Ein kleines Meisterwerk zum Auftakt, das ich gerne zur Kenntnis nehme! Das Sauerteigbrot mit Butter lichte ich dagegen nicht eigens ab, weil es nichts Besonderes darstellt.
Der erste von mir gewählte Gang ist die gebratene Prestige Entenleber mit eingelegtem Chicorée, Senf und Blutorange, für die ich mich hauptsächlich entschieden habe, weil mir die Blutorange seit einem legendären Gericht mit Foie gras bei Simon Taxacher im Februar 2017 als Begleiter der Leber meines Wissens nicht mehr untergekommen ist. Auch hier gelingt der Einsatz des Produktes ausgesprochen gut: durch das Braten wird die Leber ohnehin um einiges leichter und somit bekömmlicher, so dass die weiteren Begleiter wie eben das Blutorangengel mehr Gewicht bekommen. Die mutige Kombination mit gänzlich kontrastierenden Komponenten lässt freilich den Einfluss von Jan Hartwig deutlich erkennen, dem es oft wie kein Zweiter gelang, gänzlich unmöglich klingende Allianzen sinnstiftend zu verquicken. Dass Madame Leblond ihr Handwerk dort gelernt hat und nicht von ungefähr beherrscht, zeigt sie eindrücklich: mit diesem Beitrag beweist die Küche eine gehörige Portion Mut, denn das kühne Spiel um Säure und Würze erweist sich als durchdacht und gelingt ausgezeichnet. Der sinnvolle Einsatz verschiedener Konsistenzen wirkt hier keineswegs verspielt, sondern sinnstiftend und absolut schlüssig. Das kratzt schon am Zwei-Sterne-Niveau, keine Frage.
Mit einem Pastagang als Hauptgericht geht es weiter: hausgemachte Tortellini, Wagyu, Edamame, Zitronengras und Parmesan (€ 49) klingt ebenfalls nicht gerade wie eine Standardkombination, womit die Bereitschaft der Chefin, die allzu gesicherten und ausgetretenen Pfade zu verlassen, einmal mehr dokumentiert ist. Das Wagyu als Füllung für die Ravioli zu verwenden ist eine polarisierende Entscheidung, die Puristen sicherlich die Nase rümpfen lässt, zumal der Gang auf einer aromensatten Jus thront, die zusätzlich mit einer am Platz aufgegossenen Parmesansauce veredelt wird. Der häufig kolportierten Eindimensionalität von Pastagerichten wirkt man hier durch die bewusste Beigabe von keineswegs zurückhaltenden Edamame-Bohnen und einer säuerlichen Komponente entschieden entgegen, weshalb das Gericht aller Routine entbehrt und eine gehörige Portion Esprit erahnen lässt. Der Verzehr gerät keine Sekunde langweilig, wenngleich ich zwischendurch mal mit voller Absicht eine der Raviolitaschen frei von jedem Beiwerk verzehre – so kommt die Qualität des Wagyu doch am besten zum Tragen!
Beim dritten Gang (€ 20) bleibt der französische Ziegenkäse Sainte-Maure de Touraine naturbelassen, doch wird er dafür umso farbenfroher und ausgelassener begleitet: Segmente von Lauch sind als solche gut erkennbar, während man nicht unbedingt sofort ahnt, dass der Käse auf einem Lauchsud gebettet ist. Mit Radicchio werden die Bitterstoffe noch stärker betont, doch durch das säuerliche Einlegen werden diese in ihrer Wucht etwas abgeschwächt. Die Beigabe von Macadamia bringt dagegen mit dem nussigen Geschmack eine weitere, recht unerwartete geschmackliche Nuance ins Spiel, die bestens harmoniert. Routine ist der Küche in diesem Haus offenbar ein Gräuel, doch birgt das Verlassen der ausgetretenen Pfade natürlich immer ein gewisses Risiko. Die Chefin ist jedoch offenbar willens, dieses auf sich zu nehmen und überzeugt dank geistiger Durchdringung der Gerichte dabei offenbar weitaus öfter als damit zu enttäuschen – ein schwaches Gericht hatte diese Folge bislang nicht zu beklagen.
Das Pré-Dessert ist halb Käsegang, halb Dessert: das mit einem Schokocrumble ummantelte Panna cotta wird gekonnt mit kreativen Texturen von Kirsche umspielt, doch allzu süßlich wirkt dieser Beitrag dennoch nicht. Hauptverantwortlich dafür ist die Belper Knolle obenauf: trotz einer nur hauchdünn gehobelten und zu einem Röllchen geformten Scheibe bringt der Schweizer Käse eine Pfeffernote ins Spiel, die dem Gang gehörige Würze verleiht und so Erwartungshaltungen einmal mehr gekonnt in die Irre führt. Das hat einen gewissen Twist, der mir ausgesprochen gut zusagt!
Das offizielle Dessert (€ 28) ist im Stile einer klassischen Tarte Tatin mit Blätterteig und Gelée inszeniert, doch mit Madame Leblonds eigenwilliger Auslegung wird auch hier die Tradition konterkariert: statt des Apfels kommt hier Ananas zum Einsatz. Der karamellisierte Muscovado klingt da schon um einiges typischer, doch gelangt er hier zusätzlich als Eis auf das Törtchen. Überhaupt ist die signifikante Würze des Gerichts der Aspekt, der das fast schon freche Spiel mit Konventionen am stärksten verdeutlicht: nicht nur, dass die Ananas-Vinaigrette mit Koriander veredelt wurde, fällt dabei auf, sondern auch, dass Tropfen von cremigem Curry diesem entzückenden Gang endgültig ein indisch anmutendes Kolorit verleihen. Ein großartiger Ausklang!
Die Petits fours schließlich bestehen aus einer Schokopraline mit Johannisbeergelée (links), einem Baba mit exotischen Früchten (Mitte) und schließlich einem Pistazieneis mit einer Hülle von weißer Schokolade (rechts) – zwar keine Höhenflüge mehr, aber nach dieser Menüfolge musste mir die Küche sowieso nichts mehr beweisen.
„Frauen an den Herd“ – mit diesen oder ähnlich verächtlich klingenden Slogans brachten deutsche Ehemänner speziell in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg (aber leider teils selbst heute noch …) die ganze Geringschätzung für ihre Ehefrauen zum Ausdruck. Da mutet es seltsam bizarr an, dass in gänzlich anderer Auslegung dieses Postulat einen der größten Missstände in der deutschen Hochküche anprangert: noch immer ist Douce Steiner Deutschlands einzige Zwei-Sterne-Köchin, und auch die Zahl einfach besternter Chefinnen kann man hierzulande trotz etwa 330 Sternerestaurants fast noch an zwei Händen abzählen. Man lässt Frauen nur allzu gerne an den Herd – nur nicht in der Sternegastronomie, wo offenbar etwaige Männerdomänen gefährdet werden könnten. Die mutige Entscheidung des Gault&Millau, heuer die Auszeichnungen in allen acht mit Preisen bedachten Kategorien ausschließlich an Frauen zu vergeben, fand in der Medienwelt ein weitgehend positives Echo – München geht mit Sigrid Schelling vom Werneckhof und eben Nathalie Leblond sowieso schon mit recht gutem Beispiel voran. „Zeit, dass sich was dreht“ – dieses Zitat von Herbert Grönemeyer bringt die Situation meines Erachtens ganz gut auf den Punkt, auch wenn der Kontext des Songs, aus dem das Zitat stammt, natürlich ein anderer ist. Erst jüngst hat die Causa Christian Jürgens mal wieder aufgezeigt, dass jedenfalls noch eine ganze Menge Arbeit vor der Branche liegt.
Dieser kleine Exkurs ist jedenfalls das Ergebnis einer Reflexion, die bei mir unmittelbar nach dem Verlassen des Lokals einsetzte. Hätte ich nicht gewusst, dass eine Frau für die gebotenen Darbietungen hauptverantwortlich zeichnet, wer hätte dann sicher zu sagen vermocht, ob das Küchenteam von einer Frau oder einem Mann angeführt wird und wer letztlich die Teller ersinnt?
Die noch recht junge Chefin offenbarte mit ihren Gerichten ein großes Potential, das für die Zukunft noch einiges verspricht. Die Wiedererlangung des einst unter Edip Sigl erreichten zweien Sterns ist für meine Begriffe keineswegs illusorisch, denn neben einer klaren kulinarischen Handschrift stimmte auch das Handwerk absolut. Bei aller Experimentierfreude blieben die Gerichte hier durch und durch französisch inspiriert, nur eben umgesetzt in einer selten zeitgemäßen Form. Ich glaubte, ein Maß an Esprit und Ideen auszumachen, welches mich absolut faszinierte und auch nicht daran scheiterte, tolle Einfälle wegen mangelnden Handwerks nicht umsetzen zu können. Den Gerichten fehlt jede Vorhersehbarkeit, weil immer wieder überraschende kleine Einfälle oder gar ganze Neuinterpretationen von Klassikern das Interesse beim Gast hochhalten. Bei alledem bewegt sich keines der Gerichte auch nur am Rande eines Affronts, sondern regt allenfalls dazu an, liebgewonnene Konventionen auch mal zu hinterfragen. Wieso kann ein Käse nicht Teil eines Desserts sein? Kann eine Tarte Tatin auch mit Ananas funktionieren? Keine weltbewegenden Fragen freilich, aber dennoch eine lohnende Reflexion.
Vincent Leblond, der Ehemann der Chefin, arbeitet als Maître und Sommelier im selben Lokal und dirigiert eine charmante, junge Truppe aus Männern, die alles im Griff hat. Man bietet mir Lektüre für die Pausen an und verfolgt das Geschehen aufmerksam, aber mit dem gebotenen Maß an Diskretion. Nicht zu vergessen: der Patron des Hauses ist ja auch noch präsent und erfüllt mit seiner Grandezza den Raum geradezu. Dank seines profunden Weinwissens und seines unvergleichlichen Charmes scheint es geradezu undenkbar, dass ein Besuch hier jemals unpersönlich oder routiniert wirken könnte.
Der zwanglose Verzehr der pfiffigen und doch edlen Gerichte, die keinen Gast überfordern sollten, sowie das faire Preis-Leistungs-Verhältnis stellen klare Gründe dar, hier öfters einzukehren. Mit dem aktuellen Menüpreis unterbietet das Les Deux die aufgerufenen Beträge der (zugegebenermaßen teils noch höher dekorierten) Konkurrenten in der Innenstadt spürbar, ohne dass damit nennenswerte Abstriche einhergingen. Außerdem kratzt das gebotene Niveau ganz klar schon wieder am zweiten Stern, der bereits in Sichtweite ist. Jedenfalls darf Nathalie Leblond zu den seriösesten Anwärterinnen gezählt werden, wenn es darum geht, wer die besten Chancen hat, Douce Steiner als Zwei-Sterne-Chefin nachzueifern. Machen Sie sich doch am besten selbst ein Bild davon!
Mein Gesamturteil: 17 von 20 Punkten
Les Deux
Maffeistr. 3a
80333 München
Tel.: 089/710407373
www.lesdeux-muc.de
Guide Michelin 2023: *
Gault&Millau 2023: 3 Toques
GUSTO 2023: 8 Pfannen
FEINSCHMECKER 2023: 3,5 F
4-gängiges Menü à la carte: ca. € 150
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Mai 2019
Zwei Steinwürfe vom Münchner Marienplatz entfernt liegt dieses schicke Lokal etwas versteckt im Schäfflerhof. Das keilförmige Gebäude beherbergt im Erdgeschoss eine Brasserie samt Bar, die sich reger Beliebtheit erfreut, sowie im Obergeschoss ein Gourmetrestaurant, das mit einem Michelin-Stern und 17 Punkten im Gault&Millau ausgezeichnet ist. Patron, Maître und Sommelier des Hauses ist in Personalunion Fabrice Kieffer, der seit seinem Weggang aus der Residenz Heinz Winkler in Aschau im Jahre 2011 hier heimisch geworden ist. Der bis vor kurzem hier noch tätige Chefkoch Johann Rappenglück ist vor wenigen Wochen abgesprungen, doch mit Edip Sigl konnte ein adäquater Nachfolger rasch gefunden werden – kein Wunder, denn Herr Sigl war schon unter seinem Vorgänger Souschef. Das schicke Lokal punktet mit einem leichtfüßigen Interieur, in dem – sieht man einmal von dem Parkettboden ab – Grautöne und Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden dominieren. Der gesamte Raum ist lichtdurchflutet und wirkt fast wie schwerelos. Dass sich dieses Lokal schon allein wegen seiner ausgefallenen Optik großen Zuspruchs erfreut, ist daher nicht weiter überraschend. Selbstverständlich hat auch die Küche einiges zu bieten …
Erfreulicherweise hat das Lokal mittags geöffnet und bietet auch noch ein attraktives Drei-Gänge-Menü an, bei dem zum Preis von € 59 Wasser und Kaffee inkludiert sind. Zu einem an der Bar kredenzten fruchtigen und ganz leicht bitteren Cocktail serviert man als Gruß aus der Küche ein Thunfischtatar, das mit Ingwerschaum, Avocado und Spritzern von Limette verfeinert ist. Der leichte Einstieg gelingt ausgezeichnet und verdeutlicht zugleich das Credo der Küche: kreative Höhenflüge sind die hier kreierten Gerichte nicht, doch darauf kommt es der Küche auch nicht wirklich an. Vielmehr kommen leicht fassbare und sehr produktbezogene Teller ohne Chichi auf den Tisch. Makelloser Produktqualität und ehrlichem Handwerk räumt man hier seit jeher den Vorzug gegenüber modischen Trends ohne Substanz ein. Wer mit dieser Erwartungshaltung das Lokal aufsucht, wird bestimmt nicht enttäuscht werden.
Ganz im Sinne der eben beschriebenen Ästhetik geht es nach der pflichtgemäßen Brotauswahl auch weiter: zum ersten Gang wird in struktureller Klarheit ein Lachstatar auf einem Röstiboden platziert. Garniert wird das Ganze mit etwas Sauerrahm und Gartenkresse – fertig ist das kompakte Gericht, das ganz in sich ruht, völlig unangestrengt wirkt und allein aufgrund der Qualität der verwendeten Zutaten sowie deren sicherer Zubereitung dennoch gehörigen Eindruck macht. Federleicht, elegant und verblüffend schlicht – große Klasse!
Das Hauptgericht besteht an diesem Tag aus Heilbutt, Gremolata, gegrilltem weißem Spargel und einer Sauce auf der Basis von Weisswein, die allerdings mit Kerbel und Estragon abgeschmeckt ist und so zu einem intensiv grünen Begleiter wird. Die Beschreibung des Gerichts fällt nicht schwer: der tadellos gegarte und saftige Heilbutt wird von der Gewürzmischung getoppt und ruht auf dem Spargel. Als alles verbindendes Element wird die soeben erwähnte, frühlingshaft-frische Sauce eingesetzt, die à part aufgegossen wird und das ganze Gericht mühelos zusammenhält. Die kompakte, schnörkellose Präsentation überzeugt auch hier, zumal der Apfelsecco vom Kaiserstuhl ein passender Begleiter ist.
Das Dessert nennt sich Méli-Mélo mit Schokolade, Baiser und Erdbeere. Zum „Durcheinander“ gerät das Dessert, wie der französische Name suggeriert, allerdings keineswegs, denn innnerhalb einer kreisrunden Form werden mit Erdbeerpulver bestäubte Scheiben des Baiser senkrecht aufgestellt. Dazwischen tummeln sich Schokoladen-Eis und -Crumble sowie frische Erdbeeren, die eingelegt wurden. Auch dieses Dessert ist unkompliziert und verfehlt doch seine Wirkung aufgrund der klar erkennbaren Texturen nicht, selbst wenn es vielleicht nicht ganz so imponierend wie die beiden Vorgänger geriet – trotzdem ein gelungener Abschluss. Zwei hausgemachte Schoko-Trüffel mit Salz-Karamell gefüllt erweisen sich als passender Ausklang zu einer heißen Schokolade mit Sahne.
Selten habe ich so ein zwangloses Mittagsmenü genießen dürfen: höchste kulinarische Ansprüche werden hier sicherlich nicht befriedigt, aber wer mit etwas weniger als dem Besten vom Besten leben kann, der ist hier optimal aufgehoben. Die im Stil der Brasserie entworfenen Gerichte haben einfach Charme und überzeugen mit unverfälschter Ausdruckskraft. Offenbar ist es Herrn Sigl gelungen, die Ästhetik seines Vorgängers nahtlos weiterzuführen und weiterhin zahlungskräftiges Publikum anzulocken, das keineswegs in geringer Zahl hier eintrudelt (zumal die Zahl mittags geöffneter Spitzenrestaurants in München inzwischen leider sehr überschaubar geworden ist). Ob die Küchenleistung anhand eines dreigängigen Menüs vollständig zu würdigen und richtig einzuschätzen ist, darf hinterfragt werden. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass die vergebenen Auszeichnungen durchaus angemessen sind, zumal der Haupttrumpf des Hauses ja auch noch erwähnt werden sollte: Fabrice Kieffer, der sein Handwerk viele Jahre lang bei Heinz Winkler bis zur Perfektion ausübte, ist fraglos einer der besten Gastgeber der Republik. In einer perfekten Mischung aus französischem Charme, professioneller Distanz zum Gast (die aber nie abgehoben oder steif wirkt) und absolut profundem Weinwissen wird der Gast hier so souverän umsorgt wie es anderswo nur noch selten der Fall ist. Monsieur Kieffer, ein souveräner Vertreter der „old school“, würde jedenfalls auch weitaus höher dekorierten Lokalen außerordentlich gut zu Gesicht stehen, so dass man sich fast schon wundern muss, dass er in punkto Beruf sich inzwischen mit einem Lokal von vergleichsweise bescheidenen Ansprüchen (auch wenn es sein eigenes ist) begnügt.
Fazit: der exzellente Gastgeber und die bekömmlich-leichten Speisen geben diesem Lokal zwei echte Trumpfkarten in die Hand. Die braucht diese schicke Adresse aber auch, denn die Konkurrenz ist in der bayerischen Landeshauptstadt inzwischen gewaltig geworden. Der nächste Besuch wird jedenfalls schon mal angepeilt!