Mai 2019
Zwei Steinwürfe vom Münchner Marienplatz entfernt liegt dieses schicke Lokal etwas versteckt im Schäfflerhof. Das keilförmige Gebäude beherbergt im Erdgeschoss eine Brasserie samt Bar, die sich reger Beliebtheit erfreut, sowie im Obergeschoss ein Gourmetrestaurant, das mit einem Michelin-Stern und 17 Punkten im Gault&Millau ausgezeichnet ist. Patron, Maître und Sommelier des Hauses ist in Personalunion Fabrice Kieffer, der seit seinem Weggang aus der Residenz Heinz Winkler in Aschau im Jahre 2011 hier heimisch geworden ist. Der bis vor kurzem hier noch tätige Chefkoch Johann Rappenglück ist vor wenigen Wochen abgesprungen, doch mit Edip Sigl konnte ein adäquater Nachfolger rasch gefunden werden – kein Wunder, denn Herr Sigl war schon unter seinem Vorgänger Souschef. Das schicke Lokal punktet mit einem leichtfüßigen Interieur, in dem – sieht man einmal von dem Parkettboden ab – Grautöne und Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden dominieren. Der gesamte Raum ist lichtdurchflutet und wirkt fast wie schwerelos. Dass sich dieses Lokal schon allein wegen seiner ausgefallenen Optik großen Zuspruchs erfreut, ist daher nicht weiter überraschend. Selbstverständlich hat auch die Küche einiges zu bieten …
Erfreulicherweise hat das Lokal mittags geöffnet und bietet auch noch ein attraktives Drei-Gänge-Menü an, bei dem zum Preis von € 59 Wasser und Kaffee inkludiert sind. Zu einem an der Bar kredenzten fruchtigen und ganz leicht bitteren Cocktail serviert man als Gruß aus der Küche ein Thunfischtatar, das mit Ingwerschaum, Avocado und Spritzern von Limette verfeinert ist. Der leichte Einstieg gelingt ausgezeichnet und verdeutlicht zugleich das Credo der Küche: kreative Höhenflüge sind die hier kreierten Gerichte nicht, doch darauf kommt es der Küche auch nicht wirklich an. Vielmehr kommen leicht fassbare und sehr produktbezogene Teller ohne Chichi auf den Tisch. Makelloser Produktqualität und ehrlichem Handwerk räumt man hier seit jeher den Vorzug gegenüber modischen Trends ohne Substanz ein. Wer mit dieser Erwartungshaltung das Lokal aufsucht, wird bestimmt nicht enttäuscht werden.
Ganz im Sinne der eben beschriebenen Ästhetik geht es nach der pflichtgemäßen Brotauswahl auch weiter: zum ersten Gang wird in struktureller Klarheit ein Lachstatar auf einem Röstiboden platziert. Garniert wird das Ganze mit etwas Sauerrahm und Gartenkresse – fertig ist das kompakte Gericht, das ganz in sich ruht, völlig unangestrengt wirkt und allein aufgrund der Qualität der verwendeten Zutaten sowie deren sicherer Zubereitung dennoch gehörigen Eindruck macht. Federleicht, elegant und verblüffend schlicht – große Klasse!
Das Hauptgericht besteht an diesem Tag aus Heilbutt, Gremolata, gegrilltem weißem Spargel und einer Sauce auf der Basis von Weisswein, die allerdings mit Kerbel und Estragon abgeschmeckt ist und so zu einem intensiv grünen Begleiter wird. Die Beschreibung des Gerichts fällt nicht schwer: der tadellos gegarte und saftige Heilbutt wird von der Gewürzmischung getoppt und ruht auf dem Spargel. Als alles verbindendes Element wird die soeben erwähnte, frühlingshaft-frische Sauce eingesetzt, die à part aufgegossen wird und das ganze Gericht mühelos zusammenhält. Die kompakte, schnörkellose Präsentation überzeugt auch hier, zumal der Apfelsecco vom Kaiserstuhl ein passender Begleiter ist.
Das Dessert nennt sich Méli-Mélo mit Schokolade, Baiser und Erdbeere. Zum „Durcheinander“ gerät das Dessert, wie der französische Name suggeriert, allerdings keineswegs, denn innnerhalb einer kreisrunden Form werden mit Erdbeerpulver bestäubte Scheiben des Baiser senkrecht aufgestellt. Dazwischen tummeln sich Schokoladen-Eis und -Crumble sowie frische Erdbeeren, die eingelegt wurden. Auch dieses Dessert ist unkompliziert und verfehlt doch seine Wirkung aufgrund der klar erkennbaren Texturen nicht, selbst wenn es vielleicht nicht ganz so imponierend wie die beiden Vorgänger geriet – trotzdem ein gelungener Abschluss. Zwei hausgemachte Schoko-Trüffel mit Salz-Karamell gefüllt erweisen sich als passender Ausklang zu einer heißen Schokolade mit Sahne.
Selten habe ich so ein zwangloses Mittagsmenü genießen dürfen: höchste kulinarische Ansprüche werden hier sicherlich nicht befriedigt, aber wer mit etwas weniger als dem Besten vom Besten leben kann, der ist hier optimal aufgehoben. Die im Stil der Brasserie entworfenen Gerichte haben einfach Charme und überzeugen mit unverfälschter Ausdruckskraft. Offenbar ist es Herrn Sigl gelungen, die Ästhetik seines Vorgängers nahtlos weiterzuführen und weiterhin zahlungskräftiges Publikum anzulocken, das keineswegs in geringer Zahl hier eintrudelt (zumal die Zahl mittags geöffneter Spitzenrestaurants in München inzwischen leider sehr überschaubar geworden ist). Ob die Küchenleistung anhand eines dreigängigen Menüs vollständig zu würdigen und richtig einzuschätzen ist, darf hinterfragt werden. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass die vergebenen Auszeichnungen durchaus angemessen sind, zumal der Haupttrumpf des Hauses ja auch noch erwähnt werden sollte: Fabrice Kieffer, der sein Handwerk viele Jahre lang bei Heinz Winkler bis zur Perfektion ausübte, ist fraglos einer der besten Gastgeber der Republik. In einer perfekten Mischung aus französischem Charme, professioneller Distanz zum Gast (die aber nie abgehoben oder steif wirkt) und absolut profundem Weinwissen wird der Gast hier so souverän umsorgt wie es anderswo nur noch selten der Fall ist. Monsieur Kieffer, ein souveräner Vertreter der „old school“, würde jedenfalls auch weitaus höher dekorierten Lokalen außerordentlich gut zu Gesicht stehen, so dass man sich fast schon wundern muss, dass er in punkto Beruf sich inzwischen mit einem Lokal von vergleichsweise bescheidenen Ansprüchen (auch wenn es sein eigenes ist) begnügt.
Fazit: der exzellente Gastgeber und die bekömmlich-leichten Speisen geben diesem Lokal zwei echte Trumpfkarten in die Hand. Die braucht diese schicke Adresse aber auch, denn die Konkurrenz ist in der bayerischen Landeshauptstadt inzwischen gewaltig geworden. Der nächste Besuch wird jedenfalls schon mal angepeilt!