Menü des Jahres 2019

Ein echtes Highlight in einer ansonsten nur mäßig überzeugenden Menüfolge setzte Douce Steiner vom „Hirschen“ in Sulzburg mit ihrem ausgesprochen sinnlichen Hummergericht: die ungewöhnlich süßliche Ausrichtung mit Hibiskus, rote Bete und Kataifi-Fäden verlieh diesem Gang ganz neue und ungewöhnliche Facetten, die lange am Gaumen nachhallten. Fast hätte es für diesen Gang auf die Liste gereicht …

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Bei der folgenden Parade handelt es sich insofern um ein fiktives Menü, da diese Gerichte die Höhepunkte des Jahres 2019 darstellten und in Summe mein Traummenü ergeben würden. Die unterschiedlichsten Restaurants haben dazu beigetragen, wobei darauf geachtet wurde, dass alle 15 Beiträge von unterschiedlichen Restaurants stammen.

Die Zusammenstellung beginnt mit den Amuses, gefolgt von je einem kalten und warmen Gruß aus der Küche. Nach der Brotauswahl kommt ein Entrée mit Kaviar, gefolgt von einem vegetarischen Gang. Nach einem ersten Fischgang folgen ein vegetarischer Gang und ein weiterer Fischgang. Es geht danach weiter mit einem Fleischgang, einem (fast) vegetarischen Gang und dem Hauptgang. Den Ausklang bilden ein Käsegericht, ein Dessert und schließlich die Petits fours.

Wer hat es nun auf die Liste geschafft? Die Auflösung folgt …

 

Menü des Jahres 2019

 

1. Philipp Liebisch: Amuses bouches (Juwel, Schirgiswalde-Kirschau)

Was Philipp Liebisch zu Beginn des Menüs unter dem Namen Fenchel, Rindfleisch und Kirsche auftragen ließ, gehörte für mich zu den größten Überraschungen des Jahres. Großartiges Handwerk, überbordende Kreativität und tolle Präsentation machten aus diesem vielseitigen Einstieg (von dem noch nicht mal alles im Foto zu sehen ist) eine Ouverture der besonderen Art. Absolut außergewöhnlich!

 

2. Christoph Rainer: Hamachi, Ingwer, Daikon und Ponzu (Luce d’Oro, Elmau)

Als kalter Gruß beeindruckte mich diese japanisch inspirierte Kreation über die Maßen. Säure und Schärfe in perfekter Balance, texturelle Vielfalt auf engstem Raum und ein zwangloses Spiel mit Temperaturen – von Chefkoch Christoph Rainer meisterhaft in Szene gesetzt. Phänomenal!

 

3. Jan Hartwig: Ragout vom Taubenherz, Champignons und Granatapfelkernen
(Atelier, München)

Weshalb Jan Hartwig binnen kürzester Zeit in die Eliteliga der deutschen Köche aufgestiegen ist, beweisen Kreationen wie diese: hocharomatisch, perfekt ausbalanciert zwischen mineralischen und fruchtigen Noten – eine Kreation voller Umami mit Langzeitwirkung am Gaumen. Umwerfend!

 

4. Simon Martin Reis: Brotauswahl (Johanns, Waldkirchen)

Was in vielen anderen Lokalen zur lästigen Pflicht verkommen oder gar komplett abgeschafft worden ist, hat hier im Bayerischen Wald bei Simon Martin Reis noch Bestand: eine tolle Brotauswahl, gekrönt von dem sensationellen und süchtig machenden Blutwurst-Brot. Superb!

 

5. Ronny Siewert: Kaviar-Trilogie (Friedrich Franz, Heiligendamm)

Opulenter geht es kaum: wenn Ronny Siewert seinen längst zum Klassiker avancierten Einstieg aufträgt, dann ist ein feudales Esserlebnis ersten Ranges garantiert: drei hinreißende Varianten, wie man Kaviar überzeugend inszenieren kann. Dekadent, aber einmalig!

 

6. Denis Feix: Spargel, Olivenöl, Senfsaat und Amalfi-Zitrone (Die Zirbelstube, Stuttgart)

Der ganze Besuch bei Denis Feix schnitt viel besser als erwartet ab, doch eine besonders zünftige Überraschung war diese puristische Vorspeise: Spargel allerbester Qualität und Konsistenz kombinierte die Küche nur mit ganz dezenten Begleitern, die ihre Wirkung indes voll ausspielen konnten und sich bestens an den Hauptdarsteller anschmiegten. Eine Delikatesse!

 

7. Christian Jürgens: Huchen, Spitzkohl und Vin Jaune (Überfahrt, Rottach-Egern)

Dem nicht zu übersehenden Trend zu Süßwasserfischen hin hat sich auch Christian Jürgens längst angeschlossen – warum auch nicht, wenn doch Tegernsee und Donau so nahe sind? Was er allerdings aus dem Donauwaller zaubert, überrascht dennoch, da dieses Gericht scheinbar gar nicht mit seiner einst so verspielten Stilistik korrespondieren will. Doch wen kümmert’s, wenn so eine Sauce von göttlicher Tiefe und unbeschreiblichem Facettenreichtum ein doch recht gewöhnliches Produkt so souverän in den kulinarischen Olymp hievt? Grandios!

 

8. Andrée Köthe und Yves Ollech: Blumenkohl (Essigbrätlein, Nürnberg)

Als Höhepunkt eines ausgezeichneten Menüs zauberten die beiden Chefs etwas auf den Teller, das kaum monothematischer sein könnte: sieht man von etwas Knoblauch, Kirschblütencrème und Kerbel ab, dann besteht der Rest der Kreation lediglich aus einem Füllhorn an unterschiedlichsten Varianten von Blumenkohl. Die bescheidene Ankündigung des Gangs wirkt da schon gar nicht mehr so kryptisch, und der Geschmack gibt den beiden Gemüsepäpsten wieder einmal recht! Verblüffend!

 

9. Jacob Jan Boerma: Steinbutt, Blumenkohl, Noisette und Limette (De Leest, Vaassen)

Schon die Beschreibung klingt recht wild, und auch die Präsentation wirkt nicht so als ob hier ein Weltklassegericht auf dem Teller drapiert wäre – falsch gelegen! Dieser Teller war der beste des gesamten Jahres und verdiente diese Auszeichnung mit einer rundum stimmigen Balance, einer unerhört opulenten Sauce und der besten Produktqualität, die sich nur vorstellen lässt! Göttlich!
Menetekel: die Betreiber haben das Lokal nach 17 Jahren am 27. Dezember 2019 aufgegeben.
Welch herber Verlust!

 

10. Christian Eckhardt: Morchel, Landei, Sot-l’y-laisse und Kartoffel (PURS, Andernach)

Für erfahrene Gourmets klingt diese Ankündigung nach bloßer Routine. Was der junge Chefkoch aus dieser recht klassischen Kombination zauberte, hatte Stil, Eleganz und Raffinesse im Überfluss. Die erdigen Pilzaromen harmonierten so prächtig mit dem wachsweichen Ei, dass mir das Gericht auch heute noch in bester kulinarischer Erinnerung geblieben ist. Hinreißend!

 

11. Sven Elverfeld: Caesar Salad – Miéral-Taube, Romana und Parmesan (Aqua, Wolfsburg)

Insgesamt erreichte Sven Elverfeld bei meinem jüngsten Besuch vielleicht nicht das höchste Maß an kulinarischer Schaffenskraft, doch dieser originelle Beitrag erwies sich als echter Knüller. Der mit bestem Fleisch zubereitete Gang bestach durch mutige Optik und ungemein komplexem, aber dennoch verständlichem Geschmack – so stellt man sich neue deutsche Küche vor! Top!

 

12. Hans Haas: Gratinierte Lammkoteletts mit Bohnen und Artischocken (Tantris, München)

An diesem Tag war weiß Gott nicht alles Gold was glänzte, doch wozu ein Hans Haas in Topform fähig ist, bewies er hier mit souveräner Leichtigkeit: das unglaublich saftige Fleisch sowie hocharomatisches Tomatenpesto und Kräutermantel obenauf machten aus diesem eher unkomplizierten und schlichten Gang einen Volltreffer, der als mustergültige Hommage an klassische Tugenden abseits aller Moden verstanden werden kann! Bravo!

 

13. Hans Stefan Steinheuer: Grevenbroeker, Buchweizenhonig und Aprikosen
(Zur alten Post, Bad Neuenahr-Ahrweiler)

Einen überdurchschnittlichen Käsegang können oder wollen offenbar nur noch die wenigsten Köche kreieren – nicht so Hans Stefan Steinheuer, der stille „Star von der Ahr“. Mit diesem überraschenden Einfall und der nicht minder spannenden Präsentation, die ihre Geheimnisse erst nach und nach beim Verzehr preisgibt, zaubert er ein Gericht, dessen Aromen so perfekt am Gaumen aufgehen und harmonieren, dass es eine wahre Wonne ist! Himmlisch!

 

14. Thomas Yoshida: Wolke (Facil, Berlin)

Mein absoluter Lieblingspatissier rechtfertigt allein schon den Besuch in Berlins tiefenentspanntestem Lokal. Die höchste Meisterschaft erfordernde, kreative und hochgradig experimentierfreudige Darbietung verblüfft durch acht verschieden gefüllte Kugeln unterschiedlicher Größe, die aber als zusammenhängende Figur auf den Teller kommen. Die edle Bahiba-Schokolade, die alles umhüllt, macht diesen Beitrag zu einem Essvergnügen, das regelrecht neugierig macht und von dem Passionsfrucht-Sorbet kongenial begleitet wird. Absoluter Wahnsinn!

 

15. Stefan Leitner: Pâtisserie (Bareiss, Baiersbronn)

Eine sichere Bank ist die Pâtisserie im Schwarzwälder Luxusrestaurant: der dreistöckige Wagen ist an Opulenz und Qualität praktisch nicht zu überbieten und lässt die Herzen von Süßmäulern regelrecht galoppieren. Ob nun Macarons, Bruchschokolade oder Pralinen – es gibt nichts, was es hier nicht gibt! Die Auswahl im Bild stellt natürlich nur meine persönliche Auswahl und damit einen winzigen Teil des Gesamtangebots dar. Unbedingt probieren: die sündhafte
Mousse-au-Chocolat-Torte, die eigentlich auf eine Liste mit suchtbildenden Stoffen gehört.

 

Schade, dass es diese Menüfolge in dieser Form nirgendwo gibt!
Und dennoch: mein Dank gilt all den umtriebigen und rastlosen Köchen, die stets mit großer Energie versuchen, die Gäste zu beglücken und deren kulinarischen Horizont zu erweitern!

 

!!!   DANKE  !!!