Mosconi*, Luxemburg-Stadt (UPDATE)

„Der neapolitanische Hafenarbeiter isst besser als der deutsche Dax-Vorstand.“ (Christoph Wirtz)

UPDATE (Juli 2023)

Der Chefredakteur des Gault&Millau bringt es mit seinem pikanten Statement auf den Punkt: die italienische Küche lebt in einem hohen Maße von der Qualität ihrer Produkte und der Klarheit der Struktur auf dem Teller. Da selbst die „normale“ Küche in Bella Italia schon solch eine Qualität offeriert, mag darin ein Grund zu sehen sein, weshalb es außerhalb des Landes relativ selten vorkommt, eine italienisch geprägte Sterneküche anzutreffen: neben exzellenten Produkten (die gar nicht immer so leicht zu beschaffen sind) bedarf es vor allem fundierter Kenntnisse auf dem Gebiet der Pasta und des Weins, um eine typisch herausragende Küche mit dieser Stilistik überhaupt offerieren zu können. Während in Bella Italia die Wichtigkeit guten Essens schon mit der Muttermilch aufgesogen wird, sind wir hierzulande von einem vergleichbaren Bewusstsein immer noch meilenweit entfernt und geben uns daher folglich nur allzu gerne mit italienischer Durchschnittskost zufrieden, von der es nun wahrlich genügend gibt.

In Deutschland sind es praktisch nur das Carmelo Greco in Frankfurt am Main, die Eichhalde in Freiburg im Breisgau sowie die beiden Münchner Lokale Acetaia und Acquarello, welche italienisch geprägte Hochküche offerieren, doch glücklicherweise gibt es auch in unserem Nachbarland Luxemburg direkt in der Hauptstadt eine weitere solche Adresse – das einfach besternte Mosconi, welches ich schon im Jahr zuvor kennengelernt habe und dank einer Studienfahrt erneut besuchen konnte. Chefkoch des Hauses ist Ilario Mosconi, der zeitweilig auch schon mit zwei Michelin-Sternen dekoriert war; sein Etablissement ist mit Sicherheit zu den besten Adressen des Großherzogtums zu zählen.

Im Gegensatz zum völlig verregneten Premierenbesuch gestattet es das gute Wetter, diesmal auf der Terrasse Platz zu nehmen. Das malerisch im Stadtteil Grund gelegene Gründerzeithaus liegt direkt an der gemächlich vorbeifließenden Alzette und wäre noch romantischer, wenn nicht direkt vor dem Hause die enge Straße verliefe, auf der auch leider immer wieder lärmige LKWs fahren. Dank angenehmer Wärme und großzügiger Sonnenschirme ist dieses Menetekel schnell vergessen und die Aufmerksamkeit stattdessen rasch der Speisekarte gewidmet: trotz zweier Menüs (eines davon ein reines Pastamenü) und einer üppigen Auswahl an Gerichten à la carte entscheide ich mich wieder aus Zeitgründen für das viergängige Mittagsmenü zu € 65 und bin gespannt, ob die herausragende Qualität des Vorjahres wieder erzielt werden kann. Ich lasse meine Blicke immer wieder umherschweifen und stelle fest, dass das Publikum hier offenbar noch internationaler ist als es mein erster Besuch vermuten ließ – man hört an diesem Tag allerlei Fremdsprachen von Portugiesisch bis Russisch.

Zu einem Crodino Soda reicht man zunächst wie gewohnt das Focaccia mit Olivenöl und das mit Lardo di Colonnato umwickelte Grissino. Die Qualität des Specks alleine würde schon eine eigene Eloge rechtfertigen: unglaublich tief und komplex im Geschmack, doch hauchzart und mit dem perfekten Fettgehalt. Weltklasse eben! Solche Produkte beziehen zu können macht eben den eingangs geschilderten Unterschied aus! Da dieses einladende Häppchen identisch mit dem des Vorjahres ist, habe ich wohl unterschwellig gedacht, auf ein Foto verzichten zu können – siehe den Beitrag des Vorjahres. Ein Teil der Apéros kommt mir ebenfalls aus dem Vorjahr bekannt vor, doch ein paar neue Einfälle gibt es auch zu verzeichnen: die geeiste Praline mit flüssigem Kern von Apérol Spritz erweist sich als ein sommerlicher und hochwillkommener Einsteiger, der leichtfüßig zu den nächsten drei Häppchen überleitet.

Zwischen zwei hauchdünnen Scheiben sardischen Brots platziert die Küche ein Parmesan-Eis, etwas Basilikum und einen Tropfen Aprikosengel für etwas Fruchtigkeit. Das Cannelono ist edel mit einem Foie de Poulet (Hühnerleber) und weißem Trüffel gefüllt, während der Cracker rechts mit Kürbsikernen und Anchovis einen stark salzigen und habhaften Kontrast dazu eingeht.

Die zweite Trilogie besteht aus einem noch dampfenden Brioche mit Tomate, Aubergine und Parmesan, einer kalten Tomatensuppe mit Basilikum, Wassermelone und Erdbeergel sowie einem mit Sepia gefärbten Kartoffelbällchen und einer Farce von Kabeljau. Alles in allem wirkt die Mehrzahl dieser Apéros recht harmlos an, aber mit kleinen, unerwarteten Kniffen gelingt es dem Chef meisterhaft, die Aufmerksamkeit des Gastes zu erhöhen und ihn aus seiner Routine zu reißen – alles in allem ein aparter Reigen auf hohem Niveau mit viel Charme.

Das Entrée des Tages könnte erfolgreich um jeden Designpreis mitmischen: allein die mit Ricotta gefüllte und mit einem Stengel von „echter“ Zucchini gestaltete Zucchiniblüte ist stets ein Hingucker, doch auch die optische Umrahmung des Hauptprodukts kann sich durchaus sehen lassen: eine kühle Erbsensauce mit etwas Burrata macht nicht nur visuell viel her, sondern beweist zugleich, dass bisweilen einfachste Zutaten ausreichen, um nachhaltige Effekte zu erzielen. In diesem Fall imponiert mir insbesonders, dass der starke Kontrast zwischen der recht kraftvollen Aromatik der Blüte und der leichten Bitterkeit der Erbse trotz allem so harmonisch in Szene gesetzt wurde. Mit Hilfe dieses wunderbar bekömmlichen und sommerlich-leichten vegetarischen Gerichts zaubert mir Ilario Mosconi schon erkennbar das erste Lächeln aufs Gesicht!

Den zweiten Gang des Mittagsmenüs bildet wie schon im Vorjahr ein Pastagericht – ein Ritual, mit dem ich mich jederzeit anfreunden könnte: diesmal sind es Tortelli al dente mit einer Farce von Hühnchen in einer Safransauce mit Erbsen. Ob der erneute Rückgriff auf dieses Produkt unbedingt sein musste, sei dahingestellt, doch ändert es nichts daran, dass auch dieser Gang mit klaren italienischen Tugenden punktet: selbstverständlich hausgemachte Pasta, auch ansonsten nur beste Produkte, exzellentes Handwerk sowie die schnörkellose Präsentation und die Reduktion auf das Wesentliche. Sagt man Pastagerichten oft eine gewisse Eindimensionalität nach, so führen die eben aufgelisteten Vorzüge dazu, dass dieses Gericht bis zum Ende verzückt und dank durchdachter Portionierung kein bißchen langweilig wirkt. Hier ist – wen wundert’s? – die Küche ganz bei sich und kann ihre Vorzüge ungehindert ausspielen. Italianità an der Alzette wirkt gewöhnungsbedürftig, doch Dolce Vita ist den Luxemburgern ganz bestimmt nicht fremd!

Der Lammrücken zum Hauptgang ist von schön mürber Konsistenz und vorzüglicher Saftigkeit, kann sich aber mit den besten Beiträgen dieses Jahres nicht messen. Dass dieses Gericht nicht dasselbe Maß an Begisterung in mir zu wecken vermag, liegt auch an der Jus, die meines Erachtens missglückt ist: wegen mangelnder Tiefe und einer auffallend fettigen Konsistenz fehlt es ihr an ausreichend Charakter, um etwas Bereicherndes zum Fleisch beizutragen. Filetierte Feigen und Friggitelli (geschmorte grüne Paprika) verleihen diesem Gang von großer Klarheit ein trotz allem stimmiges mediterranes Kolorit, doch den zuvor geschilderten Fauxpas können auch sie nicht gänzlich kompensieren. Außerdem hätte man sich an der einen oder anderen Stelle im Menü doch mal eine etwas forschere Aromatik gewünscht, die nicht zuletzt wegen vieler weicher Konsistenzen ein wenig vermisst wurde.

Wie schon im Jahr zuvor werden die Petits Fours ungewöhnlicherweise vor dem Dessert aufgetragen, doch dann soll es eben so sein. Zunächst geht es mit einer geeisten Praline von weißer Schokolade mit Zitronencrème los, bevor die übrigen vier Beiträge aufgetragen werden: es sind dies ein Profiterol mit Vanillecrème und Erdbeerpulver, ein Röllchen mit Ricotta und Pistazie, eine Mürbteigtartelette mit Früchten sowie eine naturbelassene (!) Kirsche. Das ist handwerklich solide Pâtisserie-Kunst, die sich den Höhepunkt aber noch für später aufsparte …

Das Dessert huldigt erkennbar der Jahreszeit und setzt auf eine mehr oder weniger gut bekannte Kombination an Produkten: eingelegte Erdbeeren (sowie zwei Mini-Erdbeeren am Tellerrand von der hauseigenen Terrasse) paart man hier erwartbarerweise mit einem Basilikum-Eis, doch die weiteren Komponenten haben es in sich: der Rucola gerät noch einigermaßen gewöhnlich in diesem Umfeld, aber mit schwarzen Oliven und einem mit Vanille verfeinerten Olivenöl verlässt die Küche die ausgetretenen Pfade endgültig. Das Endergebnis kann sich dabei durchaus sehen lassen: handwerkliche Höhenflüge sind für dieses Dessert schwerlich vonnöten, aber die eigenwillig säuerliche Aromatik der Oliven, die Bitterstoffe des Rucola und die kräutrig-herbe Note von Basilikum harmonieren fast schon virtuos. Die Erdbeeren bleiben dabei dank ihres vollreif-süßen Geschmacks erkennbar im Zentrum des Geschehens, werden aber auf reizende und unerwartet spannungsgeladene Weise begleitet. Schön!

Das letzte As im Ärmel ist eine Schokoladenpraline mit Piemonteser Haselnüssen und Puderzucker, die alle Petitessen zuvor locker schlägt und sensationell gut gelingt: die überragende Aromatik der gerösteten Haselnüsse sollte all denen, die gewöhnlich mit industriell verarbeiteten Haselnussprodukten Vorlieb nehmen, einmal dringend empfohlen werden! In Kombination mit der kraftvollen Schokolade sollte auch dem letzten Gast klar geworden sein, welch riesige Diskrepanz zwischen dieser Kugel und verpackten Süßwaren aus denselben Produkten liegt!

Was bleibt also festzuhalten? Vergleiche mit dem Besuch im Vorjahr boten sich schon deshalb an, weil eine stattliche Zahl an Wiederholungen das Menü durchzog. Das muss selbstverständlich keinen Nachteil darstellen, zumal wenn die Qualität so mancher Apéros oder Petits fours von der Küche als so bewährt angesehen wird, dass sie schon so etwas wie Mini–Signature-Dishes darstellen. Vielleicht hätte allein die Einkehr zu einer anderen Jahreszeit schon für Abhilfe gesorgt, wenn man sich daran stören sollte, etliche Beiträge des Vorjahres wieder vorgesetzt zu bekommen. Außerdem sollte dabei nicht übersehen werden, dass das möglicherweise auf diesem Gebiet etwas limitiert wirkende Repertoire durch das überreichliche Angebot an Gerichten à la carte locker kompensiert wird.

Ansonsten bot dieser Besuch über weite Strecken die aus dem Vorjahr gekannte Qualität, da die Küche unerschütterlich an ihren Tugenden festhält: wenige hochqualitative Produkte, Klarheit in der Präsentation und sorgsame Portionierung stellen einige der offensichtlichsten Vorzüge dieser feinen Adresse dar. Wenn mich das Endergebnis letztlich doch nicht ganz in demselben Maße wie im letzten Jahr fesselte, so lag es vor allem an drei Dingen: neben der erwähnten Jus zum Hauptgericht waren es vor allem die ganz große Raffinesse, die diesmal einfach fehlte, sowie der fehlende Mut, auch mal etwas zupackender zu agieren. So sehr man praktisch jedes Gericht (mit Ausnahme des Hauptgerichts) isoliert betrachtet loben konnte, so bleibt doch festzuhalten, dass es dieser Menüfolge in ihrer Gesamtheit doch ein wenig an einer gewissen Dramaturgie mangelte. Im Vergleich zum Vorjahr erlahmte das Interesse zwischenzeitlich ein wenig, einfach weil die aromatische Abwechslung diesmal weniger stark ausfiel und sich in einem vergleichsweise engen Rahmen bewegte.

Der Service gibt sich insgesamt polyglott, agiert aber auf Französisch und Englisch doch deutlich sicherer als in anderen Sprachen. Ansonsten verrichtet man hier einen aufmerksamen, ja fast schon charmanten Job: da wirkt nichts gehetzt oder aufgesetzt, und offenbar kamen auch sämtliche Getränke- und Weinempfehlungen auch bei den anderen Gästen gut an. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Nebenkossten in diesem Hause durchaus spürbar sind und ein allzu forscher Konsum durchaus aufs Portemonnaie schlagen kann. Aber gut, die niedrigen Kosten für das Business Lunch müssen ja irgendwie amortisiert werden …

Alles in allem ist eine Einkehr in dieser kleinen, aber feinen weißen Villa an der Alzette im Rahmen eines Trips nach Luxemburg durchaus empfehlenswert. Trotz leichter Abstriche gegenüber dem Vorjahr kann man sich sicher sein, hier eine geradezu modellhafte Auslegung italienischer Spitzenküche vorgesetzt zu bekommen, auch wenn sie marginalen Schwankungen unterworfen ist. Schwer vorstellbar, dass dies mein letzter Besuch hier war …

Mein Gesamturteil: 17 von 20 Punkten

 

Mosconi
13 Rue Münster
2160 Luxemburg (Luxemburg)
Tel.: 00352-546994
www.mosconi.lu

Guide Michelin 2023 (Luxemburg): *
Gault&Millau 2023 (Luxemburg): 17 Punkte

4-gängiges Business Lunch: € 65

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„Das Leben ist eine Kombination aus Zauberei und Pasta.“ (Federico Fellini)

August 2022

Italienisch geprägte Sterneküche ist außerhalb Italiens tatsächlich relativ selten anzutreffen und daher ein umso rareres Erlebnis, wenn dem geneigten Gourmet doch einmal eine derartige Stilistik in Aussicht gestellt wird. Genau dies erwartet uns nämlich im Mosconi, einem eleganten Bürgerhaus in der Hauptstadt des Großherzogtums. Es liegt im pittoresken Stadtteil Grund in der Unterstadt, welcher bequem mit einem Aufzug von der historischen Altstadt aus zu erreichen ist. Da Parkgelegenheiten in den malerischen Gässchen absolute Mangelware sind, empfiehlt sich ein Parkplatz in der historischen Altstadt, um von dort aus die restliche Strecke zu Fuß zurückzulegen. Direkt an der Alzette gelegen und mit einem Paradeblick auf die Altstadt aufwartend, verzaubert das Lokal unter Chefkoch Ilario Mosconi seine Gäste mit pfiffiger, aber zugleich eleganter und moderner italienischer Küche, die schon mit bis zu zwei Michelin-Sternen prämiert war. Derzeit nur einfach besternt, kann uns jedoch selbst der strömende Regen nicht davon abhalten, dem Etablissement einen Besuch abzustatten – zumal wir die Reservierung erst am Tag zuvor getätigt hatten! Was meine Neugier zusätzlich geweckt hatte, war die Aussage von Paolo Julita, dem ehemaligen Gastgeber im zweifach besternten Da Gianni in Mannheim: inzwischen in Aalen gelandet, erzählte er mir bei einem meiner Besuche in seiner (durchaus empfehlenswerten) Trattoria, dass die Küche seines Heimatlandes insgesamt weniger verschnörkelt und stärker auf die Produkte fokussiert wäre als die Hochküche in anderen Nationen. Genau davon möchten wir uns persönlich überzeugen und können die folgenden Darbietungen des Meisters Ilario Mosconi kaum erwarten.

Das schmucke Bürgerhaus ist in lichten Farben elegant eingerichtet und verströmt umgehend eine Wohlfühl-Atmosphäre, die uns regelrecht beflügelt. Der trotz der relativ spürbaren Enge geschickt integrierte Aufzug verbindet zudem das Obergeschoss mit dem Lokal und das Untergeschoss mit der Toilette, die übrigens mit reichlich Marmor gestaltet ist. Diese aristokratische Location gehört sogar der Vereinigung „Les Grandes Tables du Monde“ an, die mit Sicherheit zu den renommiertesten Organisationen weltweit für Spitzengastronomie gezählt werden muss. Da der Gault&Millau zudem nach wie vor herausragende 18 Punkte vergibt, gehen wir von einem außergewöhnlichen Mittag aus. Bezüglich der Angebote nachmittags sind wir noch ahnungslos, da die Homepage nur spärlich Informationen preisgibt und nicht einmal eine Speisekarte beinhaltet. Vor Ort erfahren wir dann, dass neben zwei umfangreicheren Menüs (bis zu € 150) und einer reichhaltigen Auswahl à la carte auch ein attraktives Business Lunch mit vier Gängen zu € 59 angeboten wird – es sind genau diese Offerten, die man in Frankreich und Benelux so reichlich antrifft und in heimischen Landen nahezu vergeblich sucht. Sieht man einmal vom Esplanade in Saarbrücken, der Wolfshöhle in Freiburg und dem Facil in Berlin ab, hat die Bundesrepublik auf höchstem Niveau fast nichts Vergleichbares zu bieten.

Zum Kennenlernen halten wir das angesprochene Angebot für geradezu ideal, so dass eine Entscheidung schnell getroffen ist. Schon bald wird der kreisrunde, mit einem Leintuch bedeckte Tisch mit ersten Petitessen belegt: Gurke, Ceta-Kaviar und Crème fraîche eröffnen den Reigen (schlicht, aber gut), gefolgt von einem mit Parmesan und Gänseleber verfeinerten Polentachip (edel) sowie einem Blätterteigtörtchen mit Kürbiskernen und Anchovis, welches dank wohldosierter Salinität sehr bekömmlich gerät.

Harmlos mutet das klassische Focaccia im Verbund mit einem Grissino an, doch neben dem hochwertigen sizilianischen Olivenöl ist es vor allem der Lardo di Colonnato, der regelrecht auf der Zunge schmilzt und die Geschmackspapillen jubilieren lässt – Qualität auf Weltklasseniveau!

Mit einigen weiteren Apéros zieht das Niveau nochmals merklich an: das mit Sepia aromatisierte Kartoffelbällchen ruht auf gezupftem Kabeljau, was angesichts der fein austarierten Kombination prächtig gelingt. Noch mutiger gerät die Tomaten-Kaltschale, die nicht nur mit Einlagen von Wassermelone und Erdbeere höchst ungewöhnlich aufgewertet wird, sondern auch mit einem Gelée von Tomatenwasser Abwechslung bei den Texturen zu bieten hat – eine echte Eingebung, die vorhersehbar wirkt, dabei aber voller aromatischer Überraschungen steckt. Dampfgekochtes Brioche mit einer Fleischfüllung und etwas Parmesan obenauf ist ein leicht zugänglicher Abschluss einer Parade, die durchaus erste Ausrufezeichen setzen konnte – passend dazu ein Sanbitter Orange an diesem Spätsommertag.

Zugegebenermaßen hatten diese Einstiege bisher noch nicht die ganz große Euphorie in uns ausgelöst, doch das sollte sich mit dem Beginn des Menüs schlagartig ändern: bei Calamari steht die Produktqualität voll im Fokus. Nichts soll diese verfälschen oder kaschieren, denn dank einer sanften Garung und der spärlichen Zugabe von etwas Dill strahlt der Hauptdarsteller in vollem Glanze. Zucchini und Blumenkohl werden ganz subtil eingebettet und verleihen diesem Gang eine unaufgeregte, aristokratische Charakteristik, die durch feine Noten von Weißwein vollendet abgerundet wird. Das ist gelebte Italianità: federleicht, transparent und von nachhaltiger Wirkung am Gaumen. Mit diesem ausgezeichneten Einstieg von grandioser Frische und makelloser Reinheit hat uns die Küche endgültig auf ihre Seite gezogen. Die vermeintliche Schlichtheit wird das gesamte Menü weiterhin durchziehen – und die Kunst von Signore Mosconi noch bewundernswerter erscheinen lassen, da die minutiös umgesetzte Veredelung optisch kaum bemerkbar gerät und so die große Kunst dahinter geschickt verbirgt.

Auch beim nächsten Gang fällt es mir schwer, das Besondere daran in Worte zu packen: das absolut anspruchslos wirkende Pastagericht kombiniert Fettucine mit Tomaten, Parmesan, Basilikum und Tomatensugo. Viel mehr gäbe es dazu kaum zu erzählen, wenn es nicht so großartig schmecken würde: hausgemachte Produkte, größtmögliche Sorgfalt bei der Zubereitung und ein Handwerk, dessen Niveau man deutlich schmecken kann, genügen schon, um diesen profan wirkenden Gang erfolgreich der Routine zu entreißen. Es wirkt, als hätte man vergleichbare Gerichte schon hundert Mal gegessen (was vermutlich auch zutrifft), aber keines davon erreichte bislang dieselbe Klasse. Wirklich toll, wie geschickt die Kunst hinter den Gerichten verborgen bleibt und sich dabei selbst unerfahrenen Gourmets aufdrängt – es bedarf keiner großen Kompetenz oder Erfahrung, um den Ausnahmerang dieses Gerichts zu erkennen. Wir sind jedenfalls sehr beeindruckt ob der Raffinesse bei selbst gewöhnlichsten Gerichten.

Mit nur kurz gebratenem Hähnchen aus dem Elsass (leider habe ich mir den Namen des Produzenten nicht gemerkt) und dem Verzicht auf die berühmten Bresse-Hühner von Jean-Claude Miéral setzt die Küche auf weniger namhafte Produzenten und zaubert doch ein weiteres beeindruckendes Statement auf den Teller: das unfassbar saftige und aromatische Fleisch wirkt durch die süßliche Jus fast wie karamellisiert, doch im Verbund mit den Piemonteser Haselnüssen wird daraus eine schlüssige Kombination, die einen spannungsgeladenen Kontrast mit der Würze von marinierten Frühlingszwiebeln eingeht. Mit so wenig Zutaten kommt dieser Teller aus – und erzielt damit doch ein fulminantes Ergebnis! Das verwendete Geflügel verdient allemal das Prädikat „denkwürdig“, die puristische Inszenierung verfälscht absolut nichts und die geschmackliche Kraft hinter dieser bescheiden anmutenden Inszenierung ist nicht zu unterschätzen. Großartig, einfach großartig!

Etwas ungewöhnlich werden hier die süßen Einschübe bereits vor dem Dessert gereicht, doch stört uns dies nicht weiter, wenn sie so ausgezeichnet wie in diesem Fall gelingen: ein Röllchen mit Füllung von Ricotta und Pistazie, ein Törtchen mit Zitronencrème und Basilikum, ein Profiterol mit Vanillefüllung sowie Noten von Pfirsich und Rum, zwei Apfelschnitze und schließlich eine geeiste Tiramisu-Kugel, die separat auf einem Tablett gereicht wird (ohne Foto). Selbst bei diesen Kleinigkeiten bleibt sich das Haus seiner Stilistik treu: keinerlei Schauwerte, konzentrierter Geschmack und zutiefst beglückende Aromen, die ihren Reiz nicht aus Effekthascherei, sondern aus kaum für möglich gehaltener Tiefe beziehen. Opulenz mit leisen Tönen – vorzüglich!

Da konnten wir noch nicht ahnen, dass auch das Dessert in Form eines dekonstruierten Tiramisu nochmals ein echtes Ausrufezeichen setzen würde: das stilecht mit Kaffee getränkte Biscuit meidet schon mal übertrieben präsente Bitterkeit und wird durch einen Schokocrunch von wohldosierter Süße wunderbar in der Schwebe gehalten. Weitere wichtige Details wie die beispiellose Qualität der exzellenten Sahne, die unwahrscheinlich fluffige Crème mit Mascarpone und der genau dosierte Einsatz des Kakaopulvers machen aus diesem italienischen Dessertklassiker einen Beitrag, den ich so schnell nicht vergessen werde – und das, obwohl Kaffee ziemlich weit unten auf der Liste meiner Gunst steht. Diese Neuinterpretation ist jedenfalls souverän geglückt! Bravo!

Gegen Ende dieses italienisch geprägten Menüs hatte sich der Dauerregen endlich verzogen und stattdessen strahlendem Sonnenschein Platz gemacht. Wir waren von dieser unerwarteten Wendung genauso fasziniert wie von der relativen Schlichtheit der Küche, deren Stärken in den verwendeten Produkten und der minutiösen Verfeinerung liegen. Optisch hielten sich die Kreationen durchweg zurück, doch fielen sie geschmacklich dafür umso mehr auf: scheinbar harmlos, doch mit einer unerhörten aromatischen Kraft ausgestattet, die zugleich hochelegant geriet und doch ohne knallige Effekte auskam. Gerade die höchst subtile und doch mit scheinbar geringsten Mitteln auskommende Verfeinerung des Geflügels oder der Calamari hinterließen in uns einen bleibenden Eindruck und zauberten einen enormen Nachhall an den Gaumen. Die obige Ankündigung von Signore Julita traf voll und ganz zu, denn nur selten habe ich bisher eine Küche erleben dürfen, die in einer höchst feinsinnigen Balance aus ohnehin schon hervorragenden Produkten Genüsse zaubert, die in seltener Klarheit Aromen entstehen lässt, die man bei aufmerksamem Verzehr durchaus selbst enträtseln kann und bei denen man doch ob ihrer Wirkung verblüfft ist. Schade, dass Signore Mosconi anscheinend nur Italienisch spricht und meine mehr als rudimentären Italienisch-Kenntnisse höchstens ausreichen würden, um ihn zu verstehen, aber nicht um mit ihm zu kommunizieren.

Einen nicht geringen Anteil am Gelingen dieses Nachmittags hatte auch der polyglotte Service, der flugs zwischen mehreren Sprachen wechseln konnte und dabei den Ablauf des Mahls doch jederzeit im Griff hatte. Nachfragen unsererseits wurden kompetent beantwortet, Gerichte mit dem genau richtigen Maß an Hilfestellung erläutert und passende Getränke ohne Umschweife empfohlen. Dass die Ehefrau des Chefs ein Teil der Servicebrigade ist, kommt in anderen Ländern wesentlich häufiger vor als in Deutschland – ein Umstand, welcher der Authentizität dieses Mahls nur förderlich war und von etlichen Gästen wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Dank eines sehr fairen Preis-Leistungs-Verhältnisses und moderater Nebenkosten kann man sich – genügend Zeit vorausgesetzt – kaum eine schönere Möglichkeit vorstellen, um einen zwanglosen Nachmittag bei gehobener Esskultur zu verbringen.

Machen wir es kurz: unserem Empfinden nach hätte dieses Darbietung auch weiterhin zwei Sterne verdient, selbst wenn ein Abendmenü mit mehr Gängen eine noch größere Aussagekraft zugelassen hätte. Im Falle eines weiteren Besuchs hier wird es mit Sicherheit ein größeres Menü werden, um die volle Bandbreite des Repertoires kennenzulernen und die Kunst des Ilario Mosconi erst richtig würdigen zu können. Bis dahin kann ich mich getrost mit der Gewissheit zufriedengeben, bislang noch nie besser italienisch gegessen zu haben!

Mein Gesamturteil: 18 von 20 Punkten

 

Mosconi
13 Rue Münster
2160 Luxemburg (Luxemburg)
Tel.: 00352-546994
www.mosconi.lu

Guide Michelin 2022 (Luxemburg): *
Gault&Millau 2022 (Luxemburg): 18 Punkte

4-gängiges Business Lunch: € 59