Nach dem Abflauen der Pandemie hat sich die besternte Gastronomie einiges einfallen lassen, um das Interesse der Gäste hochzuhalten oder aufs Neue zu beleben. In diesem Zusammenhang ist es nicht weiter verwunderlich, dass Events wie Sommerfeste, zu denen oftmals gleich eine ganz Handvoll Gastköche eingeladen wird, oder Four Hands Cooking derzeit Hochkonjunktur haben. Auch ich informiere mich regelmäßig über solche Ereignisse, finde aber die Mehrzahl unter ihnen aus zwei einfachen Gründen nur leidlich spannend: zum einen verursacht die Teilnahme an einem solchen Event nochmals signifikant höhere Kosten als ein gewöhnlicher Restaurantbesuch, und zum anderen habe ich die überwältigende Mehrzahl der Gastköche in ihren eigenen Restaurants erleben dürfen. Die Erkenntnis, dass jeder Koch am heimischen Herd am besten aufkocht, ist dabei absolut fundamental, denn mit teils fremdem Personal vor Ort und ungewohnter Aufteilung in einer Gastküche können nicht alle Routinen auf demselben Niveau abgerufen werden. Natürlich dienen solche Veranstaltungen auch dazu, das Renommée des Gastgebers, der seinen Besuchern einen illustren Gastkoch präsentiert, aufzuwerten, zumal die Mehrzahl der Teilnehmer den Gastkoch eben noch nicht in dessen eigenem Lokal erleben durfte. Diese regelmäßig mit großem Vorlauf und Werbeaufwand inszenierten Veranstaltungen haben somit fraglos ihre Daseinsberechtigung, nur sind sie in meinem Falle eben nicht besonders attraktiv. Es sei denn …
… der Gastkoch steht nicht mehr aktiv am Herd eines Lokals. Es gibt eine ganze Reihe an Köchen, die ich gerne einmal kennengelernt und in Aktion erlebt hätte. Das waren zuletzt schon wertvolle Erfahrungen, Franz Keller oder Hans-Peter Wodarz erleben zu dürfen! Alternativ kann es auch passieren, dass ich die Künste eines Chefs zu dessen aktiver Zeit tatsächlich schon bewundern durfte, dies aber schon so lange Zeit zurückliegt, dass die Aussicht auf ein Revival mehr als verlockend wäre.
Hier habe ich mal eine Liste meiner Top-10-Kandidaten zusammengestellt, die mich im Zusammenhang mit einem solchen Event sehr reizen würden. Vielleicht dient diese Liste ja auch dem einen oder anderen Veranstalter als Anregung?!
Platz 10: Karlheinz Hauser
Der Witzigmann-Schüler, der zwei Jahrzehnte lang für das Restaurant Seven Seas am Hamburger Süllberg verantwortlich zeichnete, betreibt inzwischen das Catering für den McLaren-Rennstall in der Formel 1. Mein einziger Besuch des inzwischen geschlossenen Lokals liegt fast zehn Jahre zurück, weshalb die Erinnerung daran inzwischen ziemlich verblasst ist und ein erneutes Erlebnis mit diesem Chef durchaus interessant wäre.
Platz 9: Thomas Bühner
Der ehemalige Chef des dreifach besternten und seit 2018 geschlossenen La Vie in Osnabrück war ein absoluter Avantgardist der Szene. Sein erzwungener Rückzug als aktiver Koch wegen der Einstellung des finanziellen Supports durch die Betreiber ist bedauerlich, doch seine Aktivitäten hat der umtriebige Gastronom längst nicht auf Eis gelegt – so eröffnete im Gegenteil in Taipeh eine Dépendance, die seinen Namen trägt, und plant außerdem für 2025 eine Neueröffnung in Düsseldorf, von der man sich einiges versprechen darf, selbst wenn der Chef dann eher nicht mehr persönlich am Herd stehen sollte. Daher wäre es trotz allem reizvoll, den „echten“ Thomas Bühner nochmals selbst in Aktion zu erleben
Platz 8: Karl-Emil Kuntz
Seit seinem vollständigen Rückzug aus der Krone in Herxheim-Hayna ist es um den ehemaligen Chefkoch sehr ruhig geworden. Seinen Stil habe ich vom einzigen Besuch her vor zehn Jahren als sehr süffig und opulent in Erinnerung – alles in allem ziemlich an den Idealen der 90er-Jahre orientiert und damit in scharfem Kontrast zu dem, was heute so die Teller prägt. Warum mal nicht eine Küche aus anderen Zeiten erleben?!
Platz 7: Otto Koch
Der zum Kreis großer Münchner Gastronomen der 1970er-Jahre gehörende Chefkoch arbeitet zwar nicht mehr aktiv am Herd eines Restaurants, unterhält aber nach wie vor gute Beziehungen zu seiner Branche und stand für das ARD-Buffet viele Jahre vor der Kamera. Auch mit Mitte Siebzig scheint der Altmeister noch durchaus aktiv zu sein und wäre aus meiner Sicht ein spannender Gast aus vergangenen Tagen.
Platz 6: Hans Haas
Zugegebenermaßen ist Hans Haas‘ leiser Abschied vom Tantris noch nicht so lange her. Wer den Stil des Chefs liebte, der kann zudem im Werneckhof, der jetzt von seiner ehemaligen und treuen Souschefin Sigrid Schelling geleitet wird, sein kulinarisches Erbe immer noch in Teilen erleben. All dies ersetzt jedoch nicht die Aura des charismatischen und überaus feinen Menschen Hans Haas, der überall ein gern gesehener Gast ist und mit seiner unverwechselbaren Art von allen seinen Kollegen nur höchstes Lob einheimst. Ein solcher Ehrengast wäre schon etwas ganz Besonderes!
Platz 5: Dieter Müller
Dieser Chef bedarf keiner großen Vorstellung, denn außer ihm bildeten in Deutschland wohl nur Eckart Witzigmann und Harald Wohlfahrt eine ähnlich große Anzahl an Köchen aus, die später die höchsten Weihen ihrer Branche erlangen sollten. Völlig zurückgezogen hat sich der ehemalige Drei-Sterne-Chef des Schloss Lerbach auch mit Mitte Siebzig noch immer nicht, doch ihn bei seinen raren Auftritten zu erleben ist nicht so einfach. Fraglos würde er mit seiner Erfahrung und seiner Ausstrahlung dennoch eine Bereicherung für jedwede Veranstaltung darstellen.
Platz 4: Harald Wohlfahrt
Auch der eher unrühmliche Abgang von der Schwarzwaldstube ist noch nicht so lange her, doch die Sehnsucht vieler seiner treuen Anhänger nach seiner unvergleichlich eleganten, stets auf französischem Fundament basierenden Küche ist nach wie vor groß. Heute ist Harald Wohlfahrt auf vielen anderen Gebieten auch als Berater tätig, weshalb eine zeitlich noch so knapp bemessene Rückkehr an den Herd sicherlich ein großes Event wäre.
Platz 3: Sergio Herman
Zugegebenermaßen hat sich ein internationaler Name in diese Liste eingeschlichen, doch Tohru Nakamura ist nur ein Beispiel für einen in Deutschland arbeitenden Chef, der durch dessen Kaderschmiede ging und so zu einem hochprofessionellen Könner heranreifte. Nach der Schließung des Oud Sluis im Jahre 2013 baute der illustre Chef ein weit gespanntes Imperium an Lokalen auf, die von engen Mitarbeitern betrieben werden – das wohl berühmteste Beispiel ist das The Jane in Antwerpen unter der Leitung von Nick Bril. Meine Überlegungen sind natürlich eher Wunschdenken, da Sergio Herman wohl genug anderes zu tun hat und es inzwischen kaum nötig hätte, an solche Events teilzunehmen, doch was für ein Coup wäre dies, sollte es wirklich gelingen?!
Platz 2: Bernhard Diers
Schon vor der Übernahme der legendären Zirbelstube im Herzen von Stuttgart, die er ausgelaugt im Jahre 2013 verlassen musste, hatte der bescheidene Chef das Gasthaus Schwanen in Haigerloch auf der Schwäbischen Alb zu zwei Michelin-Sternen geführt. Heute betreibt der Chef zusammen mit seiner Frau ein vorzügliches Café im Herzen von Verden an der Aller, doch prinzipiell würde er – wie er mir persönlich versicherte – im Falle einer Anfrage zumindest über die Teilnahme an einem solchen Event als Gastkoch nachdenken. Auch aus meiner Sicht wäre es eine gewinnbringende Situation, diesen so bescheidenen Chef, der viele Maßstäbe setzte, nochmals aktiv erleben zu dürfen. Ich wäre auf jeden Fall sofort dabei!
Platz 1: Michael Hoffmann
Ich mache keinen Hehl daraus, dass die Schließung des Margaux im Jahre 2014 für mich den bedauerlichsten Verlust der letzten zehn Jahre in ganz Deutschland darstellt. Michael Hoffmann hatte mit seiner avantgardistischen Gemüseküche zuvor ein Level erreicht, mit dem zu jener Zeit allenfalls noch das Essigbrätlein in Nürnberg mithalten konnte. In einer Mischung aus Frust über die konservativen Michelin-Tester (der zweite Stern blieb ihm seltsamerweise stets verwehrt), Enttäuschung über ausbleibende Gäste (er betonte, dass dasselbe Lokal fraglos stets ausgebucht wäre, läge es in Paris oder London) und Erschöpfung zog er sich weitgehend zurück und ist nun auch in Brandenburg als Gärtner tätig. Die aktuellen Entwicklungen verfolgt er wohl immer noch, aber eine aktive Tätigkeit am Herd hat er seither nicht mehr übernommen – ein unbeschreiblich herber Verlust, denn der ehemalige Witzigmann-Schüler trat unbestechlich für seine Überzeugungen ein und wies den Gastronomen heutiger Tage einen „grünen“ Weg, der zu jener Zeit ungeheuer vorausschauend war und ein beispielloses Niveau aufwies.
Nun wird sich zeigen, ob meine Anregungen irgendwann auf fruchtbaren Boden fallen …!